Schimmel am Fundament

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit geht Kärntens Kulturszene am Stock. Unter den freiheitlichen Politikern wandern Förderungen sukzessive weg von Kleinkunst und Hochkultur hin zu Brauchtumspflege. Auch bei der Besetzung von wichtigen Posten soll es nicht mit rechten Dingen zugehen. Die Bilanz der letzten Jahre schaut traurig aus. Es gibt aber Hoffnung.

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Ende November letzten Jahres schlug ein Gutachten Alarm: Das Depot des Kärntner Landesmuseums sei völlig verschimmelt. Rund 3.000 Objekte, vom Biedermeier-Möbelstück bis zum Buch aus dem 17. Jahrhundert, seien akut gefährdet oder bereits zerstört. Das Klagenfurter Rudolfinum als von außen wunderschöner Neorenaissance-Bau, in dessen Keller über Jahre unbemerkt wertvolle Stücke verrotten – eine bösere Metapher für die Kulturpolitik des Landes hätte man wohl nicht einmal erfinden können.

Auch abseits dieses medienträchtigen Falls ist die Bilanz nach 14 Jahren blau-oranger Kulturpolitik unterm Strich sehr dürftig. Das zeigen die offiziellen Zahlen, aber auch die Menschen, mit denen man über das Thema spricht. Ein Vorwurf, der immer wieder im Raum steht: Unter den Freiheitlichen würden Förderungen aus den Bereichen der Kleinkunst und Hochkultur in Richtung Brauchtumspflege und Heimatkult wandern. »Es gibt Millionen für die Volkskultur, für avantgardistische Projekte ist aber überhaupt kein Geld da. Gerade einmal die Arrivierten bekommen ein bisschen was«, urteilt Isabella Straub, in Klagenfurt lebende Journalistin und Autorin. Für die Machthaber sei das praktisch. »Volkskultur ist eine rein bestätigende Angelegenheit, die die bestehenden Verhältnisse einzementiert.« Die Frage sei: »Wie wird mit Kritik umgegangen?«

Brauchtum statt Kleinbühne

Ein Blick in die jährlich veröffentlichten Kulturberichte zeigt: In Kärnten nicht gut, sofern man dieser These folgen mag. Im Jahr 2011 belief sich Kärntens Kulturbudget auf 27 Millionen Euro. 1,6 Millionen, also beinahe sechs Prozent davon, flossen allein in den Bereich Brauchtums- und Heimatpflege. Förderungen für Volksmusik, sprich Trachtenkapellen, Chöre und Ähnliches sind in dieser Summe noch gar nicht enthalten. Die Förderungen für Kulturinitiativen machen sich im Vergleich dazu mickrig aus: Gerade einmal 140.000 Euro standen der jungen Kulturszene Kärntens 2011 zur Verfügung.

Dementsprechend hart fallen auch einige Urteile aus. »Kulturschaffen in Kärnten ist furchtbar«, sagt Martin Dueller. Der Chefdramaturg der Neuen Bühne Villach baute in den vergangenen Jahren mit Gleichgesinnten den Clingkeller in der Villacher Innenstadt zum Kulturhofkeller, einem Zentrum für Gegenwartskultur, um und kam dabei zwangsläufig in Berührung mit dem Landeskulturreferat und dessen Leiter, dem freiheitlichen Landesrat Harald Dobernig. Positives hat er darüber nicht zu berichten. »Versprechen wurden nie schriftlich gegeben und auch nie eingehalten. Dobernig ist abseits der Volkskultur einfach total inkompetent«, so Dueller. 4.500 Euro gab es im Jahr 2012 vom Land, bei einem Gesamtbudget von knapp 30.000 Euro. Damit konnte das Team 150 Veranstaltungen auf die Beine stellen. Dieses Programm war aber nur möglich, »weil wir über ein gutes Netzwerk verfügen und die Künstler gerne zu uns kommen«. Sprich: zu deutlich niedrigeren Gagen. So leiden in der Folge nicht nur die Veranstalter, sondern auch die Künstler unter der verfehlten Kulturpolitik des Landes. Während das gesamte deutschsprachige Feuilleton gespannt auf den Bachmann-Preis blickt, verliert die Kärntner Kulturszene langsam ihr Fundament.


Über solche Probleme können volkskulturelle Großveranstaltungen wie die Brauchtumsmesse oder der Kärntner Heimatherbst nur milde lächeln. Erstere durfte sich 2011 über eine Viertelmillion an öffentlichen Geldern, zweiterer gar über mehr als eine halbe Million freuen. Aber nicht nur Großprojekte dieser Art profitieren von der Dobernig’schen Liebe zur Volkskultur. So spendierte das Kulturreferat diversen Vereinen und Musikgruppen Trachten im Wert von 88.000 Euro. Und auch die Kärntner Traditionsverbände, vom Abwehrkämpferbund bis hin zur Ulrichsberg-Gemeinschaft, erhielten insgesamt 125.000 Euro an Steuergeldern. 20.000 davon gingen alleine an den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreich. Demgegenüber erhielten die verschiedenen slowenischen Kulturvereine gerade einmal 13.500 Euro. Deutlich weniger als die 18.000 Euro, die das Land der Kleinen Zeitung als Zuschuss für ein Konzert von Genesis überwies. Das könnte glatt als Fun Fact durchgehen. Wenn es denn lustig wäre.

Parteinähe kann hilfreich sein

Doch nicht nur bei den unabhängigen Kulturschaffenden steht Dobernig nicht gerade hoch im Kurs, auch innerhalb des Kulturreferats regt sich Unmut. Stein des Anstoßes ist unter anderem ein Verrechnungsposten »Organisationsaufwand«, der im Landeskulturbericht unter dem Unterpunkt »Diverse Zahlungen« versteckt ist. Die bemerkenswerte Summe: 536.352,26 Euro. Darunter sollen sich unter anderem Gelder verbergen, die unter der euphemistischen Bezeichnung »Repräsentationskapital der Regierungsmitglieder« subsummiert werden, vom Bierfass fürs Zeltfest bis hin zu Gratiskarten für Schlagerkonzerte.

Viel schwerer wiegt jedoch der Vorwurf der Freunderlwirschaft, der immer wieder erhoben wird, sobald man verspricht, nicht namentlich zu zitieren. Von Landesbeamten sind abenteuerliche Geschichten zu hören: Dobernig habe im vergangenen Herbst seinen Parteifreund Karl Altmann auf einen künstlich geschaffenen hohen Landesposten gehievt. Ohne Ausschreibung, ohne Objektivierung, ohne Befristung. »Wer in diesen Unzeiten der Partei beitritt, der muss honoriert werden«, habe der Landesrat die umstrittene Bestellung kommentiert. Dem Vernehmen nach waren es daneben vor allem die – vorsichtig ausgedrückt – wenig kritischen Berichte des früheren ORF Kärnten-Redakteurs, die ihm Dobernigs Gunst sicherten. Altmann sei zuvor bereits einmal bei einer Bewerbung für einen Posten im Brauchtumsreferat durchgefallen – wegen mangelnder fachlicher Kompetenz.

An anderen Stellen im Referat wird spekuliert, dass Altmanns Posten nur deshalb geschaffen worden sei, um ihn nach der Pensionierung des aktuellen Leiters des Brauchtumsreferats als dessen Nachfolger zu installieren. Ein Plan, der für gehörigen Unmut sorgt und auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Eine eventuelle Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs unterliegt einer juristischen Überprüfung, wie zu hören ist. Auch bei der Personalvertretung des Landes kennt man die Angelegenheit. »Die Anstellung des Herrn Altmann ist zumindest sehr fragwürdig. Das war eine Umgehung des Objektivierungsgesetzes in krassester Form«, kommentiert der Obmann der Zentralpersonalvertretung des Landes, Gernot Nischelwitzer. Im Büro von Landesrat Dobernig weist man alle Vorwürfe als politisch motiviert zurück. Altmann sei eine Bereicherung für die Abteilung, und von einer übermäßigen Förderung der Volkskultur könne keine Rede sein.

Seltsame Förderungsverteilung, Konzentration auf das Bestehende und Besetzung nach Parteibuch – also alles verloren im Kulturland Kärnten? Nicht ganz. Zumindest dem Landesmuseum Rudolfinum wurden nach langer Diskussion knapp eine halbe Million Euro Soforthilfe zugesagt. Und auch Martin Dueller sieht einen Hoffnungsschimmer. Seit der ehemalige Staatssekretär im Außenamt und frühere Leiter des Museumsquartiers, Wolfgang Waldner, im September 2012 den Bereich der Hochkultur von Dobernig übernommen hat, wehe ein deutlich frischerer Wind. Allerdings weiß niemand, wer nach der anstehenden Landtagswahl noch auf welchem Posten sitzt. Kärntens Kulturszene schaut gespannt auf den 3. März.

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