Wie zeitgemäß ist die Gewerbeordnung für Fotografie?

Im Dezember startet die zweite große Ausstellung zum 150-Jahr-Jubiläum der Photographischen Gesellschaft. Deren Präsident meint, dass ein Großteil der gezeigten Fotografien von Künstlern stammt, die keinen passenden Gewerbeschein besitzen.

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Fotografie ist in Österreich kein freies Gewerbe. Dies ist nicht ganz nachvollziehbar, da bei der Ausübung niemand gefährdet wird, wie bei Elektrikern oder anderen Berufen. Will man nicht nur als Pressefotograf arbeiten, muss in Österreich der Gewerbeschein nach einer Meisterprüfung oder einer Individuellen Befähigung gelöst werden.

Von der Innung abgelehnte Fotografen müssen beim Verfassungsgerichtshof gegen die Urteile ankämpfen. Und immer wieder werden bekannte und weniger bekannte Fotografen, die ohne Meisterprüfung arbeiten, angezeigt. Verantwortlich dafür sind die Fotografen-Innungen der Wirtschaftskammer. Viele Fotografen, solche mit Meisterprüfung und solche ohne, befürworten eine Änderung des Gesetzes. Sie werfen den Innungen vor, aus Angst vor Konkurrenz zu handeln und stören sich an nicht nachvollziehbaren Aktionen der Innungen. Vorwürfe werden hier in der Wortwahl durchaus emotional und ausfällig; viele betreffen Michael Weinwurms Vorgänger in der Wiener Innung, Leopold Vodicka.

In der Bundesinnung selbst ist man zu wenig Auskunft bereit, schiebt die Verantwortung aber auf die Gesetzeslage, für die das Wirtschaftsministerium verantwortlich sei. Im Ministerium halten einzelne inoffiziell das offenbar in Europa einzigartige Gesetz für unzeitgemäß; ein offizielles Statement gab es nicht. Die Branche wiederum berichtet von Lobbying-Agenden der Innungen, die dafür sorgen, dass das Gesetz bleibt, wie es ist. Stolz ist man in der Bundes-Innung darauf, dass seit einigen Jahren die Fotografie nun keine Dienstleistung mehr ist, sondern ein Handwerk. Andere sehen darin eine Reaktion darauf, dass laut EU Dienstleistungen prinzipiell nicht reglementiert werden dürfen.

Helmut Klein ist seit Jahrzehnten als Fotograf (mit Meisterprüfung) in Österreich und Deutschland tätig. Als sachverständiger Gutachter bei Gericht beurteilt er die Tätigkeit einzelner Fotografen. Manche dieser Gutachten fallen positiv aus – was ihm die Innung als Gefälligkeit gegenüber den Fotografen auslegt. Wie andere auch, erzählt er von unfairen Prüfungen der Innung, inkompetenten Prüfern und tendenziösen Urteilen. Und kommt zu dem Schluss, dass die Innung selbst den Kuchen verkleinert, den sie beschützt: Lukrative Aufträge werden von österreichischen Auftraggebern (Werbung, Kataloge, …) ins Ausland vergeben, da die Innung heimische Talente nicht fördert, sondern dazu bewegt, abzuwandern. Er würde es gerne sehen, wenn Fotografen sich organisieren und gemeinsam eine Gesetzesänderung bewirken. Seit rund zwei Jahren gibt es die Facebook-Gruppe »Fall der Meisterpflicht für Fotografen in Österreich« – ein Anfang?

Wir haben Experten um Stellungsnahmen zu dem Thema gebeten:

Astrid Bartl: „Der Markt regelt sich selbst.“

Elfi Semotan: „Ich will nicht, dass die Konkurrenz ausgeschaltet wird.“

Michael Weinwurm: „Die Stellung ‚P‘ steht eben nicht für professionelles Fotografieren.“

Werner Sobotka: „Kann man die Fotografie zum Handwerk degradieren?“

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