Das Gute muss erobert werden

Ginga sind derzeit nicht nur die schickste und aufregendste Band Wiens, sondern auch ein Paradebeispiel dafür, wie man genau das werden kann. Begeisterung für »Being A Band«.

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Ginga machen gerade alles richtig. Vielleicht auch deswegen, weil es zum Bandstadium, in dem sie sich gerade befinden, dazugehört, eben nicht alles richtig zu machen, Antworten offen zu lassen und manchmal eben doch den eigenen Weg zu gehen, obwohl andere einen direkteren zu kennen meinen. Spätestens seit ihrem Auftritt am Wiener Popfest im Mai werden sie zu Recht abgefeiert, im September veröffentlichen sie nun ihr großartiges Debütalbum »They Should Have Told Us« (2008) ein weiteres Mal – komplett neu aufgenommen und abgemischt. Es ist schon einige Zeit her, dass Wien eine Band gehört hat, die mit solchem Zug zum Ziel vorgegangen ist.

Die Entdeckung der Einfachheit

Eine der Schlüsselaussagen im Interview, das gleich nach dem Cover-Fotoshooting im Augarten stattfand und in dem die Band streckenweise sympathisch unkonkret bleibt, sich manchmal um klare Aussagen herumschummelt, aber doch nie Vorgefertigtes wiederkäut, ist die „vom Guten, das erobert werden muss“. Das trifft bei Ginga gleich auf mehrfache Weise zu. Musikalisch sozialisiert im Indiehausen der 90er Jahre (also inkl. Metalphase und wohl auch inkl. 80ies-Pop im Radio), lernte die Band bald, sich an Pop zu bedienen – nicht um gefällig zu sein, sondern um die interessanten Seiten dieser Ästhetik für eigene Zwecke zu nutzen. Manche lernen das nie, wollen das auch gar nicht, bei anderen ist diese Öffnung schlicht eine Alterserscheinung – bei Ginga ist sie ein Bekenntnis. Die Band musste erst lernen, ihre Fähigkeiten an den Instrumenten zu zügeln, von komplexen, teilweise improvisierten Strukturen Abstand zu nehmen und die Einfachheit zu entdecken, die gute Songs mitunter ausmacht.

Mitte der 90er Jahre, im Alter von elf Jahren, haben Sänger Alex Konrad und Multi-Instrumentalist Emanuel Donner als Schulband in Wien ihre ersten Konzerte gemeinsam bestritten. An Ginga arbeiten sie seit rund fünf Jahren, gemeinsam mit Klemens Wihlidal und Drummer Matthias Loitsch, der extra für das Bandprojekt von Frankreich nach Wien kam. Man hat sich in dieser Zeit viel erarbeitet und bei aller Ernsthaftigkeit, die es bedarf, als Band zu wachsen, geschafft, nicht zu Proberaum-Nerds zu werden, die Veränderungen um sie herum gar nicht mehr mitbekommen.

Denn auch im Umgang mit der Außenwelt macht die Band – nicht ganz zufällig – alles richtig. Mit Sänger Alex Konrad und Klemens Wihladil, der wie Emanuel Donner mehrere Instrumente bedient, studiert immerhin die Hälfte der Band Kunst an der Angewandten, konkret Medienkunst in der Klasse von Erwin Wurm. Ein Zugang der lehrt, reflexiv und verspielt mit dem eigenen Schaffen umzugehen, Präsentation nach Außen und das Schaffen eines Images gleich mitzudenken. Und letztlich auch: Die eigene Person und das eigene Werk nicht zwingend deckungsgleich zu sehen. So sehr sie diese Kongruenz bei anderen Künstlern, etwa dem Nino aus Wien, fasziniert – gerade Alex Konrad und Klemens Wihladil können es sich nicht vorstellen, diese Trennung nicht zu vollziehen. Die beiden sind es auch, die der Band ein Bild nach Außen geben, indem sie sich selbstsicher modisch kleiden; noch ein bisschen mehr als Drummer Matthias Loitsch, der Schlagzeug studiert hat, und Multi-Instrumentalist Emanuel Donner, der sich nach seinem Philosophie-Studium nun noch der Politikwissenschaft widmet.

Aktuelle Trends nehmen Ginga auch in ihrer Musik wahr. Neben einer typischen Lo-Fi-Ästhetik sind hier Entwicklungen der vergangenen Jahre hörbar. Nicht zuletzt die treibenden Drums, die immer wieder gerade und tanzbar bleiben – was vielerorts den Vergleich zum Kunststudenten-Pop von Franz Ferdinand heraufbeschwört. Aber auch Songpassagen, in denen die teils immer noch verspielten Melodien und Strukturen glänzen dürfen. Das Markenzeichen der Band – neben dem Einsatz von Geige, Keyboards und Chorälen – bleibt aber der Gesang. Alex Konrad hat eine dieser wunderbaren Stimmen, die gekonnt artifiziell wirkt, aber nie zur Pose verkommt.

Und dann gibt es noch die Parts, in denen die Band gemeinsam singt, mit mehreren Stimmen experimentiert und damit ganz eigene Akzente setzt. Das alles war schon 2008 auf der ersten Version von »They Should Have Told Us« zu hören, die damals Andreas Pils in seinen Primitive Studios aufgenommen hat. Mit diesem Album hat vieles begonnen. Seither hat die Band den in Wien lebenden Belgier Jeroen Siebens als Booker und Mitstreiter. Damals entstand auch das Video zu »Fashion«, das – immer noch – viele Eigenschaften der Band zeigt: keine Scheu vor Aufwendigkeit etwa, keine Furcht vor der Pose und doch, immer sichtlich, mit Herz und vollem Einsatz dabei.

Internationale Kontakte

Mit diesem Debütalbum im Gepäck konnten Alex Konrad und Klemens Wihladil aber auch im Zuge eines Auslandssemesters in London Kontakte knüpfen. Dort lernten die beiden Dan Rejmer kennen, der etwa mit den Kills oder Nick Cave gearbeitet hat und das Album noch einmal abmischte, nachdem es in Belgien bei Mons Jegers neu aufgenommen worden war. Mons, erzählen Ginga heute, hätte einige gute Ideen gehabt, um die Songs noch stärker in Richtung glatter Zugänglichkeit zu trimmen. Doch die Band hat sich dem verwehrt, vieles gemeinsam live eingespielt und auf eine Lo-Fi-Ästhetik – bis hin zum Cover – beharrt.

Das Album erscheint nun beim Wiener Label Monkey Music, an einer internationalen Lizensierung arbeitet man gerade, wobei die bestehenden Kontakte helfen. Zum Netzwerk zählt auch Starsailor-Bassist James Stelfox, der sich nach einem Auftritt von Ginga als Vorband begeistert zeigte und seitdem immer wieder mal auf Tour als Bassist aushilft – eine Stelle, die bei Ginga nicht fix vergeben ist. Noch sieht die Band in der Aufmerksamkeit, die ihr gerade in Österreich entgegengebracht wird, einen Heimvorteil, und das oft gehörte »Überraschend gut dafür, dass es aus Österreich kommt« nicht als nerviges Absprechen ihres Könnens.

Spätestens nach der Tour zur Albumveröffentlichung im September soll »They Should Have Told Us« für die Musiker dann aber endgültig abgeschlossen sein. Zwar macht das Live-Spielen der Stücke noch sichtbar Spaß, aber anhören könne man sich das Album nicht mehr wirklich. In Gedanken sind sie auch schon weiter. Unter anderem bei neuen Stücken, die vielleicht noch eingängiger werden. Denn Pop-Stars werden Ginga mit diesem Album – bei allem hoffentlich eintretenden Erfolg – keine: Das Songwriting trifft gekonnt die Balance zwischen komplexen Parts und solchen, die ganz sicher breit ankommen und funktionieren. In der Produktion wäre aber noch mehr Druck, Bombast und große Geste möglich gewesen, was für mehr Zugänglichkeit gesorgt hätte.

So schälen sich für jene, dich sich nicht an der komplexen Sound-Ästhetik stören, mit der Zeit großartige und stilistisch vielfältige Pop-Songs aus den vorhandenen Ecken und Kanten. Da Ginga aber, wie derzeit keine andere Band aus Österreich, Dringlichkeit vermitteln und den Willen zeigen, weiterzukommen, ist davon auszugehen, dass wir von dieser Band noch viel hören. Und ihr Ziel ist sowieso London.

»They Should Have Told Us« erscheint am 15. September bei Monkey Music. Der enge Tourplan der Band (www.thisisginga.com) sieht auch einen Stopp am 15. Oktober in der Arena Wien vor – im Rahmen von Teen Gap. Zum Interview mit der Band geht es hier.

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