Gemeinsamkeiten und Unterschiede einer Liebe – Nicolette Krebitz im Interview zu »AEIOU«

In Nicolette Krebitz’ neuem Film »AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe« verlieben sich ein junger Mann und eine deutlich ältere Frau ineinander. Im Interview spricht die Regisseurin über Liebe und Macht sowie über Altersunterschiede in Beziehungen und die Filme der Nouvelle Vague.

© Reinhold Vorschneider

Nicolette Krebitz hat mit »AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe« ihren vierten Spielfilm realisiert und rückt darin die Geschichte einer Liebe in den Fokus. Einer Liebe zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann, also etwas, das man (noch immer) selten zu sehen bekommt. Der Film feierte seine Premiere im Rahmen 72. Inter­nationalen Film­fest­spiele Berlin und konkurrierte dort um den Goldenen Bären. Krebitz selbst ist nicht nur als Regisseurin, sondern in vielen Sparten kreativ tätig: als Drehbuch­autorin, Schau­spielerin, Musikerin und Sprecherin. Zuletzt führte sie bei »Wild« (2016) Regie, einem Film über eine zurück­gezogen lebende Frau, die sich einem Wolf anzu­nähern beginnt. Für »AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe« hat Krebitz nun Sophie Rois und Milan Herms gemeinsam vor die Kamera geholt.

Dein neuer Film behandelt eine Beziehung zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann. Was hat dich and dieser Konstellation interessiert?

Nicolette Krebitz: Die beiden Liebenden von genau diesen Vorgaben zu befreien. Ich habe mich gefragt, wie viele Gemeinsam­keiten eine Liebe möglich machen und wie viele Unterschiede sie befeuern. 

Der Film ist eine deutsch-französische Koproduktion. Waren die Filme der Nouvelle Vague für dich Inspiration?

In den 60er-Jahren haben sich viele französische und italienische Regisseure im Kino damit beschäftigt, ihrer Vorstellung von Frauen neue Räume zu eröffnen. Frauen verließen den Herd und spazierten in die Welt, die bis dahin Männern vorbehalten war. Sie gaben ihrer Fantasie und den Damen in ihren schönen Kleidern und ordentlichen Frisuren viel Platz, sich auszu­probieren und zu äußern. Aber ihr Blick auf sie blieb immer respektvoll und fasziniert. Das hat mir gefallen. 

»AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe« (Foto: Reinhold Vorschneider)

Altersunterschiede in (romantischen) Beziehungen sind oft Gegenstand (medialer) Debatten, wobei die meisten Alters­unterschiede (in heterosexuellen Beziehungen) dem »klassischen« Modell folgen: älterer Mann mit jüngerer Frau. In den letzten Jahren wurden dabei mitunter Macht­unterschiede diskutiert, auch in anderen TV- und Kino-Formaten. Wie stehst du zu diesem Aspekt der Macht, wolltest du ihn zum Thema machen?

Wir leben in einem Patriarchat. Der Mann ist erst mal ein Mensch. Dass er ein Mann ist, kommt erst danach. Eine Frau ist immer zuerst eine Frau und alles, was wir damit verbinden. Sie ist nicht an der Spitze der Pyramide, wenn man in diesen Kategorien denkt. Insofern ist das Machtverhältnis zu einem jüngeren Liebhaber nicht so einfach mit dem umgekehrten Modell zu vergleichen. Wenn überhaupt Macht in unserem Film eine Rolle spielt, dann ist es die Macht des Verlangens oder Begehrens, gegen die kein Gesellschaftsmodell gewinnt.

Die beiden Hauptrollen übernahmen Sophie Rois und Milan Herms, die beide unterschiedlich viel schau­spielerische Erfahrung mitbringen. Wie gestaltete sich die Arbeit mit ihnen und wie schnell gab es auch die passende Chemie zwischen Rois und Herms?

Das erste Zusammentreffen der beiden war gleichzeitig unser Casting. Wir waren mit der Kamera dabei, als sie sich begegnet sind und erstmalig aufeinander reagiert haben. Das war sehr aufregend, rührend und, ja, lots of chemistry.

»AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe« (Foto: Reinhold Vorschneider)

Du bist in vielen kreativen Bereichen zu Hause, bist als Regisseurin, Drehbuch­autorin, Schau­spielerin, Sprecherin und Musikerin tätig. Auch bei »AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe« hast du das Drehbuch verfasst und warst für die Regie zuständig. Inwiefern beeinflusst dein Wirken vor der Kamera deine Arbeit dahinter? Und wie gestaltet sich allgemein dein kreativer Prozess?

Ich sammle die ganze Zeit – jeden Tag eigentlich – Gedanken, Fotos, Texte. Und irgend­wann fange ich an zu schreiben, und dann ist eine Idee oder sogar ein Buch entstanden. Manchmal ist die gleichzeitige Arbeit an anderen Projekten inspirierend und manchmal muss ich mich komplett zurückziehen, um auf den Punkt zu kommen. 

»AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe« hatte 2022 bei der Berlinale seine Urauf­führung. Wie waren die Reaktionen bisher?

Die Berlinale ist für deutsche Regisseur*innen immer ein bisschen langweilig. Das Publikum und die Kritiker*innen nehmen ihre Rolle sehr ernst und vergessen, dass es eben auch ein Fest ist, auf dem gefeiert werden darf.

Woran arbeitest du aktuell bzw. demnächst? Welche Themen interessieren dich noch?

Ich interessiere mich für Fantasy, Anime und Heavy Metal.

»AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe« ist ab heute, also ab dem 24. Juni 2022, in den öster­reichischen Kinos zu sehen.

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