Sag mir, was du siehst – Pia Wilma Wurzer »Elysium«

Ihr Hobby bedeutet für die Mitglieder des Modellflugclubs Kappel-Althofen Freiheit. Für »Elysium« hat Pia Wilma Wurzer sie gebeten, an ihre persönliche »Insel der Seligen« zu denken.

© Pia Wilma Wurzer »Elysium«, 2024 (Videostill)

Das lautlose Blau des Himmels und die unbemerkte Veränderung der Wolken. Das weite Flach der Wiese. Viel Jeans. Viel Sonnenbrille. Viel Stolz. Ein Bomber aus dem zweiten Weltkrieg, ein Gleiter mit sicher sechs Metern Spannweite; Quadcopter; pinke Jets. Die Männer bewegen sich kaum, aber doch ein bisschen.

In formaler Hinsicht ist Pia Wilma Wurzers »Elysium« ein Videoloop, der von einer Soundspur begleitet wird. Dem Video liegt dabei eine andere Kunstform zugrunde: das Tableau vivant, bei dem bekannte Bilder durch lebende Menschen nachgestellt werden. Wurzers Tableau vivant folgt dabei frei einem Gemälde von Josef Abel (geboren 1764), das den deutschen Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock bei seinem Eintritt ins Elysium zeigt – die »Insel der Seligen« aus der griechischen Mythologie. Abels Bild setzt also wiederum die griechische Mythologie und die Dichtkunst voraus. Klopstock war im 18. Jahrhundert ein gesellschaftlicher Star und hatte großen Einfluss auf den Zeitgeist (der »Empfindsamkeit«). Für Goethe und seinen Werther – Figur wie Buch – war er eine wichtige Referenz. In Klopstocks »manisch-suizidaler« Welt, wie es in der Broschüre zur Ausstellung heißt, war das Aus- und Durchleben von Affekten ein wichtiger Faktor auf dem Weg zur spirituellen Utopie. Das fand oft in gemeinschaftlichen Aktionen statt, die wir heute Read-ins oder Cry-ins nennen würden.

Vor ein paar Jahren wurden auf einer Vernissage Wurzers drei selbstkreierte Düfte in kleinen Fläschchen unter den Anwesenden herumgereicht. Diese konnten ein bisschen davon auf Teststreifen sprühen und daran riechen. Dazu gab es einen Text, der von Figuren aus Kärntner Sagen handelte. Zusammen ergab das eine multisensorische Erfahrung, in der sich Raum- und Zeitebenen durch das Zwischenmischen von Projektion und Wahrnehmung überlagerten. Im Fall von »Elysium« stellt die Soundspur eine zweite Wahrnehmungsebene dar, die das Geräusch der drei in der Luft stehenden Drohnen wiedergibt. Und – kaum hörbar – Gesang.

Künstler*innen, die mit Video arbeiten, sind vor die Tatsache gestellt, in der üblichen Ausstellungssituation weder kontrollieren zu können, zu welchem Zeitpunkt Zuseher*innen in einen Film einsteigen, noch, ob sie sich überhaupt auf dessen gesamte Dauer einlassen. Die Form dieses filmisch dokumentierten Tableau vivant umgeht diese Problematik ein Stück weit, indem sie die Entwicklung innerhalb des Werks auf nahezu null reduziert. Gleichzeitig behält sie die Dauer bei, die es dem Publikum erlaubt, eine Entwicklung in sich selbst zu vollziehen. Diese ermöglicht auch das Lesen der kurzen Dichtung, die den Film begleitet: »Die Hände, die sie steuern sind ganz ruhig. / Ganz präzise sind die Bewegungen, die es braucht / um die sensibel eingestellten Lenkruder des Flugzeugs so auszurichten, / dass es Loopings drehen / und sich aus weiter Höhe in die Tiefe stürzen kann, / um dann kurz vor dem Boden wieder eine Kehrtwende Richtung Himmel zu machen. / Manchmal landet ein Flieger im Maisfeld und zerschellt.«

Pia Wilma Wurzer arbeitet vorrangig mit Bewegtbild, Text und Sound, aber auch performativ sowie mit Düften. Ihre Arbeit »Elysium« ist Teil der Ausstellung »Die Pfeile des wilden Apollo. Klopstockkult & Ossianfieber«. Diese ist bis 25. Mai an der Akademie der bildenden Künste in Wien zu sehen.

Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 210 ist dies: »Elysium« von Pia Wilma Wurzer.

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