Sogar besser als Banksy

Der Hip Hop-Film "Style Wars" ist vieles, Dokumentation, Bestandsaufnahme, Kultfilm. Doch mittlerweile auch schon über 30 Jahre alt. Zwei Künstler haben eine Fortsetzung gedreht. Ohne Budget, ohne Produktionsteam, dafür mit Camcorder, unfassbar naiv-lustiger Herangehensweise und viel Liebe. Ein Treffen in Prag.

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"Und da willst du wirklich hin?" fragt mich die Rezeptionistin mit zwei hochgezogenen Augenbrauen und der ungläubigsten, ihr möglichen Physiognomie in tschechischem Englisch. Verwirrung. Peinlichkeit. Scham. Errötetes Gesicht. Ich bin doch kein Sextourist! Ich hatte die beiden Regisseure von "Style Wars 2" – Veli & Amos – ob meinerseits nicht vorhandener Prag-Kenntnisse bloß um die Auswahl einer geeigneten Interviewlocation gebeten. Ruhig und hell bitte.

Sie schlugen die Ve Smečkách vor.

Für einen Wiener ist das gefühlt äußerer Gürtel, der Weg zur Pratersauna und Brunnerstraße zusammen mal drei genommen. Die sogenannten Promoter, von denen man als Tourist – wenn ohne weibliche Begleitung unterwegs – gelegentlich angesprochen wird, sind hier allgegenwärtig. In der zentral gelegenen Seitenstraße versuchen sie inständig, Kundschaft in das Entrée ihres Etablissements zu bugsieren. In diesem Moment – die richtige Hausnummer suchend – beginne die Zweifel an der Echtheit des geplanten Interviews und meiner Profession.

Doch bald ist die richtige Haustür tatsächlich gefunden – sogar mit provisorisch angebrachtem Veli & Amos Türschild. Es handelt sich um eine Prager Wohnung von Freunden erzählen sie später. Veli & Amos – eigentlich in Zürich und Maribor lebend – sind selbst sind nur einige Tage hier. Danach geht es für sie weiter in die nächste Stadt, zur nächsten Premiere, ins nächste Programmkino.

Türöffnen.

Zwei Rabauken von Hunden stürmen das Treppenhaus hinunter und spielen bellend Türsteher. Im Mezzanin steht die Tür offen. Ein typisches Biedermeier Foyer mit hohen Decken und Türen, aus der Habsburgermonarchie stammend, empfängt den Eintretenden. Die geräumige Wohnung sieht in etwa so aus, als ob der Nachkomme einer großbürgerlichen Familie doch keine Lust hatte, wie all die Generationen vor ihm, Bankier zu werden. Großartig. Kunterbunter Eklektizismus wohin man schaut. Ein Glasvitrinenschrank gefüllt ausschließlich mit hellen Steinbüsten; ein ausgestopfter Fuchs am Fensterbrett; Teppichboden; futuristische Gemälde an der Wand. Was für ein Wohntraum.

Jetzt aber zum Interview.

Im slowenischen Maribor, wo auch der Film beginnt, gibt es kein U-Bahn System. Ich nehme an, die Graffiti-Szene ist dort relativ klein ist und man dort nicht jeden Tag über Graffiti stolpert. Du musst dir die Graffiti-Welt aus Medien und Erzählungen vorstellen.

Veli: Es begann alles mit "Style Wars". Nachdem wir den Film gesehen hatten, waren wir begeistert von dem, das vor Jahrzehnten in Amerika passierte.

Amos: Vor "Style Wars" gab es nicht viel Grafffiti in Maribor.

Wart ihr echt enttäuscht als ihr gesehen haht, dass Street Art nun in den Galerien für irrwitzige Preise verkauft werden?

Veli: Wir wussten nicht viel über New York. Da muss etwas gehen, dachten wir. Ist ja eine riesige Stadt, mit einer großen Szene. Bei uns in Maribor hingegen gibt es vielleicht 20, oder 30 Writer.

Amos: "Style Wars" kam ziemlich spät nach Maribor, 2006 oder so. Aber wir waren richtig motiviert, es der Szene in New York gleich zu tun.

Veli: Wir wollten das Ganze selbst sehen. Die Protagonisten von damals treffen.

Amos: Vor allem als wir den Clip mit dem "Style Wars 2"-Graffiti auf Youtube sahen, dachten wir, dass es in New York immer noch was abgeht.

Veli: Wir dachten, wir könnten coole Fotos in den U-Bahn-Tunnels machen, Writer treffen, herausfinden wie die Leute aus "Style Wars" sich und ihren Style verändert haben. Als die Züge in Slowenien geputzt wurden, war das "Style Wars 2"-Graffiti aus dem Clip, so ziemlich die einzige Motivation noch weiter Graffiti zu dokumentieren. Also das war schon echte Enttäuschung als wir schließlich in New York waren …

Habt ihr "Style Wars 2" im Vorhinein als Kunstprojekt geplant, oder ist es einfach so passiert?

Amos: Der Entstehungsprozess war ziemlich natürlich. Geprägt von "Style Wars" filmten wir über fünf Jahre lang alles, was wir mit dem Film verbinden konnten.

Wir sind einfach Tipps oder interessanten Geschichten gefolgt. Manchmal sind wir irgendwo monatelang fest gesteckt und fühlten uns echt verloren. Nur die Reihenfolge der Szenen wurde am Ende verändert und die Geschichte vereinfacht. Gescripted war nichts. Aber es gibt Szenen, die wir nachstellen mussten, weil wir zu diesen Momenten nicht gefilmt haben, um eine verständliche Story darzustellen. Also mussten wir wieder an Stellen aus dem Film reisen und zum Beispiel die Umgebung filmen. Aber auch dann haben wir teilweise wieder neue Geschichten gefunden.

Gibt es diese verrückten Charaktere wirklich?

Amos: Es gibt keinen genuinen Film. Man kann echtes Leben nicht genau wie es ist einfangen. Es wird nie eine originalgetreue Rekonstruktion einer Geschichte geben. Im Film sieht es aus, als hätten wir eine Woche ein bisschen mit der Kamera gefilmt. In Wirklichkeit waren es fünf Jahre. Man selektiert.

Veli: Zum Beispiel die Palästina-Geschichte. Es scheint, als wären wir einen Nachmittag dort gewesen, obwohl wir viele Male dort waren. Wir verfolgten das Schaffen des Bodybuilders Walid über die Jahre und immer, wenn wir in trafen, brachte er uns auf den neuesten Stand, was die dortige Szene betrifft. Einfach mit offenen Augen durch die Graffiti-Welt gehen und schauen, welche Personen in den Film passen würden. Das war unsere Vorgehensweise.

Amos: Am Ende mussten wir das Gefühl erzeugen, dass wir alle Charaktere einfach so spontan für kurze Zeit und eher zufällig getroffen haben. Anders hätten wir die Zuschauer mit der Fülle an Material erschlagen.

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