Im Schatten der schnellen, billigen Buchproduktion und des Digital Publishing entstehen faszinierende Nischen: In jüngster Zeit boomen etwa Literaturpublikationen, die auch gestalterisch etwas hermachen.
Von Architektur-, Foto- oder Kunstbüchern erwartet man sich grafische Raffinesse. Kein Wunder, dass viele der jährlich ausgezeichneten "Schönsten Bücher" aus diesen Bereichen stammen. Bei literarischen Publikationen hingegen scheinen typografische Sorgfalt, neuartige Cover-Ideen, sinnfällige Formate, Papierauswahl und alles, was sonst noch dazu gehört, nicht immer an erster Stelle zu stehen. Natürlich arbeiten die großen Verlage allesamt mit soliden Gestaltern zusammen, aber die Zeiten, da Persönlichkeiten wie Willy Fleckhaus mit seinem Design für Suhrkamp (Bibliothek Suhrkamp, Edition Suhrkamp, Suhrkamp Taschenbuch) oder Celestino Piatti für dtv eine ganze Generation prägen konnten, sind vorbei. Warum aber erscheinen ausgerechnet literarische Veröffentlichungen immer billiger und gestalterisch unbedarfter? Ist es die e-Book-Konkurrenz? Ist es den Lesenden wurscht? Sind Verlage und Schreibende skeptisch gegenüber "Design"? Oder ist es einfach eine Kostenfrage?
Wir drucken nur Bücher, die wir selbst lesen wollen
Den Ruf nach "gut gestalteten" Büchern gab es natürlich schon früher. So startete Hans Magnus Enzensberger seine legendäre "Andere Bibliothek" in den 80er Jahren mit dem Ziel, einmal pro Monat ein qualitätsvolles Werk herauszubringen, das vom Verleger Franz Greno gestaltet wurde. Papier, Satz, Druck: All das wurde gleichrangig zum Text behandelt. "Wir drucken nur Bücher, die wir selbst lesen wollen", so der Leitgedanke. Die Reihe wurde ein ungeheurer Erfolg und erscheint – wenn auch unter anderen Voraussetzungen – bis heute.
Fraktur mon amour
Durchaus in dieser Tradition steht die Arbeit von Judith Schalansky. Die heute 34-jährige ist ein Phänomen auf dem deutschen Buchmarkt. Als Kommunikationsdesignerin veröffentlichte sie 2006 das dicke Kompendium "Fraktur mon Amour", eine Bibel für Typo-Liebhaber. Danach machte sie auch als Schriftstellerin Karriere, die ihre Bücher selbst gestaltet, so etwa einen bitterbösen, grandiosen "Bildungsroman" mit dem Titel "Der Hals der Giraffe", der 2011 bei Suhrkamp erschien. Mit ihrem "Atlas der abgelegenen Inseln. Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde" gelang ihr ein weiterer Coup, doch damit nicht genug: Seit 2013 gibt Schalansky die Reihe "Naturkunden" heraus: Bücher über die Tier- und Pflanzenwelt, aber nicht Hardcore-Wissenschaft, sondern essayistisch, verspielt, manchmal verschroben, stets grafisch und haptisch ein Genuss.
Äpfel und Birnen
Die Themen: Äpfel und Birnen, Eulen, Esel, Heringe, Krähen, Kakteen, Insekten, Dinosaurier etc. Natürlich war es kein Mainstream-Verlagshaus, das hier tätig wurde, sondern Matthes & Seitz, ein Verlag, der sich u. a. mit französischer Avantgarde-Literatur und Philosophie einen Namen gemacht hat. Mit dem antiquierten Beigeschmack von "bibliophil" hat die Ausstattung der Bände gar nichts zu tun. Sie ist nämlich nicht nur grundsolide, sondern zugleich frisch.