Weniger Off, mehr Space

Wiener Off Spaces standen lange im Abseits, entwickeln sich aber immer mehr zu unentbehrlichen Kunsträumen. Aber wie ist es derzeit um sie bestellt?

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»Wir sind kein Off Space. Wir sind ein Künstlerkollektiv, ein artist-run space, ein Projektraum.« – wenn man mit Betreibern von alternativen Kunsträumen in Wien spricht, verschwindet der Begriff Off Space ziemlich rasch. Der Begriff Off Space meint »räumliches Abseits« und »experimentelle Spielwiesen von Nachwuchskuratorinnen und Künstlerkollektiven«, erklärt Alexandra Grausam, die Leiterin von »das weisse haus«, einem Kunstverein in Wien. Der Terminus Off Space – weit verbreitet in Deutschland – wurde nach Österreich importiert. Tatsächlich ist dieser »Begriff des Abseits« aber falsch, um innovative Projekträume in Wien, die hier seit den 1960er Jahren auftauchen, zu beschreiben. Natascha Burger, Direktorin der Galerie Hubert Winter, betrachtet innovative Spaces als wichtige Ergänzung zu Galerien und Museen, um dem künstlerischen Potenzial einer Stadt gerecht zu werden. Im Gegensatz zu Galerien und Museen, die sich oftmals im Stadtzentrum nachbarschaftlich ansiedeln, gründen sich diese Räume an unkonventionellen Orten, gerne auch an der Stadtgrenze. Es handelt sich um Kunsträume, die neue künstlerische Positionen vorantreiben. Dies hat mit Abseits, im Sinne von abgeschieden, nichts zu tun. Die aktuellen Wiener Spaces mögen sich zwar geografisch abseits etablierter Kunstbetriebe befinden, mit ihrer Arbeit sind sie jedoch in das Kunstgeschehen integrierte Räume. Die Bezeichnung »Off« wird ihnen daher nicht gerecht. Passender ist es daher, von alternativen Kunsträumen zu sprechen.

Der neue Space – Nicht im Abseits und nicht in Zahlen

Alternative Kunsträume sind schwierig zu fassen. Sie mögen zwar wie Pilze aus dem Boden schießen, bestehen jedoch nur temporär oder wandern in den Bezirken einer Stadt umher. Nur wenige etablieren sich zu festen, dauerhaften Raumgrößen. Aktuell existieren in Wien 25 bis 30 alternative Kunsträume, schätzt der Kunstblogger und eSeL.at-Gründer Lorenz Seidler. Warum ist es so schwierig, alternative Kunsträume in Wien zu erfassen? »Es kommt eben ganz auf die Definition dieser Räume an«, so Seidler. Wenn wir uns an Kunsträumen orientieren, die bereits seit einem Jahr einen fixen Standort haben, wie dies beim »Artist-run Space: Kluckyland« der Fall ist, dann können wir eine Berechnung leicht erstellen. Aber wie handhaben wir dann einen Kunstverein wie »Kevin Space«, der es sich zur Gewohnheit gemacht hat, räumlich durch die Wiener Bezirke zu wandern? Ist ein Künstlerkollektiv wie die »ada – artistic dynamic association«, deren Konzept es ist, urbanes Brachland kurzweilig zu bespielen, um dann weiterzuziehen, kein alternativer Kunstraum? Natürlich, sind das alles Kunsträume. Aber so wechselhaft sie in Erscheinung treten, genauso wechselhaft varriiert auch ihre Anzahl. Ein Umstand, der eine zahlenmäßige Erfassung erschwert, aber ihre Existenz und Austellungskonzepte umso spannender macht.

Money Talks: Kunstinstitution und alternativer Space

Wenn wir den nonkonformen Space nicht mehr als Kunstraum im Abseits etablierter Kunstinstitutionen bezeichnen, dann steht er in Opposition. Und wie sieht diese Opposition aus? Reden wir über Geld. Obwohl einige Wiener Spaces eine bescheidene Förderung durch das Bundeskanzleramt Österreich erhalten, müssen viele Kosten eigeninitiativ gedeckt werden. »Mit unserer Förderung zahlen wir die Miete des Raums, alles andere übernehmen wir selbst«, erzählen Gerald Roßbacher und Andrea Lüth, die das Kluckyland in Wien betreiben. Nonkonforme Kunsträume investieren, anstatt zu generieren. »Wir ziehen keinen ökonomischen Nutzen aus unserer Arbeit«, erklärt Philip Fischer, Mitglied des Künstlerkollektivs »ada«. Museen erhalten staatliche Subventionen und können nicht, wie alternative Kunsträume, kostenfrei besucht werden. »Daran ist natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung von Seiten der Ministerien sowie der Besucher gekoppelt«, erklärt Marlies Wirth, Kuratorin des »MAK – Museum für angewandte Kunst und Gegenwartskunst«. Eine Erwartungshaltung, die den alternativen Spaces unbekannt ist. Cory Scozzari betreibt den Kunstraum »Jupiter Woods« in seiner Wohnung und erhält keinerlei Zuschüsse. Der Nachwuchskurator der »TBA21 – Thyssen-Bornemisza Art Contemporary« erzählt, dass er nur jene Künstler zu sich holt, die ihn tatsächlich mit ihrer Arbeit überzeugen. Kommerzielle Galerien tun dies zu einem gewissen Grad ebenso, unterliegen aber den Regeln des herrschenden Kunstmarktes, wodurch sie weniger flexibel agieren können.

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Wien und seine leeren Räume

Obwohl alternative Kunsträume sehr dynamisch vorgehen, ist die künstlerische Bespielung eines Raumes in Wien mit gewissen Herausforderungen verbunden. Ist ein leerstehendes Gebäude, eine verlassene Wohnung oder ein aufgelöstes Geschäftslokal gefunden, dann kommt die Bürokratie ins Spiel. Seit 2015 existiert die Agentur für Leerstandsmanagement, kurz »NEST«, die Räume vermittelt. Ein Konzept, dass noch nicht ganz ausgereift ist, erzählt Patrick Schabus, Kurator des Austellungsprojekts »Mandelkern Project«. 2016 gründete die IG Kultur Wien daher einen Nutzerbeirat, der darauf hinweist, dass räumliche Zwischennutzung auch für Kreative ohne ausreichende finanzielle Ressourcen und ohne Interesse an dauerhafter Raumgestaltung verfügbar sein muss. Denn derzeit werden noch viele Räume an Start-ups und Vereine vergeben. Dabei haben freie Kuratorinnen und einzelne Künstler durchaus das Bedürfnis, einzelne Räume mit ihren Ideen kurzweilig zu bespielen. Brachliegende Räumlichkeiten, die einen Monat vor dem Verkauf stehen, hätten dahingehend viel Potenzial. Aus ökonomischer und kultureller Hinsicht wäre das zudem ein Gewinn für die Stadt Wien und einzelne Immobilienakteure, so Schabus.

Mehr Förderung = Mehr Kunst in Wien

Nonkonforme Kunsträume sind prekär aufgestellt, dadurch besteht die Gefahr der Selbstausbeutung. Sie können aber weitaus spontaner arbeiten und nicht-kommerzielle Kunstformen wie Performance, Installation und Konzeptkunst propagieren und bewegen sich experimentell auf dem Kunstparkett, um für neue Impulse zu sorgen. Etablierte Kunstbetriebe nehmen diese Impulse wahr: »Galerien beobachten uns ganz genau«, erklärt Cory Scozzari. Alternative Spaces erkennen das Potenzial junger, aufstrebender Künstler und geben die Trends der zeitgenössischen Kunst vor – durchaus interessant für kommerziell orientierte Galerien. Erhöhte Fördergelder und ein vereinfachtes Verfahren zur Zwischenraumnutzung könnten mehr Kunstentwicklung für Wien bedeuten. Das Konzept der Leerbestandsnutzung sollte auch auf die übrigen Bundesländer angewendet werden, um dort Kulturarbeit möglich zu machen, meint Patrick Schabus. Das wäre durchaus sehr wünschenswert. Alternative Kunsträume und ihre Betreiber, Künstlerkollektive und Kunstvereine sind inhaltlich wichtige Gegenstücke zu kommerziellen Galerien und tradtionellen Museen geworden. Sie sind engagiert, motiviert, ruhen nicht auf der Kunstgeschichte, sondern schreiben diese im Idealfall weiter. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur zeitgenössischen Kunstentwicklung.

Bild(er) © 1+2: Off Is, 3: Jupiter Woods – Viktor Timofeev "LAZARUS", 4: Kevin Space – Marina Sula "What is it like to be alive in that room right now", photo by Peter Michl, 5: Ada, photo by Markus Hafner und Michael Hackl
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