Die Vamummtn sind momentan der erfolgreichste HipHop-Act Österreichs. Ihre Konzerte sind ausverkauft, landesweit grölen Teenager ihre Dialekt-Hymnen. Sie feiern, saufen, bumsen, verarschen und beherrschen ihr Internet. Erstmals erreicht österreichischer Rap den kleinen Mann, aber nicht nur den. Am Establishment vorbei frischen sie Austropop von unten her auf. Eine Erfolgsgeschichte, geboren im Rausch.
Salzburg hat kein Ghetto. Oder zumindest keines, das groß genug wäre, um auch nur annähernd mit Orten wie Compton (Los Angeles) oder dem Märkischen Viertel (Berlin) verglichen zu werden. Diese Orte waren etwa die Brutstätten für den Gangsta-Rap von N.W.A. oder dem Straßenrap von Sido. Aus Salzburg kamen 2006 nur eine Handvoll junger Männer in XXL-Kleidung, die sich SBG Hot Boys nannten und in HipHop-Kostümen das Ghetto für sich behaupteten. Sie eiferten US-Vorbildern nach – was absurd aussah und lächerlich klang. Wenig später kam dafür eine deftige Videowatschn aus Wien und tausende User waren begeistert von einem vermummten Trio, das die SBG Hot Boys mit Dialekt-Rap durchs digitale Dorf trieb. Die Vamummtn waren geboren.
Sie gründeten sich in Abgrenzung zu den zahlreichen deutschsprachigen Youtube-Gangstern, die sich seit Aggro Berlin im Internet breit machten. Die drei wollten sich nicht dafür genieren müssen, dass Halbstarke ihren HipHop kaputtmachten. Also feuerten sie mit Diss-Tracks zurück und rappten dagegen. Ihre Antworten waren in derbem Dialekt, aber mit den bisher kantigsten Punchlines Österreichs. Die Rap-Szene hatte endlich ihren ersten, wirklichen Beef und alle konnten zuschauen. Während sich die Vamummtn als talentierte Großmäuler mit Witz erwiesen, blieben die SBG Hot Boys in der Bedeutungslosigkeit zurück.
Die Auffetter
Der Bauweise nach ist ein Sprachrohr ein Trichter. Ein solcher lässt sich sehr einfach umdrehen: am unteren Ende einen Gummischlauch befestigen, das Ende des Schlauches in den Mund stecken und oben in den Trichter massig Alkohol schütten. Das Ergebnis ist ein modifiziertes Sprachrohr, eine selbstgebaute Saufmaschine und ein ordentlicher Rausch. Ähnlich funktioniert es bei den Vamummtn, ihrem Verhältnis zu Rap und ihrem Verständnis von HipHop als lokal verankertes Entertainment nach US-Vorbild.
Sie behaupten, dass sie in ihren Raps das aussprechen, was jeder denkt, aber niemand sagt. Oder dass sie einen Großteil ihrer Songs bisher im Suff aufgenommen haben und verpacken das ganze als technoides Volksfest. Wenn Rap in Wien nicht von der Straße kommen kann, weil es nicht genug Ghetto gibt, dann muss er sich seine Authentizität eben woanders abholen. Und betrunken ist man der Wahrheit bekanntlich am nächsten.
»Wir san de fetten Rapper, die immer in da Fettn rappen« heißt es dann auch schon richtungweisend auf ihrem ersten Mixtape »Geht’s Brunzn« von 2007. Mit ironischem Schmäh erzählen sie davon, wie sie ihre Konkurrenz am Mikrofon zerfetzen. Dazwischen drängen feuchtfröhliche Party-Hymnen, überzogene Sex-Rap-Nummern oder Motorsportballaden. Sie feiern, saufen, bumsen, fahren in großen Autos herum und machen sich über Hurenkinder lustig. So angriffslustig, laut und lüstern kannte man das bisher nur aus den USA oder aus Berlin.
Schwanz in der Hand, Fuß in der Tür
»Rap bleibt ein Hahnenkampf«, erklären K.I.Z. im gleichen Jahr. Es stimmt, nicht nur in dieser Hinsicht scheinen sich die Vamummtn von Beginn an etwas an den Berliner Punk-Rappern zu orientieren – auch wenn sich die feine Ironie-Klinge aus Berlin bei den Wienern in einen groben Hobel verwandelt. So gehört seit jeher derber Dialekt genauso zu den »Vamus« wie gesteigerter Sexismus und ein Spiel mit der Political Correctness – oder was davon eben nicht überbleibt. Sie sagen, was andere nur denken. Genau hier verbrüdern sie sich mit dem kleinen Mann und schleppen so immer mehr Fans ab. Hinzu kommt, dass – ähnlich wie bei K.I.Z. – auf hymnische Hooklines und Covers gesetzt wird. Auf dickem Bass und vollen Beats poltern sie zu den Melodien gängiger Pop-Hits und fetten sie entsprechend auf. Der 80er-Schlager »Ohne dich (schlaf ich heut Nacht nicht ein)« von der Münchner Freiheit wird im Refrain dann schon mal mit Textzeilen wie »Ohne Bitch konn i heit Nocht ned sei / ohne Bitch führ i eam heit ned ei« umgemodelt.
Genau dieser deftige Pop-Zugang unterscheidet die Vamummtn auch von anderen Dialekt-Rappern in Österreich. Sie machen Party-Rap, der nichts mit DJ Ötzi zu tun haben will, der aber genauso wenig so geschmeidig klingt wie »Kabinenparty« von Skero. Eher sind sie die bisher räudigsten Erben der Proto-Rapper Falco und EAV. Ihre Tabu-Brüche gehen weiter als andere. Anfangs sind die Reaktionen der wohlerzogenen Rap-Szene dementsprechend noch verhalten. Doch im Rausch verbrüdert man sich gern, noch mehr, wenn man auf Anhieb mitsingen kann.
Schamlos und chauvinistisch über Sex zu rappen wird von da an mehrheitsfähig, gerade weil es derartigen HipHop in Österreich zuvor immer nur als Importware gab. Die Leidtragenden bleiben natürlich die Bitches und alle, die HipHop als Peace, Love & Unity verstehen. Wenn der kleine Mann feiert, müssen Augen zugedrückt werden. Der im Untergrund seit Jahren wuchernde Dialekt-Rap wird nun populär, weil er pubertär bis provokant klingt, trotzdem Skills vorweisen kann und schon bald zu einer Art Austropop 2.0 mutiert.
Im Kollektiv feiern
Die Vamummtn sind in Österreich auch die ersten, die ihre Musik mit Mixtapes und Free Tracks im Netz konsequent und mit durchschlagendem Erfolg verbreiten. Auf billig produzierten CDs werden zu bekannten Beats veränderte Textversionen gerappt und mit eigenen Tracks gemischt. So landen die Vamummtn letzten Endes auch bei Supercity, der Label-Plattform aus dem Dunstkreis der Wiener Waxolutionists und Manuva (Total Chaos/ FM4/ Runvie), nachdem sie um einen Gastbeitrag von Manuva anfragen. Dort veröffentlichen sie ihre beiden weiteren Mixtapes »Free HipHop« (2008) und »Runde 3« (2009).
Zeitgleich legen sich die Vamummtn außerdem mit der kurzlebigen Wiener Jugendkultur der Krocha an. Sie verkleiden sich für ihr Homevideo in Neonfarben, hampeln zu billigem Techno herum und rappen über verbrannte Gesichter, Ed Hardy und Vokuhilas. Sie lästern derart gelungen über diesen Trend, dass sogar die Krocha selbst dabei lachen und die »Krocha Hymne« in Großraumdiskotheken zum Hit wird. Das Major-Label Universal wird aufmerksam und veröffentlicht die »Krocha Hymne« als Single. 2009 werden sie deshalb prompt für den Amadeus Award nominiert, stehen bei der Verleihung ganz vorn, mitten auf dem Treppchen, in typischer Vermummung als die Grätzn im Business, noch bevor sie überhaupt ihren ersten Live-Gig spielen. Nebenbei werden die Vamummtn zunehmend zum erfolgreichsten Youtube-Phänomen Österreichs.
Seit der Zusammenarbeit mit Supercity klingen die Vamummtn professioneller, die Gruppe ist auch um ein Mitglied angewachsen. Zu den MCs Ansa, Zwara und Dreia kommt mit dem Viera ein DJ und Produzent dazu, der das Geschäft gut kennt. Die Vamummtn spielen jetzt regelmäßig Shows und immer regelmäßiger sind sie randvoll. Im Frühjahr 2010 füllen sie bereits den Gasometer Wien oder verkaufen ein halbes Jahr später das Backstage in München aus. Und das alles noch ganz ohne Album, das es normalerweise braucht, damit Medien auf den Zug aufspringen können.
Auf Gigs drängen sich feiernde Teenager mit vermummten Gesichtern, danach feiert die Band gemeinsam mit ihnen. Die Vamus signieren Brüste, posieren für Fotos. Feiern funktioniert im Kollektiv, man versteht sich, grenzt sich von Pop-Importen ab und wirkt trotzdem universell. Über Alters-, Klassen- und Geschlechtergrenzen hinweg können sich viele auf die Vamummtn einigen. Gerade im Netz ist die Band ganz nah bei ihren Fans, die Vamus setzen Social Media dabei wie aus dem Lehrbuch ein. Das geht so weit, dass die Band, als sie sich eigene Turnschuhe bei Nike verzieren lässt, die Community nach den richtigen Farben befragt. Obendrauf gibt es als Merchandise T-Shirts mit Sätzen wie »Hure I bin zua Oida« oder Vodka-Flaschen mit Vamummtn-Etiketten, dazupassende Logo-Kappen und Halstücher in bunten Farben. So schicken sie die Maturareise konsequent noch einen Stock tiefer.
»Wir san radiotauglich, du Hurensohn!«
2011 haben Die Vamummtn bereits über 80.000 Fans auf Facebook und Klick-Zahlen auf Youtube, die weit in die Hunderttausende gehen. Vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk fühlen sie sich aber seit jeher vernachlässigt. Erst kürzlich kritisierte MC Ansa auf FM4, dass sie kaum im Radio gespielt werden: »Ich will eine Zeile von K.I.Z. zitieren: Wir san radiotauglich, du Hurensohn!«. Aber auch schon 2009 fuhren sie im Video zu »Vamummtn Slangmania« Angriffe gegen den »Oaschloch-Rundfunk« und seine Casting-Shows. Auch Lukas Plöchl von den Trackshittaz widmeten sie einen Song. Plöchl landete über die ORF-Show »Helden von morgen« mit selbstgeschriebenem Dialekt-Rap mehrere Ö3-Nummer-Eins-Hits. Von den Vamummtn wird er in »Hawara schleich di« zum Beat von Duck Sauce’s »Barbra Streisand« als hilfloses Opfer der ORF-Maschinerie hingestellt. Und während die Trackshittaz einen ihrer Songs »Guugarutz« nennen, aber damit Penisse meinen, rappen die Vamummtn über dasselbe und nennen das dann ganz unverhohlen »Mei Schwonz«. Diese Direktheit ist ein Teil des Vamus-Rezepts: Tabus nicht umschiffen, sondern mit voller Fahrt durch.
Im September veröffentlichen die Vamummtn ihr neues Album, für November sind sie bereits für eine Tour durch Bayern gebucht. Das Feedback aus Deutschland und der Schweiz ist bisher sehr gut. Dort ist das Publikum eine gröbere Gangart bei HipHop und technoidem Party-Rap schon länger gewohnt. Die Atzen, Deichkind oder K.I.Z. stürmen dort ja bereits seit einigen Jahren die Charts. Österreich wird dagegen gerade erst entjungfert. Die Vamummtn sprechen die Sprache von Proleten, überzeugen aber nicht nur diese, sondern schaffen es, ihren Mundart-Rap auf breiter Basis salonfähig zu machen.
Ihre Hymnen sind eine angriffige Mischung aus stilechtem HipHop und abgedroschenem Pop. Das funktioniert auf HipHop-Jams genauso gut wie in Großraumdiskotheken. Auf Konzerten und im Netz pflegen sie den Kontakt zu ihren Fans, dafür werden sie als angreifbare Schmäh-Führer gefeiert. Während ihr Entertainment simpel und inhaltlich streitbar bleibt, bleiben sie unbestreitbar das erfolgreichste Youtube-Phänomen Österreichs. Als Pioniere haben sie letztlich auch das Potenzial, anspruchsvolleren Dialekt-Rap aus dem Schatten des Untergrunds treten zu lassen.
Bis es soweit ist, sind die Vamummtn originell und massentauglich genug, um auch jenseits der engen Landesgrenzen mit tiefer gelegtem Austropop oder aufgefettetem HipHop Stimmung zu machen. The show must go on. Gerade wegen des Dialekts. In Österreich und darüber hinaus. Auch, wenn es derzeit um gar nicht viel mehr geht als den gemeinsamen Spaß in der Fettn.
"Rap is (k)a Ponyhof" erscheint am 30.9. über das hauseigene Label Schwabs Weg. Zum Interview über Youtube, Hip Hop, Lukas Plöchl und Dubstep geht es hier.