Design-Märkte, Open-Airs und Pop-up-Märkte sprießen aus dem Boden, Agenturen werden gegründet und Start-ups gefördert – wir erobern uns die Stadt. Aber es gibt auch Kritik. Ist das nur harmloser, neoliberaler Aktivismus? Wem gehört die Stadt eigentlich?
Es ist ein spannender Moment, um sich mit Freiräumen zu befassen: Wegen der weltpolitischen Lage übernachten Flüchtlinge in Zeltstädten, das Engagement eines Abgeordneten, der sein Hotel zur Zwischennutzung für Flüchtlinge zur Verfügung stellen will, fällt politischem Unwillen zum Opfer, und währenddessen geht es am Wochenende statt zur Demo zu spontanen Open-Air-Raves und kollektiven Street-Food-Märkten. Diese Events sind beliebt, das wird gerade auf Facebook deutlich sichtbar, wo sie in wenigen Tagen tausende von Zusagen bekommen und hinterher Bilder hübscher Menschen auftauchen. Kritische Beobachter sehen darin aber auch eine neoliberale Entwicklung, die auch den urbanen Aktivismus nicht verschont: Freiheit, Individualismus, Konsum. Street Food statt Uni brennt?
Durch Leerstand zur Kreativstadt
Ähnlich hip wie Street Food ist Zwischennutzung. Das bedeutet, dass Immobilieneigentümer leerstehende Objekte meist nur für Betriebskosten zur Verfügung stellen, zeitlich begrenzt, mehrere Monate, zwei Jahre oder länger. Normalerweise wird damit die Zeit überbrückt, bis das Objekt renoviert oder abgerissen wird, oder eben doch ein langfristiger Mieter oder Käufer gefunden wird. International gesehen war Leerstand in Österreich immer ein vergleichsweise kleines Phänomen. In Berlin gehören Hausbesetzungen schon lange zum guten Ton, nach der Wiedervereinigung Anfang der 1990er Jahre führten baufällige Häuser und ungeklärte Eigentumsverhältnisse zu vielen leerstehenden Objekten und einer Fülle von Besetzungen. Unzählige Kulturinitiativen und Institutionen sind entstanden, die oft bis heute aktiv sind. Die Stadt brodelt immer noch. Auch in spanischen Städten, die sehr unter der Wirtschaftskrise der letzten Jahre leiden und generell in Metropolen mit verwaisten Industriearealen boomt das Selbermachen, man macht spontan Musik und Markt.
»Ich bin mit der Annahme an unsere Untersuchungen gegangen, es gehe den Nutzenden darum, die Stadt zu verändern und kritisch zu reflektieren: Wem gehört öffentlicher Raum? Wer darf den gestalten? Wo gibt es Aneignungsstrategien und wo gibt es Barrieren?« erzählt Magdalena Gartner, die im Rahmen der Studie »Hinter den Fassaden – Zwischen kollaborativem Urbanismus und Renditeerwartungen« das Thema Zwischennutzung an der Wirtschaftsuniversität Wien untersucht hat. Im Gespräch klingt sie überraschend kritisch, sie thematisiert Besetzungen und die Eroberung der Stadt, während sich die öffentliche Debatte viel mehr um leistbaren Arbeitsraum für Start-ups dreht.