Cinema Next präsentiert sechs ausgewählte junge österreichische Filme für kurze Zeit exklusiv on demand. Einer davon: »TNT Boxerstory«. Regisseur Mark Gerstorfer über seinen Film, dem Trauerfall des Hauptdarstellers und Boxsport in Österreich.
»TNT Boxerstory« basiert auf einem Comic und erzählt die Geschichte eines gealterten Boxers. Ex-Weltmeister Graciano »Rocky« Rocchigiani übernahm für den Film seine erste Filmrolle, verstarb aber kurz vor der Deutschlandpremiere. Der Kurzfilm von Mark Gerstorfer wurde somit auch zum filmischen Nachruf der Boxerlegende. Cinema Next präsentiert »TNT Boxerstory« bis 1. Juli 2019 exklusiv online beim Kino VOD Club.
Cinema Next: In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »TNT Boxerstory«?
Mark Gerstorfer: In »TNT Boxerstory« geht es um einen gealterten Boxer, der es verpasst hat, sich eine Karriere aufzubauen. TNT lebt ständig in der Vergangenheit und schafft es nicht, sich davon frei zu machen. Das kostet ihn sein Comeback, seine Beziehung und wohl auch seine Zukunft. Er ist der Prototyp eines gewaltbereiten, unsicheren, vereinsamten Mannes, der an seinem subjektiven Determinismus scheitert. Keine Person, mit der man Mitleid haben muss, aber auch eine Person, die emotional nicht nur auf Ablehnung stößt, da er wohl auch zur Empathie fähig ist, jedoch immer in den absolut falschen Momenten.
Der Film basiert auf einem Comic von Nicolas Mahler. Habt ihr euch streng an die Vorlage gehalten?
Wir haben versucht, uns zum größten Teil an der Comicvorlage zu orientieren, jedoch gibt es immer eine Diskrepanz zu einer Vorlage und einem fertigen Film. Alleine die Bildgestaltung des Films und des Comics sind sehr unterschiedlich. Der Comic ist in schwarz-weiß gehalten und Mahlers Zeichnungen sind eher kubistisch. Auch bestimmte Figuren sind anders, wie zu Beispiel Vanessa, die im Comic eine gleichaltrige gescheiterte Alkoholikerin ist, eher lethargisch in ihrem Benehmen. Im Film ist sie eine junge Prostituierte, die in ihrer Entscheidungsfindung sehr sicher ist und wesentlich reifer als TNT.
TNT wird vom Ex-Box-Weltmeister Graciano Rocchigiani gespielt, seine erste Filmrolle. Wie konntet ihr ihn überreden?
Wir hatten Graciano das Drehbuch in einer frühen Fassung geschickt. Er ließ sich wohl deshalb dazu überreden, weil er einerseits selbst ein großer Filmfan war und so ziemlich alle Boxerfilme gesehen hatte, die man so kennen kann, zum anderen fand er uns sympathisch und war daran interessiert, einmal etwas Neues auszuprobieren. Ich denke er war auch neugierig, wie ein Film hergestellt wird.
Leider ist Rocchigiani letztes Jahr kurz vor der Deutschlandpremiere des Films gestorben. Wie war das für euch, und was macht das mit dem Film?
Das ganze Team war geschockt. Zwei Wochen vor der Deutschlandpremiere den Hauptdarsteller zu verlieren. In Deutschland bekam der Film dadurch eine andere Aufmerksamkeit und wurde mehr als Nachruf wahrgenommen. Wohl auch bei Boxfans. In Österreich machte es wenig Unterschied, da Graciano hierzulande bei der breiten Bevölkerung eher unbekannt war und auch Genrefilme hier eher als schäbige Massenwahre gelten. Auch ist Boxen in Österreich eher eine Randsportart mit zweifelhaftem Ruf im Gegensatz zu anderen Ländern. Für uns persönlich macht es den Film natürlich wesentlich trauriger und schwerer, da er das einzige Spielfilmexperiment Gracianos ist und wir uns vorstellen konnten, dass er sicher noch weitere Rollen bekommen hätte.
Welches ist deine Lieblingsszene in »TNT Boxerstory« und warum?
Meine persönliche Lieblingsszene ist das Gespräch mit Vanessa im Bordell. Ich glaube, darin erkennt man TNTs Gesamtsituation sehr gut und die unterschiedliche Wahrnehmung der beiden Figuren. Die ZuseherInnen können an dieser Stelle zum ersten Mal zweifeln, ob sie TNTs Ausführungen ernst nehmen, oder merken, dass TNT seine subjektive Wahrnehmung für sich zurecht geschneidert hat.
Für die, die jetzt immer noch überzeugt werden wollen: Gib eine Empfehlung ab für deinen Film in drei Worten oder in einem Satz.
Ich glaube, das Schöne an dem Film ist, dass es sich um einen kurzen visuell hochwertigen Genrefilm mit überwiegend LaiendarstellerInnen handelt, ohne ein Improfilm sein zu müssen.
Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich.