Am 1. März veröffentlichen Sex Jams ihr zweites Album. Dass sie damit ihr Dasein als eine der interessantesten Bands im österreichischen Off-Indie-Zirkus noch untermauern werden, ist offensichtlich. Wir sind mit 3/5 der Noise-Pop-Formation bei ein paar Gläschen versumpft. Cheers!
Als sich Sex Jams 2008 aus diversen Vorgängern fusionierten, wagten sie behutsame, erste Schritte auf dem gefährlich dünnen Eis abseits der Wiener Indiepop-Szene. Ach, Blödsinn. Sie spuckten in die Hände, nahmen Anlauf und trampelten schallend lachend und mit ausgestrecktem Mittelfinger an der Skinny-Jeans und Jutebeutel tragendenden Hipster-Meute vorbei und ließen ihre Gitarren das Eis erst einmal gehörig wegfetzen. Die Shows und 7 Inches waren die Hormonschleudern der Sex Jams. 2010 kam der erste Longplayer mit dem unmissverständlichen Titel „Post Teenage Shine“ und alle sprachen von 90s-Revival und Sonic Youth.
Man könnte schlechtere Komplimente bekommen, allein daran aufgehängt zu werden, kann nerven, hat aber keine Selbstzweifel aufkommen lassen. Es war wohl eher eine belebende Provokation, dass eine Band aus dem gegen krachende Gitarrenmusik beinah resistent gewordenen Österreich wie aus dem Nichts dreckigen Punk, rotzige Attitüde und lustvolles Gekreisch weg vom finsteren Underground zurück auf die Pop-Agenda schmierte. Dann Sonic Youth zu schreien war wohl der easy way to go.
Seither sind die Sex Jams zum Quintett gewachsen (Katie Trenk, Lukas Bauer sowie die Mile Me Deaf-Kollegen Flo Seyser, Rudi Braitenthaller und Wolfgang Möstl). Doc Martens, schlecht blondierte Haare, Beanies und Kunstpelzmäntel sind auch wieder cool. Dabei klingt der Sound auf „Trouble, Honey“ vielfältiger, größer. Warum? Weil sie gelernt haben, locker zu lassen und sich selbst nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Die Rebellen haben sie ein Stück weit hinter sich gelassen, und dass alles nicht immer ganz serious und in bitterböser Punk-Manier ablaufen muss, haben sie sich auch irgendwann zugestanden. Der Gesang sitzt angenehm schief, die Songs sind aus der Zeit gepurzelt, mit geilem Leise-Laut-Leise-Laut-Laut. Wenn der lustlose Krach bei den britischen Yuck noch zu perfekt klang, stimmen bei den Sex Jams nun die Melodien, der Charme, die Lautstärke, die Drolligkeit. Es ist ganz einfach, – wieder – vertraute, großartige Rockmusik.
Auf dem Weg dorthin haben der Band imaginäre Besucher im Aufnahmestudio, hippie-eske Band-Statuten und ein paar drollige Spitznamen geholfen. Aber keine Panik, der Raum riecht trotzdem noch nach Sex.
Das neue Album klingt positiver und verschmitzter, während „Post Teenage Shine“ noch mehr Grunge und Riot war.
Katie: Da hatten wir diesen jugendlichen Zorn. Wir haben bewusst entschieden, das etwas aufzufächern.
Flo: Genau. Von daher ist das Album relativ Pop-orientiert, auch wenn der Sound selbst nicht reiner Pop ist, aber alleine bei Struktur und Aufbau war es uns ein Anliegen, straight Songs zu schreiben, ohne in eine zu progressive Richtung zu gehen. Das hätten wir natürlich auch gekonnt, aber die Reduktion war eben eine relativ bewusste Entscheidung.
Lukas: Ich finde, es hat sich eher ergeben, weil wir bandtechnisch besser und facettenreicher geworden sind. Die Stimme von Katie ist besser geworden und hat bei den Songs selbst viel mehr Raum verlangt. Dann musste man nicht mehr alles mit Gitarren zumeißeln.
Flo: Es gab insofern schon ein Konzept, weil wir beschlossen haben, eine bestimmte Bandbreite an Songs abzudecken. Wir wollten einen Akustik-Song („Just Kids“), eine knackige Punk-Nummer („I Call Myself A Rocket“), etc. auf dem Album haben. Es hat außerdem einen Moment gegeben, als wir uns als Band nicht mehr so ernst genommen haben.
Seid ihr etwa erwachsen geworden?
Lukas: Wir scheißen uns einfach weniger.
Flo: Man hätte das Album auch „Compilation“ nennen können, weil es wirklich die unterschiedlichen Phasen der Band reflektiert.
Lukas: Aber ich finde trotzdem, dass ein roter Faden drinnen ist.
Katie: Jetzt sag ich was ganz Arges – es muss einen roten Faden geben, sonst kann man ja nicht hinaus. Es muss etwas geben, wo man drum herum hüpfen kann, sonst ist ja alles ganz verstreut.
Ist manches im Studio immer wieder umgewälzt worden?
Lukas: Naja, für die Emotionen, die man gegenüber den Songs hat, braucht man manchmal auch eine gewisse Distanz.
Katie: Mein persönlicher Wunsch wäre es, ein Album live aufzunehmen. Ich bin immer urnervös hinter dem Studio-Mikrofon. Bei Konzerten ist mir das wurscht, weil das so ein Moment-Ding ist.
Flo: Wir dann „Katie, relax.“ Wir wollten das Album einmal „Relaxed“ nennen. Aber das war sogar uns ein bisschen zu blöd.
Ihr seid in beinah jedem Review und Interview mit Sonic Youth in Verbindung gebracht worden. Wird sich das ändern?
Flo: Hoffentlich. Es war eh okay, weil Sonic Youth eine großartige Band ist, aber es hat mich auch genervt. Bevor die Leute den Sound beschreiben und das, was die Band so macht, schreiben sie halt von irgendeiner neuen Band, die klingt wie Sonic Youth. Danke. Das Review ist fertig.
Lukas: Es ist so, wie wenn man von jeder Metal-Band sagt, dass sie wie Slayer klingt.
Flo: Die klassische Indie-Band waren wir halt nie – daher fallen wir eher in die Weirdo-Sparte und da ist Sonic Youth schnell einmal da.
Wer bringt bei euch was in die Band ein?
Lukas: Eine Band ist schon ein soziales Gefüge, ja. Der Rudi, unser Schlagzeuger ist Sozialarbeiter und ist das demnach auch oft in der Band. Flo und Katie sind eher die Stürmer und Dränger.
Flo: Wolfi nimmt bei Sex Jams recht bewusst eine eher passive Rolle ein. Mile Me Deaf ist gerade sein Main Focus, während er sich bei Sex Jams einfach Gitarrist ist. Er ist auch der Ruhepol. Aufgabentechnisch übernehme ich viel vom Booking – gemeinsam mit Bernhard Kern von Siluh. Ich bin auch eher der Kontaktepfleger.
Lukas: Der Socializer!
Katie: Ich schreibe meine Texte, habe die Geschichten im Kopf, die ich dann mittels Wörtern zeichne. Das ist eben meins.
Lukas: Ich kümmere mich um organisatorische Dinge, wie Förderungen.
Flo: Er ist der Finanzminister! Und auch der, der den Überblick behält, der auch viel vom Musikalischen bei uns beeinflusst.
Katie: Wir sind ja eine Art Gang without a Leader. Jeder gibt das, was er kann.
Ihr wirkt wirklich wie eine Gang, als hättet ihr euch wahnsinnig lieb.
Katie: Wir kennen uns alle schon sehr lang und es sagen auch viele, dass unser Zusammenspiel sehr authentisch wirkt. Ich finde auch.
Flo: Es würde aber auch nicht anders funktionieren auf Dauer. Uns gibt es mittlerweile seit fünf Jahren, wir drei sind ja eigentlich die Gründungsmitglieder.
Katie: Die Gründungsmitglieder! Die Statuten von Sex Jams haben wir beschlossen!
Flo: Wir haben sie beschlossen und sie lauten: „Habt euch alle lieb!“
Und doch heißt das Album „Trouble, Honey“?
Flo: Einerseits hat der Titel mit bandinternen Schwierigkeiten zu tun, andererseits hat er damit zu tun, dass man älter wird, irgendwann ein fertiges Studium haben und sich einen fixen Job suchen sollte, man aber lieber Konzerte spielt. Dieser Zwiespalt beschert einem doch einiges an Trouble.
Katie: Für mich geht es bei „Trouble, Honey“ darum, dass man sich in diesem Prozess, in dem man als Künstler zu dem, was man macht, auch steht, viel mit sich selbst auseinandersetzen muss.
Lukas: Man baut sein Leben dann um die Band herum. Ich bin 31, habe meine Diplomarbeit noch nicht fertig, lebe in einer WG, habe kein Auto und so weiter – weil es mir einfach nicht wichtig genug ist.
Flo: Das „Honey“ impliziert aber auch, dass wir Trouble eh cool finden.
Trotzdem keine Chance für „Relaxed“?
Katie: „Relaxed“ kommt dann, wenn wir 60 sind und uns einbilden, wir müssen noch irgendeinen Scheiß machen – Jazz oder so. Rudi würde sich freuen. Der hat sich in seinem Schlagzeugspiel irrsinnig weiterentwickelt, daher nennen wir ihn recht zärtlich „Übelix“.
Flo: Mein Name in der Band lautet „Übenix“. Wolfi hat wegen seiner blonden Haare eine Zeit lang „Manga“ geheißen.
Als ihr angefangen habt, gab es nach dieser Musik ja keine große Nachfrage. Zum Vergleich – heute gibt es Hunderte Indie-Bands, weil eine Plattform und demnach eine Szene vorhanden ist.
Lukas: Das war uns eigentlich wurscht.
Flo: Wir haben eine 7 Inch herausgebracht, die innerhalb von zwei Wochen ausverkauft war. Plötzlich ist Bernhard Kern von Siluh dagestanden, dann kam Andi Dvorák von Fettkakao, dann schrieb der Kurier über uns. Da wehrt man sich auch nicht.
Lukas: Aber wir fühlen uns nach wie vor nicht als Teil von irgendeiner Indie-Szene. Mit einer Band wie The Beth Edges haben wir absolut nichts gemeinsam – ohne Disrespect.
Also, seid ihr nach wie vor in der Weirdo-Sparte zuhause?
Flo: Auf jeden Fall. Uns ist zum Beispiel die Erschließung der jüngeren Fan-Schichten noch nicht gelungen.
Lukas: Weil sich diese ältere Generation wahrscheinlich an die Neunziger erinnert fühlt.
Flo: Dass sich auf unsere Konzerte Mädels oder Indie-Kids um die 17-20 verirren, wie es wahrscheinlich bei The Beth Edges sein wird, gab es noch ganz selten. Aber das wir nirgends dazu gehören, stimmt auch nicht. Wir haben schon eine gewisse Szene.
Lukas: Wir haben halt andere Bands, mit denen wir uns gut verstehen, aber das eher unser Umfeld.
Katie: Nein, es ist schon eine Szene insofern, weil irrsinnig viel passiert. Es werden total viele Konzerte und Parties veranstaltet, an jeder Ecke sprießt irgendetwas Neues.
Es tut sich schon etwas?
Katie: Ja, und wie. Man hat das zum Beispiel bei der Tweety Party in Graz gesehen, die Wolfi mit Numavi Records veranstaltet. Da spielen durch die Nacht 20-30 Bands, jede spielt circa 15 Minuten. Und wenn ich mich an die Party erinnere – was da im Backstage-Bereich los war! So kann man sich das in etwa vorstellen.
Labels wie Siluh und Noise Appeal stehen dabei im Zentrum, oder?
Flo: Ja, und Fettkakao.
Katie: Es ist wichtig, mit Labels zu arbeiten, die ihre Arbeit mit Liebe machen. Das macht Bernhard Kern und die Siluh-Partie, das macht Andi Dvorák von Fettkakao und das macht Dominik Uhl von Noise Appeal. Wir haben keinen Druck, wir sind die Musiker und sie stehen hinter uns.
Wie war die Show in London mit Mile Me Deaf im Dezember?
Katie: Das war im Großen und Ganzen okay. Ausbaufähig.
Flo: Es ist so, dass wir bei der nächsten Tour wahrscheinlich zwei Shows in London spielen werden.
Lukas: Naja, wir waren immerhin in London und auch da waren Leute, die uns sehen wollten. Ich will das jetzt gar nicht kleiner machen. Es waren nicht allzu viele Leute da, aber London ist eben ein anderes Pflaster.
Katie: Ja, es ist schon schwer, sich in England einfach so ohne jegliche Kontakte zu etablieren.
Flo: Da wirst du alleine spielen. Es muss einmal ein „Ground“ geschaffen werden, das heißt, du solltest ein gewisses Radio Airplay haben, was mit „Shark Vs. Apple“ eigentlich ganz gut funktioniert hat. Man muss auch sagen, dass Amerika, Holland und England das, was wir machen, besser verstehen als Deutschland. In Deutschland stößt das eher auf Unverständnis. Sie wissen nicht wirklich, was sie damit anfangen sollen. Wir finden das aber eh super, weil uns England, Benelux und Amerika mehr interessieren. Irgendwann wird Deutschland nämlich boring – alle reden deutsch, der Kulturkreis ist genau derselbe, die Häuser schauen gleich aus. Das Essen ist halt billiger, okay.
Lukas: Wir haben in London bei Robert Rotifer in der Wohnung geschlafen. Das war schon cool, weil das ein Typ ist, vor dem ich meinen Hut ziehe.
Katie. Live spielen ist ja voll meins, weil ich die Zusammenarbeit mit dem Publikum so liebe. Gerade da sind andere Länder besonders interessant. Wir wollen uns gar nicht auf Österreich und Deutschland beschränken.
Würdet ihr eure eigenen Songs – nach der Definition von Urban Dictionary – als Sex Jams bezeichnen?
Katie: Mindfuck!
Der Weedfox! Dazu gibt es doch bestimmt eine superspannende Geschichte.
Flo: Darf ich die erzählen? Wir wollten zuerst ein großes Aquarell. Gescheitert. Dann kam Wolfi mit einer LP, die er sich nur gekauft hat, weil das Cover so gut ausgeschaut hat. Das wollten wir nehmen, irgendetwas drüber zeichnen und Sex Jams hinschreiben. Aber – rechtliche Rahmenbedingungen und so. Dann wollten wir es nachstellen. Nachdem es sich aber Burnbjoern, der immer die ganzen Artwork-Geschichten für uns macht, mit seinem Detailauge angesehen hat und bemerkt hat, dass der Typ auf dem Cover einen Tiger-Patch auf der Kappe hat, brauchten wir auch sowas. Da die Katie Huskies so gerne mag, sollte es ein Husky-Patch werden. Ich habe dann gemeint, dass er in die Fellzeichnung ein Weedblatt einbringen könnte. Und das war die Geschichte von einem Ripoff-Cover zu etwas recht Eigenständigem.
Die erste Single „Shark Vs. Apple“ ist ein Liebeslied. Ein bisschen „cheeky“. Wie aber kommt man auf Haie und Äpfel?
Katie: It’s all in my head.
Metaphorischer Unterton vielleicht?
Katie: Ich hatte das immer schon im Kopf. Ich mag Haie gerne, Äpfel auch. Stell dir vor, ein Hai sieht einen Apfel – wie geht es dem Hai dabei? Denkt sich der hmm, rot, prall, nice? Dann ist mir eingefallen, dass das Lied ein Zusammenspiel zwischen Mann und Frau ist.
Flo: Eigentlich ist es ja ganz einfach. Die Zeile „When a shark eats an apple” zeigt ja schon, dass das nie passieren wird. Sie lässt ihn schon abblitzen, bevor er sie überhaupt angraben kann.
Katie: Ich hab durchaus meine ernsten Texte, aber ich muss immer drüber lachen können, sonst ist der Text noch nicht fertig.
Flo: Wir wollen mit unseren Texten auch nicht belehren oder die Welt erklären. Natürlich sind sie nicht nur Nonsens, aber ein gewisses Schmunzeln ist schon immer drinnen.
Es gibt im Song einen Twist, der auch im Video rüberkommt – ziemlich genau da, wo die Dame auf die Toilette geht.
Katie: Sie hat einen Sex Jams-Trip. Wir wollten ein Live-Video zu der Nummer. Leafhouse Collective, die das Video gemacht haben, haben aber darauf bestanden, dass es kein 08/15-Video werden soll, sondern auch eine kleine Story braucht. An der Stelle wird alles irgendwie wahnsinnig.
Lukas: Genau, der Teil, wo alles bricht, da, wo die Tiergeräusche und das Geschrei kommen, sollte so klingen, als wenn in diesem Moment jemand den Radiosender wechselt. Oder den Partyraum.
Wo habt ihr gedreht?
Katie: Bei der Siluh-Weihnachtsfeier.
Flo: An dem Abend sind sehr viele Leute abgestürzt.
Katie: Das passt aber eh zu uns.
„Trouble Honey“ erscheint am 1. März auf Siluh Records. Die Release-Party presented by the Gap findet am 15. März im Gartenbaukino statt.