Lykke Lis Popmusik ist die direkte Übertragung der Gefühlswelt in Sound. Auf dem dritten Album sind die Tränen immer noch nicht trocken.
Kontinuitäten
Kurz vor Erscheinen ihres drittes Albums stand Lykke Li für Tarik Saleh und seinen Krimi "Tommy" vor der Kamera. "Tommy" hat es (noch) nicht über Schwedens Grenzen geschafft; Saleh ist so unbekannt, dass man ihn als Privatperson auf Facebook findet. Fast 37 Millionen Klicks hat das Video zu "I Follow Rivers", das Saleh für Lykke Lis größten Hit drehte. Das macht den Mann zu einem nicht unwesentlichen Teil für das Image der Sängerin mitverantwortlich. Zumal sich Lykke Li auch für die beiden neuen Videos "No Rest For The Wicked" und "Love Me Like I’m Not Made Of Stone" wieder mit ihrem Vertrauten zusammengetan hat. Die Musikvideos, speziell die von Saleh, zeigen wie die Musik Lis gewisse Kontinuitäten. Der Schauspieler Fares Fares, dem Lykke Li in "I Follow Rivers" nachläuft, bewegt sich im Videoteaser "I Never Learn" zum gleichnamigen neuen Album mit einem kurzen Blick zurück wieder von ihr weg; dieses Mal vielleicht endgültig. So sprach die gebürtige Schwedin in Interviews davon, dass das neue Werk eine Trilogie, deren ersten beide Teile "Youth Novels" und "Wounded Rhymes" bildeten, abschließt.
Abschließen
Abschließen scheint eigentlich nicht die Stärke der Sängerin zu sein. Immer wieder geht es um die unerwiderte Liebe, die "Unrequited Love", wie auch einer der Titel auf "Wounded Rhymes", dem Album aus 2011, das Li so richtig bekannt machte, heißt. Bekannt sein, berühmt sein – damit dürfte sich Li und ihr Umfeld wie eingangs erwähnt herzlich wenig beschäftigen. Hier ist Popmusik, hier ist Film noch die direkte Übertragung der Gefühlswelt in Sound und Bild – hochauflgelöst, immer den Tränen nahe.
Selbstverwirklichung
Lykke Li wollte Künstlerin werden, der Wunsch nach Ausdruck stand vor der Wahl der Musik als Medium. Die Grenzen des Selbst sind aber weitaus endlicher als die der Musik, womit die Schwachstelle von "I Never Learn" auch schon gefunden wäre: Viel Innovation oder auch die vielzitierte Weiterentwicklung wird man hier vergeblich suchen.
Was die Sängerin aber definitiv erkannt hat, ist, dass ihr großes Können in der traurigen und schweren Ballade liegt. Der Sound des neuen Albums ist sehr viel abgerundeter, die Zusammenstellung stimmiger, die Arrangements gezielter, größer, reifer. "I Never Learn" klingt nach einem Soundtrack – so als würde sich Lis Filmerfahrung nun auch in ihrer Musik widerspiegeln. "Gunshot", "No Rest For The Wicked" und "Love Me Like I’m Not Made Of Stone" sind die Felsen in der Brandung des Albums und machen ein ausgezeichnetes Drittel – "I Never Learn" besteht nur aus neun Stücken – aus. "Silverline" und "Heart Of Steel" gehören zu den weniger gelungenen Nummern; da wird die Kitschgrenze dann leider doch überschritten.
Kein Tamtam
Was Lykke Li und ihre Musik aber so bezaubernd macht, ist, dass die Grenze zwischen "der richtigen Person" und der Künstlerin so gut wie gar nicht vorhanden zu sein scheint. Dass sich da eine größere Kluft auftut, hätte man nach dem Erfolg von "Wounded Rhymes" eigentlich erwartet. Mehr Inszenierung, größeres Tamtam. "I Never Learn" kann als Gegenansage aufgefasst werden – es gibt von Seiten der Künstlerin offenbar kein Interesse aus irgendetwas anderem als sich selbst zu schöpfen, eine Figur zu schaffen. Es ist eine ganz spezielle Form der Unabhängigkeit, die Lykke Li immer stark und autonom wirken lässt, da kann sie in Text und Bild noch so viele Tränen vergießen. Bei Themen wie Liebesleid, Verletzlichkeit und Schwäche ist das ein großes Kunststück.
Die Öffnung behält sich Lykke Li für Kollaborationen vor, wie das wunderschöne "I’m Waiting Here" mit David Lynch, der ebenso wie Lykke Li in Film und Musik zuhause ist. Über eine Zusammenarbeit der Sängerin mit Terrence Malik wurde gemunkelt. In dem Film soll es wenig verwunderlich um zwei sich überschneidende Liebesdreiecke gehen. Klingt nach massig Tränen. Sie lernt’s eben nie.
"I Never Learn" erschien am 2. Mai via LL.
Die Autorin auf Twitter: @oidaamira