Niemand kann Austrotrash so gut wie Kurt Razelli. Und das seit ziemlich genau drei Jahren. Ein Porträt eines Mannes ohne Gesicht.
Heinrich Heidel findet Milch richtig gut. Das weiß auch jeder, der das Stichwort »besoffener Politiker« in eine Suchmaschine klopft. Das Video, in dem der lallende FDP-Abgeordnete aus Hessen für faire Milchpreise kämpft, findet nach circa drei Minuten seinen ersten argumentatorischen Höhepunkt: »Milch muss gemolken werden, weil die Tiere das wollen!« Wirklich viral wurde es mit ungefähr 10.000 Klicks nicht. Und auch wenn Heidel so blau scheint wie die Schriftfarbe seiner Partei, schlägt er sich eigentlich ganz wacker. Der Fun-Factor hält sich dafür aber in den Grenzen von Pannenshows auf RTL. Würde man nun aber die besten Sager herausfiltern – ohnehin schon charmant wegen des hessischen Dialekts und der angeheiterten Nicht-Artikulation –, ein paar Effekte drüber und einen Beat drunter legen und daraus einen Song mit trashigem Video machen, könnte man die Klicks locker mehr als verzehnfachen.
Ein breites Grinsen
Beziehungsweise Kurt Razelli könnte. Sein beliebtestes Werk, der »General Stronach Song«, zählt mittlerweile über 180.000 Klicks auf Youtube und macht genau das: er greift ein paar knackig-skurrile Aussagen des Austro-Kanadiers heraus und macht aus dem Wahnsinn mittels HipHop-Beat und Waffengeräuschen einen absurden Ohrwurm. Seit drei Jahren produziert Razelli so Musik. Anfangs, weil ihm die Vocals fehlten und er ohnehin eine Schlagseite für österreichisches Fernsehen hat, das er sich am liebsten allein im Keller reinzieht. Stundenlang. »Ich muss halt viel fernschauen, ganz viel«, sagt Kurt Razelli mit einem breiten Grinsen, so wie er vieles mit einem breiten Grinsen, oft ein bisschen ironisch, aber immer ehrlich und sympathisch sagt. Formate wie »Wir leben im Gemeindebau« oder die Dokumentarreihe »Alltagsgeschichte« von Elizabeth T. Spira, aber auch Fußballer und Politiker aller Couleur haben es Razelli angetan. Je weniger gestellt die Akteure in den Ausgangsvideos sind, desto spannender sind sie für ihn. Für diese Art von Sendungen wurde früher einmal der Begriff »Sozialporno« erfunden. Gecuttet und remixt werden die voyeuristischen Originalclips dann zu einem Stück postmoderner Kultur veredelt.
Der Flow der Politiker
Je nach Sprechweise des Charakters wird entschieden, ob es ein HipHop-Track oder einer der Disco-Songs wird. »Politiker flowen einfach mehr, die spitten ihre Texte manchmal so richtig«, sagt der Meister. Die Belegschaft von »Saturday Night Fever« kommt dann eher in die »Disco Songs«, wie eine der Kategorien auf Razellis Youtube-Kanal heißt. Mehr als 5.000 Abonnenten hat dieser Kanal mittlerweile, bei über 90 Videos.
7.200 Schilling
Und jetzt der »Milch Song« also. Ein Sample-Feuerwerk der Heidel’schen Rede, wird es eines der nächsten Videos sein, die Razelli auf seinen Kanal stellt. Irgendwas an dem angeschwipsten Hessen hat es ihm wohl angetan, obwohl Razelli weiß, dass aktuelle Themen besser funktionieren, mehr geklickt werden: Wahlkampf, wichtige Fußballspiele aber auch Inhalte, die tief in die österreichische Seele zielen, wie der schwer beliebte »7.200 Schilling Song« haben die besten Zugriffe. Die werden natürlich entsprechend dankbar von Medien und Politik aufgegriffen. Das ist ein bisschen wie bei Stefan Raab. Nur mit lustigeren Beats.