Derzeit zeigt das 21er Haus Ai Weiweis Ausstellung transformation – translocation. Wir haben dort einen Instagram-Walk begleitet.
Community #igersaustria (© Blevedere, Wien)
Die Social Media Verantwortlichen des 21er Haus sind sich der Wichtigkeit von Instagram bewusst und bieten nicht nur eine exklusive Führung sondern viele weitere Specials für die Igers.
Nachbau der Wang Family Ancestral Hall (© Thomas, Instagram @viennainside)
Die nachgebaute Ahnenhalle einer Teehändlerfamilie aus der Ming-Dynastie wurde in nur 12 Tagen von chinesischen Handwerken im 21er Haus aufgebaut, die dafür extra nach Wien einflogen. Nicht nur für Thomas und Christine von viennainside ist sie das Highlight der Ausstellung: "Am besten gefallen hat uns die über 400 Jahre alte Ahnenhalle einer chinesischen Teehändlerfamilie, weil sie - wie das 21er Haus selbst - verpflanzt und eigentlich für einen ganz anderen Verwendungszweck errichtet wurde."
Raffiniertes Dach der Wang Family Ancestral Hall (© Ivana, Instagraml @facti_ion)
Ivana postet auf ihrem Insta-Kanal nicht nur privat – als Social Media Verantwortliche der Albertina weiß sie, welche Bedeutung der Kanal für Museen in Wien hat. Ai Weiweis Gesamtkunstwerk findet sie extrem beeindruckend: "Sicherlich eine der faszinierendste Positionen in der zeitgenössischen Kunst. Der Tempel im Museumstempel des 21er Haus hat mich besonders fasziniert, weil das Werk/die Installation so einfach und gleichzeitig vielschichtig ist: Politisch, Historisch, Surreal und voller Poesie."
Exklusive Instagram-Führung (© Belvedere, Wien)
Die 25 Igers erhielten nicht nur eine exklusive Führung sondern auch eine Fotogenehmigung für die gesamten Räumlichkeiten des 21er Haus.
Die Installation Spouts (© Gregor, Instagram @gregsideris)
#fromwhereistand gilt mit über 2,6 Mio. Hits als einer der beliebtesten Hashtags auf Instagram. Nicht nur Gregor erkennt das Potential der Installation Spouts für ein Foto dieser Reihe.
Auf den zweiten Blick erkennt man die Teekannen (© Chris, Instagram @chriswaikiki)
Nein, es handelt sich bei Spouts nicht um ein Feld aus Knochen – auch wenn viele zwei Mal hinschauen müssen und Weiwei eine derartige Konstruktion durchaus zutrauen würden.
Spouts bedeutet Teekanne (© Ivana, Instagraml @facti_ion)
"Dieses Genre-Hopping ist einfach inspirierend, genau wie die Vielfalt der antiken, neuen, edlen sowie geschichtsträchtigen Materialien und Objekte", begeistert sich Ivana über den Mix der Stile in Weiweis Werken.
Ein perfektes Rechteck aus Teekannen (© Thomas, Instagram @viennainside)
In Millimeterarbeit wurden die zerbrochenen Teekannen zu einem perfekten Rechteck angeordnet - Betreten verboten!
Installation Teahouse (© Thomas, Instagram @viennainside)
Auch das Werk Teahouse stellt einen Bezug zur Vertreibung der Teehändlerfamilie dar – der Duft der Teeblätter mischt sich mit dem des Jahrhunderte alten Holzes der Ahnenhalle und schafft eine mystische Atmosphäre.
Aussicht des 21er Hauses (© Chris, Instagram @chriswaikiki)
Wenig Bezug zur Ausstellung selbst, dafür hervorragendes Motiv für den Kanal: Die Aussicht der 21er Towers, den die Igers exklusiv betreten durften.
f Lotus im Oberen Belvedere (© Chris, Instagram @chriswaikiki)
Im Bassin des oberen Belvedere schwimmt ein riesiges f aus Schwimmwesten, die Weiwei auf der Insel Lesbos gesammelt hat – und fordert den Betrachter auf, seine Gedanken zur europäischen Flüchtlingspolitik in einem Wort mit f zusammenzufassen.
Bei seiner letzten Ausstellung in Österreich im Jahr 2011 war Ai Weiwei nicht persönlich anwesend – zu dieser Zeit wurde der Künstler und Aktivist noch unter strengem Hausarrest, Stichwort Regimekritik, in China festgehalten. Seit einem Jahr lebt und arbeitet Ai Weiwei wieder in Europa und protestiert mit seinen Kunstwerken und -aktionen zunehmend nicht mehr nur gegen die Politik Chinas: Seit seiner Rückkehr im Juli 2015 ist vor allem die europäische Flüchtlingspolitik ins Zentrum seines Schaffens gerückt.
Aktivismus trifft Kunst – und bricht dabei so manches Tabu
In unzähligen Aktionen verlieh er seiner Kritik gegen die europäische Flüchtlingspolitik bereits Ausdruck. Das umstrittenste Werk war dabei wohl die Fotografie der Zeitung „India Today“, für die sich Weiwei leblos im Sand liegend am Strand von Lesbos fotografieren ließ – die Haltung des dreijährigen Aylan nachahmend –, der im September 2015 bei seiner Flucht über das Meer ertrank.
In Berlin umwickelte er ein Gebäude mit 14.000 Schwimmwesten, die auf Lesbos gesammelt hatte, unterbrach eine Ausstellung in Kopenhagen aus Protest gegen deren Gesetzesänderungen und plant derzeit sowohl ein Mahnmal für ertrunkene Flüchtlinge als auch eine Dokumentation, für die er in Lesbos und Idomeni dreht.
Fans und Medien lieben ihren Dissidenten
Jedes Mal hallt es in den Medien, wenn Ai Weiwei mit einer neuen Installation, Aktion oder einfach nur einem Tweet in Erscheinung tritt. Dementsprechend interessiert sich auch ein Medium für Weiweis Werke, dessen User sich "politische Systemkritik" nicht unbedingt als erstes auf die Fahne schreiben würden: Im Rahmen eines Instagram-Walks wurden gestern 25 Igers aus Wien exklusiv durch die Räume des 21er Hauses geführt und durften dort fotografieren, wo sonst keiner hindarf.
Gilt es zu befürchten, das bei einer solchen Instagram-Begehung ähnlich geschmacksresistente Selfies wie bei einer vorangegangenen Aktion Weiweis in Berlin entstehen?
Überwältigende Installationen Weiweis im 21er Haus
Unter dem Titel transformation – translocation zeigt das 21er Haus vier beeindruckende Installationen, mit denen Weiwei die Veränderungen, denen Mensch und Ding durch Migration, Flucht und Vertreibung unterworfen sind demonstrieren will.
Die original-getreue Nachbildung der Wang Family Ancestral Hall, einer Ahnenhalle aus der späten Ming-Dynastie zeigt die Veränderungsprozesse, die sowohl Mensch als auch Objekt durch Migration und Vertreibung erleben. Die Familie Wang, bedeutende Teehändler im alten China, wurde im Zuge der Chinesischen Kulturrevolution vertrieben, woraufhin die Ahnenhalle verfiel. Die zwei weiteren Arbeiten Teahouse und Spouts beziehen sich ebenfalls auf die vertriebenen Besitzer der Halle.
Rund um das Bassin im Garten sind 12 riesige Tierköpfe aus dem chinesischen Horoskop im Circle of Animals/Zodiac Heads aufgestellt, deren Ausdruck so lebendig wie angsteinflößend wirkt.
In dem großen Becken selbst finden sich außerdem die Schwimmwesten wieder, die Weiwei schon in Berlin verwendete: Im Belvedere installierte er mit ihnen ein riesiges kalligrafisches f, bestehend aus 201 Ringen bestückt mit den Westen, die wie Lotusblüten in dem barocken Bassin schwimmen.
Mit diesem f fordert Weiwei seine Betrachter dazu auf, sich selbst Gedanken zur Flüchtlingsthematik zu machen. freedom? fair? Oder doch Mittelfinger hoch und einfach nur f***?
Insta-Walk führt durch die Ausstellung – verträgt sich das?
Eines hinterlässt die Ausstellung sicher nicht: Das Gefühl wohliger Zerstreuung, das von so manch anderem Museumsbesuch bleibt.
Wir begleiteten einen Insta-Walk, organisiert von der Community #igersaustria in Zusammenarbeit mit dem 21er Haus und 25 fotofreudigen Wiener Bloggern, die wir auch um Statements zu den jeweiligen Positionen baten (siehe Gallery). Ai Weiwei war den meisten der Igers vor der Ausstellung jedenfalls kein Begriff, geschweige denn seine bisherigen Werke oder politisches Treiben. Über die große Bedeutung, die der Kanal für Institution wie das 21er Haus oder die Albertina hat sind sich alle in der #igersaustria Community einig. Die Social Media Verantwortlichen der beiden Häuser betonten die Wichtigkeit der Pflege des jeweiligen Accounts – und natürlich auch der Blogger, die ihre Follower mit entsprechenden Tags auf lohnenswerte Ausstellungen hinweisen.
Exklusive Führung, Hashtags – und am Rande Ai Weiwei
Dementsprechend ließ das 21er Haus den Igers während dem Walk einige Extras zu Gute kommen: Nicht nur für eine private Führung und Getränke im Anschluss wurde gesorgt, die Igers bekamen (selbstredend) für das gesamte Haus eine Ausnahmegenehmigung zum Fotografieren, Zugang zu einem der oberen Büros für Bilder ‚with a view’ und durften on top noch eine Tauchinstallation im Hof des Hauses, nutzen. Die Führung verfolgten die Igers aufmerksam, zumindest solange ihnen kein fotogenes Ausstellungsstück vor die Linse kam.
Wirklich enthusiastisch wurde die Gruppe erst, als man die Ausstellungsräume verließ und sich in luftige Höhen zum versprochenen Spot mit Aussicht begab. Der 360-Grad Blick aus dem verglasten Tower bot einen beeindruckenden Blick auf Wien (selbst die gigantische Hauptbahnhofbaustelle fügte sich panoramafunktionstauglich in das Stadtbild ein) und hier entstanden wohl die meisten Bilder – mit der Ausstellung selbst hatte das aber nichts mehr zu tun.
Die Ausstellung http://www.21erhaus.at/aiww21 läuft noch bis zum 20. November 2016.