East India Youth macht etwas, das selten geworden ist: Neues. Wie hier Sounds und Melodien ineinander greifen, Laptop, Rauschen und Komposition, ist magisch.
Die Docklands Londons scheinen ein guter Ort zu sein, um Musik zu machen. Hier, in dem jüngsten, neuen Stadtteil Londons hat schon Kwes sein Album geschrieben. Und jetzt East India Youth, der den East India Docks außerdem seinen Namen verdankt. William Doyle kam aus dem kleinen Bournemouth hierher, wo er drei Jahre an »Total Strife Forever« gearbeitet hat, unter Druck, denn London ist teuer und aufreibend. William Doyle war von den Möglichkeiten einer Indierock-Band enttäuscht. Eine große Inspiration war deshalb Brian Eno. Heute besucht dieser die Konzerte von East India Youth. Das Erstaunlichste an diesem Album ist der breite Graben, den es überwindet. Denn es gibt zwar jene Musiker, die Welten von Club-Musik, ihrer Sounds und ihrem Groove mit jenen des Songwritings, den harmonischen Kadenzen und kleinen Geschichten verzahnen können – Emeralds, Jon Hopkins, Caribou, Moderat, Mount Kimbie –, aber sie sind äußerst rar.
East India Youth tut noch ein bisschen mehr als das. Die Dance-Elemente sind auf »Total Strife Forever« – schwer, bei diesem Namen nicht an das letzte Foals-Album zu denken – vergleichsweise zurückgenommen. Dafür … nun, andere nennen das mangels eines besseres Wortes Ambient. Dabei geht East India Youth über das, was seit Jahren auf den hervorragenden »Pop Ambient«-Samplern auf Kompakt verdichtet wird, sogar hinaus. Es sind eher Kompositionen aus Sounds, mal repetitiv, minimalistisch, mit Varianten, mit Strukturen von Songs und Tracks, die kunstvoll ineinander greifen. Dazwischen singt East India Youth, selten genug, aber dann umso eindringlicher, im Stil von Postal Service oder Grizzly Bear. Zwischen all diesen Stühlen bewegt sich das Album. Sicher nicht mühelos oder besonders eingängig. Aber es reicht, um den Mund einmal erstaunt offen stehen zu lassen … Und was bitte ist ein Track wie »Glitter Recession«?
Hier rauscht der Laptop, das digitale Klangbild ist angereichert mit Emotionen und Sozialität. Hier herrscht kein Widerspruch zwischen den reinen, digitalen Klängen und den schmutzigen analogen Geräuschen. Als wären wir im Netz angekommen, mit unseren Fingern und Screens als Interfaces, mit Tools und Apps als innere Software. Als hätten wir seine Materialität und seine sonischen Qualitäten so langsam kennengelernt. East India Youth ist in diesem Grenzland einer der überzeugendsten.