Von Vätern und Töchtern – Lisa Hasenhütl im Interview zu »Von Drachen und Hasen«

In »Von Drachen und Hasen« verarbeitet Regisseurin Lisa Hasenhütl die Beziehung zu ihrem Vater – einem passionierten Hobbyerfinder. Der berührende Kurzfilm feierte 2024 auf der Diagonale in Graz Premiere, nun ist er in der Cinema Next Series kostenfrei zu streamen. Im Interview gibt uns die Filmemacherin einen persönlichen Einblick in die Entstehung ihres Films.

© Lisa Hasenhütl — Alte Aufnahmen der Filmemacherin mit ihrem Vater auf dem Computerbildschirm; Filmstill aus »Von Drachen und Hasen«

»Von Drachen und Hasen« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.

In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »Von Drachen und Hasen«?

Lisa Hasenhütl: Um einen Versuch der Annäherung an meinen Papa, weil ich das Gefühl hatte, wir hätten uns in den letzten Jahren immer mehr auseinandergelebt. Da er, seit ich denken kann, in regelmäßigen Abständen neue Projekte und Erfindungen plant, heftete ich mich kurzentschlossen beim neuesten Vorhaben, einem Drachenbootrennen auf der Mur, an seine Fersen und begleitete ihn dabei etappenweise über drei Jahre hinweg. Ich dachte: So finden wir über unsere jeweiligen Interessen wieder mehr zueinander – weil ich sehe, wie er seine Ideen Realität werden lässt, und er im Gegenzug sieht, wie ich mit der Kamera arbeite. Das funktionierte dann nur nicht ganz so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Und darum geht’s.

Dein Film ist sehr berührend, die Beziehung zu den Eltern ein Thema, zu dem die meisten einen Bezug herstellen können. Unsere Eltern werden älter, teilweise eigentümlicher. Oder fällt es einem jetzt erst auf? Ist dein Film ein Weg, damit umzugehen?

Ja, schon. Ich glaube, ich wollte einfach versuchen zu verstehen, warum wir uns im Kindesalter so unglaublich nah waren und uns über die Pubertät hinweg, in meinen Augen, immer mehr voneinander distanzierten. Ich glaube, da sehe ich in meinem Wunsch, Kunst zu machen, auch ein bisschen den Ursprung, weil er mit diesem Lebensentwurf nie wirklich etwas anfangen konnte und wir über dieses Thema auch viele Diskussionen führten. Ich glaube, ich wollte ihm mit meinem Filmvorhaben einfach zeigen: »He, schau: Ich interessiere mich für das, was du vorhast, und so schaut das aus, was ich mache.« Mit dem Wunsch, dass er auch Interesse an meiner Arbeit und in weiterer Folge auch wieder an mir findet.

Es gibt auch das Phänomen, dass man plötzlich die gleichen Muster, die einen an den Eltern immer aufgeregt haben, bei sich selbst erkennt. Kennst du das? Und welche wären es bei dir?

Zu 100 Prozent. Ich nenne mich manchmal scherzhaft selbst »die Bulldogge«, weil ich mich, genau wie mein Papa, in meine Ideen verbeißen kann. Sonst wäre, glaube ich, die Hälfte meiner Filme nie fertig geworden. Aber diese Verbissenheit geht manchmal auch auf die Kosten von einem selbst und von anderen. Das ist dann natürlich ungünstig. Wenn ich im Stress bin, erkenne ich auch ein Muster von meinem Papa wieder: diesen Tunnelblick, wenn man ein wenig die Übersicht über das große Ganze verliert, weil man so auf eine Sache fokussiert ist. Aber Gott sei Dank arbeite ich mit Menschen zusammen, die mich da auch immer wieder rausreißen. Am Ende ist es wichtig, dass man sich selbst nicht zu ernst nimmt und auch über sich selbst lachen kann – auch das habe ich von meinem Papa.

Lisa Hasenhütl dokumentiert das Drachenbootrennen ihres Vaters …
… inklusive Drachenkopf; Filmstills aus »Von Drachen und Hasen« © Lisa Hasenhütl

Der Erzählstrang des Films funktioniert über ein Screen-Recording deines Computerbildschirms – oder es wird zumindest der Anschein erweckt. Wie kam dir die Idee dazu und wie hast du das technisch umgesetzt?

Ich bin ein großer Fan von Kevin B. Lee und fand seinen Film »Transformers: The Premake« fantastisch. Dass man eine Geschichte über Videos und Artikel, die man im Internet findet und quasi in Echtzeit am Computer abruft, erzählen kann, hatte ich bis dahin noch nie gesehen. Ich hatte extreme Lust, so etwas auch auszuprobieren, und weil mein Papa für alle seine vergangenen Projekte Webseiten anlegen ließ oder alte Videoaufnahmen vorhanden waren, war es der perfekte Spielplatz für den Film. Das Ganze in die Tat umzusetzen, war aber viel komplizierter, als ich es mir vorgestellt hatte. Es ist wie eine ganz eigene Choreografie, die im richtigen Tempo am Bildschirm ablaufen muss. Mein Computer lief fast ein Jahr durchgehend mit etlichen minimierten Bildern und Videos im Dock – inklusive Albträumen, was passiert, sollte der Computer einmal abstürzen. Die Bildschirmaufnahmen machte ich mit einer Streamer-Software namens »OBS Studio«, um eine möglichst hohe Videoqualität zu haben. Den Ton nahm ich mit »Audio Highjack« auf.

Der Film ist sehr persönlich, besonders die Streitszene im Auto, in der du dich sehr verletzlich zeigst. Wie war es für dich, das im Nachhinein zu sehen und mit anderen zu teilen?

Uuuuuur zach. Die Szene möchte ich immer noch nicht wirklich anschauen, schon gar nicht im Kino auf der großen Leinwand. Aber sie ist wichtig für den Film und deshalb auch dringeblieben. Das Gute an der Aufnahme ist, dass sie beide Seiten zeigt und ich uns beide darin nachvollziehbar finde. Das sind einfach zwei Menschen, die sich liebhaben, aber komplett aneinander vorbeireden. Das inzwischen so oft gesehen zu haben, hat schon fast einen therapeutischen Aspekt.

Hat sich die Beziehung zwischen dir und deinem Vater durch den Film verändert?

Der Film hat zwischen uns auf jeden Fall für viel Gesprächsstoff gesorgt, aber mit einem sehr positiven Ergebnis. Ich habe das Gefühl, wir sind vorsichtiger miteinander geworden. Er bemüht sich, auf mich zuzugehen und sich aktiv mehr für das, was ich mache, zu interessieren. Und ich bin nicht mehr so oft enttäuscht oder auf Konfrontationskurs, weil ich ihn inzwischen besser lesen kann und verstehe, dass die Verbundenheit nicht wirklich weg ist, sondern sich einfach auf ganz andere Weise zeigt, als es früher der Fall war.

Du arbeitest aktuell an einem neuen Projekt. Kannst du uns darüber schon etwas erzählen?

Ich stecke gerade mitten im Dreh. Es geht um ein Event, auf dem fünf Walking Acts arbeiten, die nach einem Abend voller Übergriffe rebellieren und die Veranstaltung auseinandernehmen. Die Idee trage ich schon lange mit mir herum und es ist wahnsinnig schön, den Film jetzt entstehen zu sehen. Ich muss vor allem sagen, dass die Zusammenarbeit mit dem Team und den Schauspieler*innen eine sehr besondere ist. Trotzdem brauchen wir danach ordentlich Pause.

Und für die Fans: Gibt es schon eine neue Erfindung deines Vaters? Oder bald das nächste Drachenbootrennen?

Momentan ist mein Papa nach wie vor ganz ins Sammeln und Studieren seiner Eurypauropodiden vertieft, weil er da gerade an einer Publikation arbeitet. Ein Drachenbootrennen sollte es dieses Jahr auch wieder geben, aber mein Papa sucht noch händeringend nach Steuerfrauen und -männern, die ihn dabei unterstützen können – auch bei den Trainingsfahrten im Vorfeld. Generell wäre es toll, wenn sich jemand auch für die Organisation interessieren würde. Mein Papa wird nächstes Jahr 70 und wird wohl bald die Drachenbootpension antreten müssen.

Lisa Hasenhütl, geboren 1988 in Graz, ist als Regisseurin und Produktionskoordinatorin tätig. Seit 2016 studiert sie Regie mit dem Modul Drehbuch an der Filmakademie Wien. Zu ihren letzten Filmarbeiten zählen »Magda fährt Motorrad« (Max Ophüls Preis, Diagonale, …) und »Kinderspiel«, der 2021 den Publikumspreis in der Reihe »Österreich Panorama« beim Filmfestival Tricky Women / Tricky Realities gewann. (Foto © Mariia Lisovska)

Eine Interviewreihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich.

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