Warum das Schaffen des Ersten Wiener Heimorgelorchesters, das ich immer für witzig gehalten habe, nicht lustig ist, warum Herbert Prohaska und Paris Hilton keinen Einfluss auf die Band haben und warum es in Liechtenstein gefährlich werden kann, erklären ¾ des Quartetts beim Interview im Café Glaser.
1994 beschließen vier Keyboard-Narren etwas bis dato nicht Existierendes zu schaffen: Eine Band, die ausschließlich mit Tasteninstrumenten arbeitet. Billig sollen sie sein, die verwendeten Orgeln, Keyboards und Synthies. Einzige Anforderung an die Geräte: sie müssen sich mit Batterien betreiben lassen und über interne Lautsprecher verfügen, um immer und überall einsatzbereit zu sein. Haben die vier anfangs ausschließlich gecovert und diese Songs aus Unlust am Proben live ungewollt zu sagenhaften Ungetümen aufgeblasen, dominiert bald der Wunsch nach einer eigenen Identität. Diese setzt das Quartett mittlerweile mit seinem vierten Album „Es wird schön gewesen sein“ in Szene.
Vor kurzem ist euer Album „Es wird schön gewesen sein“ beim heimischen und nicht unbedeutenden Label Monkey erschienen, letztes Jahr habt ihr den Protestsongcontest gewonnen – ist das EWHO im Mainstream angekommen?
Daniel Wisser: Na ja, Mainstream… ich tu mir schwer damit zu sagen, was das ist, Mainstream. Natürlich hat sich die Wahrnehmung uns gegenüber jetzt verstärkt, aber unsere Ästhetik bleibt bestehen und unsere Texte sollen auf einer Linie bleiben, die nicht alltäglich und nicht mainstreamtauglich ist.
Thomas Pfeffer: Wir haben schon gezielt ein Label gesucht, das uns gut vertritt und promotet, und deshalb ist unsere Wahrnehmung besser geworden. Es gibt jetzt – auch durch den Gewinn des Protestsongcontests – mehr Menschen, die uns kennen, es ist nicht so, dass wir für unsere Schubladen oder CD-Regale produzieren, aber im Mainstream sind wir noch nicht angekommen (lacht).
Jürgen Plank: Wenn Mainstream das ist, was alle hören, dann sind wir nicht Mainstream.
JP: Auf jeden Fall haben wir durch den Protestsongcontest-Gewinn mehr Aufmerksamkeit bekommen, wir waren in den letzten 15 Jahren aber immer da.
Dadaistischer Pop, Disco- oder Synthie-Pop? In den Medien liest man verschiedene Beschreibungen eures Stils.
DW: Ich vermute inzwischen, dass es mehr Namen für Stilrichtungen gibt als Bands, deswegen tu ich mir jetzt schwer. Das Synthie stimmt auf jeden Fall, das Pop natürlich stimmt nur zum Teil…äh…ich geb weiter.
TP: Die Spannbreite an Zuordnungen ist ja wirklich sehr groß. Wenn man korrekt sein will, dann müsste man unsere Musik Billig-Synthie nennen, denn mit den großen Synthie-Pop Bands aus den 80ern haben wir nicht unbedingt was gemeinsam. Und irgendwie ist es auch Pop. Gerade was die Texte betrifft, scheint Ratlosigkeit zu herrschen, die Bezeichnungen reichen von Kindergartenlyrik bis oberlehrerhafte Texte und allem, was dazwischen liegt.
Ok, Überraschungs-Test! Ich bringe jetzt Fragen aus eurem Text „Alles ist vergessen“. Wie heißt das Billard ohne Löcher?
Allgemeines Gelächter.
TP: Billard ohne Löcher? Kann man ja googeln…
Und das Rennauto mit sechs Rädern?
Im Chor: Tyrrell.
Womit wir bei den Fragen nach den Inhalten sind: Auf textlicher Ebene präsentiert ihr eine Mischung aus offensichtlichem Nonsens…
Im Chor: Was denn zum Beispiel?
„Anton“ zum Beispiel.
DW: Nonsens, puh, da könnt ma jetzt streiten. Nonsens ist das nicht unbedingt! „Anton“ ist ein Song, dessen gesungene Melodie aus einem Ton besteht und der Text beschreibt das. Meine Idealvorstellung von einem Popsong ist, dass es eine Stimmigkeit zwischen Musik und Text gibt und das ist bei „Anton“ sehr geglückt.
JP: Bei Popmusik wird ja üblicherweise auch nicht immer gefragt, ob das jetzt alles Sinn macht. Wenn man sich da die Texte von Hitparadennummern vornimmt und zu übersetzen beginnt, kommt man wohl auch nicht immer auf einen Sinn.
Ich höre aber eh noch mehr! Ich höre auch unverständliche Inhalte und ausgeklügelte, vor Originalität und Witz sprühende Texte. Gibt’s da eine verbindende Klammer rundherum?
TP: Das haben wir noch nicht festgelegt. Dadurch, dass wir das schon Jahre machen, hat es sich still so ergeben, wie es halt ist. Eigentlich nicht still, denn wir diskutieren ja über die Texte, ob sie gut sind oder nicht. Es gibt keine Poetik, an die wir uns halten. Wir haben gar nicht das Ziel festzulegen, was textlich geht und was nicht, denn es macht ja Spass, miteinander über neue Texte zu sprechen. Wenn ich was im Vorfeld ausschließe, dann wird’s wohl fad…
DW: Textlich kann bei den Songs alles passieren. Musikalisch ist es sehr stark von den Instrumenten abhängig. Stilistisch ist der Rückgriff auf jede Epoche und jeden Stil erlaubt, da gibt’s im Vorfeld keine Einschränkung, wir entscheiden zusammen, was wir machen.
Also ich kann das nicht in Klamauk und Ernsthaftigkeit trennen, wie ich mir das eigentlich gedacht habe, für euch haben alle Texte einen Sinn…
TP: Genau! Der eine Text kann schon mehr ins Humoreske gehen als der andere, aber wir sagen nicht, jetzt machen wir mal was ganz Lustiges, jetzt was Ernstes – das gehört schon alles zusammen.
Wie kommt ihr denn auf eure Texte? Stücke wie „Mit den dritten Fall“, einer Liebesgeschichte, in der Zeile für Zeile falsche Fälle verwendet werden, schüttelt man ja nicht aus dem Ärmel…
TP: Doch! Zumindest die Grundidee zu einem Stück ist oft aus dem Ärmel geschüttelt, dann bauen wir rundherum das Lied auf. Aber woher die Ideen kommen, wer mag das wohl wissen?
DW: Man kann natürlich pro Song einen konkreten Anlassfall zitieren oder ein Vorbild nennen, das sind aber meistens Storys, die man sich zum Moderieren der Stücke bei Konzerten zusammen gezimmert hat. Bei „Mit den dritten Fall“ denke ich an Herbert Prohaska, der oft beim Kommentieren Akkusativ und Dativ vertauscht hat. Ob das tatsächlich der Anlass war, weiß ich gar nicht, aber so kann man die Motivation dahinter erklären, wenn man will.
Wer textet?
DW: Im Prinzip alle. Es ist bei jedem Text verschieden, Einer gibt Impulse, dann sitzen wir zusammen und entscheiden die Endversion. Wir komponieren und texten alle vier zu jeweils 25 Prozent…
TP: Wir haben beschlossen, das nie so genau aufzulisten, auch wenn es bei jedem Lied anders ist, weil das einfach bescheuert ist und wir uns nicht auftrennen lassen. Wir sind ja eine Gruppe!
Was bewegt euch denn, euer musikalisches Schaffen humoristisch anzugehen statt mit purem Ernst zu spielen?
DW: Ich verwehre mich eigentlich gegen das Humoristische! Vielleicht kommt dieser Gedanke von der Verwendung der Orgeln her, in denen schon Rhythmen eingespeichert sind, wie zum Beispiel Rock 1, Rock 2 und so weiter. Die klingen halt bestimmt und imitieren zum Teil bekannte Sounds…
JP: Es ist vielleicht so, dass es Spass macht, die Klänge zu hören, weil sie ungewöhnlich sind und auf etwas verweisen, das sie selber nicht erfüllen können. Wenn du am Keyboard auf Trompete drückst, klingt es nicht nach Trompete, sondern nur so ähnlich.
TP: So wie für unsere Texte gibt es auch für die Musik keine generell gültige Poetik. Alles ist machbar… Obwohl wir haben auch schon Filme vertont und das war gar nicht humoristisch angelegt.
In den Stücken „Telegen“ und „Funny Bunny Love“ werden Personen beschrieben. Haben eure Stücke konkrete Vorbilder?
TP: Eigentlich nicht. Die beiden Beispiele haben mit Abziehbildern von Menschen in der Medienöffentlichkeit, vor allem Fernsehpersonen, zu tun, aber ohne konkrete Vorbilder. Vielleicht hat „Funny Bunny Love“ mit Paris Hilton zu tun, vielleicht habe ich aber auch eine andere der unzähligen Lookalikes gesehen. Sie könnten der Anlass zu dem Stück gewesen sein, aber ob es wirklich so war…
Zum aktuellen Album: Habt ihr „Widerstand ist Ohm“ tatsächlich als Protestlied kreiert oder auf gut Glück bei diesem Contest eingeschickt?
DW: Wir haben uns lange über Protest und Widerstand unterhalten. Der jetzt nicht anwesende Florian hat Physik studiert und so kamen wir auf die Gleichung Widerstand ist Ohm. Unsere Idee war, den Protestsong nicht in der klassischen Weise zu machen, also gegen etwas zu sein, sondern den Widerstand selbst mit einer Aufzählung solcher Einheiten und Gleichungen zu thematisieren. In jedem dieser Gleichnisse kann aber auch was anderes mitgemeint sein.
TP: Der Songcontest lag auch sehr günstig auf dem Weg zur Veröffentlichung der CD. Weil es die Idee zu diesem Lied schon gab, haben wir es fertig gemacht und eingeschickt…
JP: Mittlerweile scheint es ja beim Protestsongcontest den Stream zu geben, vom klassischen Protestlied wegzugehen und sich auf eine Meta-Ebene zu begeben. In diesem Sinn ist auch unser Lied zu sehen.
Mit Ronnie Urini habt ihr eine neue Version seines (ursprünglich von der oberösterreichischen Band Willi Warma geschaffenen) Hits „Niemand hilft mir“ eingespielt…
DW: In unserer Pubertät haben wir seine Musik gehört und da „Niemand hilft mir“ sein Klassiker ist, war sehr schnell die Idee da, den Song mit ihm aufzunehmen. Außerdem schätzen wir gewisse Lyriker, wie eben Konrad Bayer, sehr. (Anm.: vom Schriftsteller, Lyriker und Theatermacher Bayer stammt der Text).
TP: Persönlich kennengelernt haben wir Ronnie Urini beim Protestsongcontest.
351 Personen sind der Facebook-Gruppe „b>Gega S’vaduz duz duz duz duz liad“ beigetreten. „Aber man tut’s in Vaduz“, heißt es in einem eurer Lieder, aber was man dort, was man in den umliegenden von euch genannten Orten nicht macht?
DW: Der Song gibt keine Antwort drauf, natürlich geben wir keine Antwort drauf! Das permanente Scheitern beim Interpretieren ist Teil des Planes! Na ok, es geht ganz einfach darum, mit den Lyrics den Beat von Bassdrum und Hi-Hat, das duz duz duz, umzusetzen. Die Idee dahinter war – weil unsere Texte ja seltener Geschichten erzählen, sondern wir Aufzählungen bevorzugen – ein Ortsverzeichnis der Bodenseegegend zu vertonen.
TP: Dass die Frage offen bleibt, ist natürlich auch ein Witz des Textes.
Habt ihr schon Angst vor eurem Auftritt in Vaduz im Mai? Es gibt ja mittlerweile eine Facebook-Gruppe, die köstliche Kommentare über euer Stück schiebt.
DW: Der Song wurde auf Radio Liechtenstein anscheinend sehr häufig gesendet, dann hat sich diese Gruppe formiert. Wir haben keine Angst, sie repräsentiert ja auch bloß eine Minderheit der Einwohnerschaft von Liechtenstein, nicht mal einen Prozent.
TP: Keine Angst, keine Angst, ne! Obwohl wir uns schon überlegt haben, Bodyguards mitzunehmen oder Doubles auftreten zu lassen, die die Schläge abkriegen. Wir sind jedenfalls sehr gespannt!
Sonstige Resonanz aus Liechtenstein?
DW: Gibt es eigentlich sehr viel. In einer Zeitung erschien schon ein Artikel über uns. Am 1. Mai spielen wir auf einem großen Event in Liechtenstein, wir werden dort von Radio Liechtenstein und den Tageszeitungen "Volksblatt" und "Vaterland" interviewt und der 1. FC Vaduz würde unser Lied gerne als Torhymne verwenden!
TP: Diese gegnerische Facebook-Gruppe ist ja nur eine Minderheit, mehrheitlich haben wir sehr positive Reaktionen aus Liechtenstein bekommen.
Zukunftspläne?
DW: Wir machen jetzt in drei Wellen kleine Touren: Erstens in Liechtenstein und der Schweiz, dann ein paar Termine in Deutschland und im Herbst soll’s dann eine kleine Tour in Österreich geben. Ab Herbst wollen wir an einer neuen CD arbeiten!
Das Album "Es wird schön gewesen sein" ist in Österreich bereits erhältlich und erscheint am 1.April auch in Deutschland via Monkey / Broken Silence.