Ohren aufgesperrt! Da kommt feinst handgemachter Pop mit dem speziellen Touch von Briten, die ihren Vertrag in Wien haben. Seltsam? Aber so steht es geschrieben.
Was war das doch für eine Zeit. Was für ein Gefühl. Madchester schwappt gerade rüber auf den Kontinent und bringt eine echte Wende im Verständnis des Pop. Der britische Rave verschmilzt mit der Attitüde der Harmonien. Der leere, nur mehr oberflächlich auf Hochglanz polierte Mtv-Trash bekommt neben dem Grunge eine weitere Antithese voller Lebensgefühl vor die Rille geknallt.
James um den famosen Tim Booth waren eine herzhafte Speerspitze dieser Bewegung. Spätestens mit dem Album „Gold Mother“ und den zugehörigen Remixes – die eigentliche Maxi-Single hatte ihre Metamorphose erlebt – war der Hype voll am Laufen. Preziosen wie "Come Home", "Lose Control" "How Was It for You?", "Born of Frustration", "Ring the Bells oder natürlich das unvermeidliche und schon deutlich organischere "Sit Down" schlugen in den Charts ein. Nochmals enorm erfolgreich und weniger der Elektronik zugewandt – vor allem in Übersee – war man mit „Laid“ während man mit dem brillanten "She’s a Star" vom siebenten Album trotz Hilfe von Brian Eno nur qualitativ einen letzten Höhepunkt feierte. Der Niedergang war schon inkludiert, die Trennung für den umtriebigen Tom Booth logisch. Eine Reunion konnte bislang nicht diese Dichte an Qualität erreichen.
Warum all diese Ausführungen über James, wenn es hier um Wolventrix geht? Weil die in London lebenden Briten um Mastermind Tom Walkden genau dort ansetzen, wo die Manchester-stämmigen James ihr Ende fanden. Es sogar auf hohem Level fortsetzen, in die Gegenwart heben, vielleicht sogar retten. Es ist dieser seelenvolle Pop mit dem nötigen Quentchen Wehmut, der am Horizont den Silberstreifen leben lässt. Zarte Streicher, lebhafte Bläser, eine fidele Band im dezenten Vorwärtsgang sowie exzellentes Songwriting zwischen Hymnen und Tearjerkers treffen sich nicht alle Tage. Umso erstaunlicher ist es, dass diese Herren, die sich beim Studieren in Oxford fanden, bei dem österreichischen Label Fabrique gelandet sind. Da wäre eine weitere Parallele, denn die Wiener Manufaktur firmierte besonders in ihren Anfängen ebenso primär im elektronischen Umfeld. Nun kommt nach langen Vorarbeiten mit EPs endlich die überfällige Finalisierung mit dem Album „Ours Till Dawn“. Der Mund ist nicht zu voll genommen, wenn man von einem großen Wurf für die geneigten Gehörknöchelchen spricht. Das ist durchgehend beste Ware und man darf gespannt, wie das Teil dies und jenseits der Themse aufgenommen wird. Ob die Herren auf gut im Rudern waren, ist übrigens nicht bekannt. Bislang. Denn man darf annehmen, dass Tom Walkden und seine Wolventrix noch ein paarmal zu ihrem erstaunlichen, gut abhangenen Erstling befragt werden.