»Der Dekadenz haben wir einen Preis verliehen.« Was für Falco damals bittere Realsatire war, ist für Kahlenberg purer Ernst. Ein Hoch dem Leben in Penzing!
Wien in seinen Klischees: das Morbide, das Grantige, das Schmähführen. Das hat der Hauptstadtpop jetzt so ziemlich durch. Das vielleicht schönste, wahrste Klischee – die Dekadenz – jetzt endlich auch. Dekadenz – das Stichwort für Kahlenberg! Bislang in anderen Projekten erprobt, machen die Nicht-mehr-Zwanziger aus Mercedes Penzing – und bitte nicht aus Beverly Hietzing – das Dolcefarniente mit Bussi-Bussi zu ihrem Ding.
Von der High Society geliebt
Nach dem großen Sommerhit »Bortolloti (Schoko Erdbehr Vnille)« aus dem Vorjahr ist auch das neue Video zu »Mozart«, das The Gap hier exklusiv vorstellen darf, genau das: Der Dekadenz wird da ein Preis verliehen. Mit der Kernaussage »Nicht jeder kann ein Mozart sein!« lehnt sich die Band direkt an ein Zitat des Wiener Prinzen und Hofnarren Udo Proksch an, ähnlich wie auch Jack Unterweger ein Sinnbild der Schickeria des 20. Jahrhunderts; wo du schnell aufsteigen kannst, aber auch umso schneller fallen. Gut, Proksch war ein verurteilter Sechsfachmörder – es ging dabei um Versicherungsbetrug –, den man mit seinem auf dem Gelände seiner Konditorei gegründeten »Club 45« zu Recht für das moralische Ende der Sozialdemokratie ab den 1970ern mitverantwortlich machen kann. Trotzdem musst mal von der High Society geliebt werden.
Auch Kahlenberg schicken sich an, die Schickeria wieder chic zu machen: So exerzieren die fünf Musiker (einer fehlt am Pressefoto) gefälligen verzerrten Pop – so genau kann man das Genre gar nicht benennen –, für den die fingierten Bläser durchaus auch mit Luftrüsseln aus Arschritzen inszeniert werden.
Zu den deppert-arroganten Texten hat Regisseur Markus Gasser, den du sonst vom Lieblingsspot aus der Glotze kennst, grandiose und brachiale Bildwelten erschaffen, die sofort im Kopf hängen bleiben. Wie sowieso alles an diesem Gesamtkunstwerk. Wie gut, das bald das fabulös betitelte Album »Dirty Penzing« erscheinen soll. Denn »Mozart« macht wie schon »Bortolloti (Schoko Erdbehr Vnille)« sehr schnell süchtig. Und das liegt nicht am weißen Zeug, das man sich dabei ins G’sicht schmieren will.
»Mozart« von Kahlenberg ist digital erhältlich. Das Debütalbum »Dirty Penzing« erscheint im Spätsommer – vorerst digital, später als limitiertes Vinyl. Live kann man die Band am 28. Juli 2018 beim Popfest bewundern: um 19.30 Uhr auf der Red Bull Music Stage.