Illbilly The K.I.T.T. frönt der hohen Kunst der tiefen Pointe. Umgekehrt wird aber auch kein Schuh draus.
Es ist mittlerweile auch schon wieder einige Jährchen her, es war in den 90er-Jahren um genau zu sein, da wurde im TV ein Bericht über einen Londoner Investmentbanker gesendet. Damals war die Dotcomblase noch lange nicht geplatzt und die Immobilienblase noch nicht einmal aufgepumpt. Man hatte als Bankier also viel Zeit, sich um andere Probleme zu kümmern, denn die Scheinchen flatterten an den Finanzplätzen der Welt nur so beim Fenster rein und wollten ebendort auch gleich wieder rausgeschmissen werden. Auf jeden Fall beschwerte sich der junge Banker im Bericht über seinen Bartwuchs und die morgendliche, nervenaufreibende Rasurprozedur. Für mehrere tausend Pfund ließ er sich daher alle störenden Haare im Gesicht weglasern, und er bejubelte vor allem den zeitlichen Gewinn, der dadurch entsteht.
Wie gesagt, das war vor mehr als zwei Jahrzehnten. Mittlerweile tragen Craftbierbraubauern und Offiziere des Heeres Vollbärte, und es wäre wohl als Akt der Rebellion zu werten, wenn man jetzt mit dem Laser seinem Follikelnachwuchs für immer ans Leder geht.
Ähnliches wie vom Londoner Finanzgenie hörte ich Jahre später übrigens von einer sehr extrovertierten Kollegin, die jedem und allen freimütig erzählte, dass sie sich ihre Yoni hat machen lassen. Ich dachte zuerst dabei an eine Labienkorrektur. Und dann sofort an eine Hymenrekonstruktion. Was weiß man, schließlich war die liebe Frau Kollegin mit einem steinreichen Unternehmer liiert, dem sie vielleicht zum Beziehungsjahrestag eine kleine, nicht alltägliche Freude bereiten wollte: »Du Hase, heute ist unser Zweijähriges. Ich hab da unten eine kleine Überraschung für dich hineinoperieren lassen. Wir werden uns wieder fühlen wie zwei 16-Jährige, die gerade der ersten Liebe zarten Flaum erkunden.«
Aber nö, nö, da war nix mit Flaum, denn sie ließ sich – schlimm genug – das Schamhaar wegbruzzeln, weil sie es satt hatte, immer mit scharfen Klingen herumfummeln und hantieren zu müssen, wie sie sagte.
Hase, das habe ich übrigens eben frisch auf der Labello-Website recherchiert, ist nach Schatz der beliebteste Kosename von Ihr für Ihn. 25 Prozent sagen das zu ihrem Partner, und ergo lassen sich 25 Prozent diesen Tiervergleich gefallen. Weitere beliebte Tiernamen unter Liebenden sind übrigens Spatz und Bär. Nicht durchgesetzt, da sie auf der Liste nicht aufscheinen, dürften sich demnach gefiederte Freunde wie der Uhu, Kuckuck, Eichelhäher und der Fitis haben. Aber auch Säugetiere wie die Ratte oder das Mangalitzaschwein scheinen keine Nickname-Burner zu sein.
Jedenfalls fiel mir dann sofort wieder der englische Investmentbanker ein, denn im gleichen Atemzug bejubelte die offenherzige Kollegin den Zeitgewinn durch die Rasurersparnis in ihrem Mumuland.
Ich versuchte über mehrere Wochen hinweg diskret im Freundes- und Bekanntenkreis zu klären, ob eine gewissenhafte Gesichtsrasur beim Mann oder eine gewissenhafte Intimrasur bei der Frau länger dauert – allein, es wurde mir irgendwann zu blöd, und ich sollte an dieser Stelle auch erwähnen, dass es nicht unbedingt ein Konversationsbringer ist, dieses Thema aufs Tapet zu bringen. Egal zu welchem Zeitpunkt, erntet man nämlich stets Blicke, die so in die Du-kleines-dreckiges-Mangalitzaschwein-Richtung gehen. Und zwar zu recht.
Was allerdings tatsächlich ein Thema zu sein scheint, ist der Wunsch nach Zeitoptimierung, wenn’s um den Körper geht. Und zwar abseits von stoppelfreien Gesichtern und glatten Scheiden.
So soll jetzt angeblich ein heimisches Start-up demnächst fett hochskalieren, da es ein Zahnputzset auf den Markt bringt, mit dem das Gebiss in lediglich zehn Sekunden so sauber wird wie nach drei Minuten gewissenhafter Schrubberei. Wenn nicht sogar noch sauberer.
Natürlich würde auch ich mir lieber statt mit Zahnseide meine Zwischenräume zu reinigen, einen Seidenschal durch den Schritt ziehen. Schon alleine, weil es hoffentlich nicht so blutig ist, aber dieses Start-up darf sich jetzt schon meiner absoluten Verachtung sicher sein, weil es die Welt schlechter machen wird.
Kaum wo sonst ist der Mensch so bei sich selbst, wie in den zwei Mal drei Minuten, in denen er sich seine Zähne putzt. Hier ist an Emotionen alles möglich. Freude, Angst, Schrecken, Schmerz, Staunen, Wundern. Ist es vorbei, hat man dann stets auch das Gefühl, etwas geschafft und geleistet, sich was Gutes getan zu haben. Und nicht selten kommen große Geister bei der Zahnhygiene auf noch größere Geistesblitze. Dichter dichten, Rechner rechnen, Philosophen philosphieren, Erfinder erfinden in dieser kleinen Zeitspanne. Thomas Alva Edison ist ja bekanntlich die Idee zur elektrischen Zahnbürste auch abends beim Zähneputzen bei Minute zwei, Sekunde 32 gekommen. Und warum? Er wollte etwas entwickeln, das Zähne und Mundhöhle »sauberer«, »cleaner« macht, wie der alte Fuchs in seinem Tagebuch einst notierte und dabei noch zusätzlich anmerkte: »Aber nur, wenn die vollen drei Minuten fertig geputzt werden.«
Aus gutem Grunde, denn sonst entsteht ein kleines Zeitvakuum, das viele Menschen nutzen, um vielleicht nicht so lässige Dinge zu tun. Partner Hase nennen zum Beispiel.
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