Yukno haben den Zeitgeist mit Löffeln gegessen: Ihr zweites Album »Im Stream der Zeit« bietet melancholische Elektronik für DigitalisierungsverliererInnen.
Die vermeintliche Entfremdung durch das Digitale war bekanntlich lange der Price of Zeitgeist. Die neuerdings zwangsläufige Vermenschlichung der Digitalisierung, der Always-On-Anschluss der Emotionen aller an die heimischen Netzgeräte, hat uns das Ernähren aus permanenten Livestreams gelehrt: Mit privaten Konversationen und dem Delektieren an kulturellem Kapital. Eine Zeit im Stream sozusagen oder eben: »Im Stream der Zeit«.
Dass sich Stubenberg’s Most Wanted, die bereits Anfang des Jahres mit ihrer EP »Land of Confusion« angeschrieben haben, den Puls am Stream der Zeit haben, ist auch schon länger bekannt: Zuerst haben die Gebrüder Nöhrer als Neodisco den Soundtrack für die Verlorenen an der Grenze von Nuller- und Zehnerjahren, zwischen Ecstasy und ECDS geballert und ihre griffigen Slogans in die Elisabethstraße im Grazer Univiertel gepisst. Als Yukno – nur stilecht mit stummem »K« – klingt das natürlich erwachsener, das zweite Debüt »Ich kenne kein Weekend« noch feierorientiert, Exzesspoesie und Vergammeln in der Afterhour.
Für das neue Album – eigentlich für die EP – fahren die Nöhrers nach Sansibar, vorher textet man sich Lines via WhatsApp, was die Kids halt so machen. Grindig verschmierter und geiler 80ies-Sound entsteht dort, zurückgezogene Experimente mit neuen Klängen, treibender House für Post-Stepper. Und wenn der Club aktuell doch bloß ein Non-Lieu sein darf, für Yukno ist er schon längst enthoben von seiner Räumlichkeit, der digitale Club als Treffpunkt der Entfremdeten eben. »Schick mich in den freien Raum/ und dann laden wir uns down./ Ihr seid wie ich und ich wie ihr/ wir sind digitalisiert«, heißt es etwa im Kernstück »Digital Playground«, das bei aller Elektronik den Pop-Appeal nie vermissen lässt. Generell machen sich die drei Buchstaben als Backdrop ausgezeichnet: Schließlich ist die Floortauglichkeit höchste Maxime, stets im Paartanz mit einer sphärischen Melancholie, quasi der Katerstimmung a priori. Denn schließlich kein Exzess ohne Regrets. Kein Digitalisierungsschub ohne Entfremdung, keine Vermenschlichung ohne Vereinsamung andernorts. »Im Stream der Zeit« ist kein monothematisches Konzeptalbum, aber eines mit Konzept. Es heißt: »Aktualität pur«.
»Im Stream der Zeit« von Yukno erscheint am 23. Oktober 2020 via Humming Records. Nächstes Österreichkonzert: 2. Juni 2021 im Porgy & Bess in Wien.