Coronabedingt findet imagetanz 2021 nicht im brut Wien, sondern online statt – als Emotional Support Festival. In ihrem Stück »Body of Knowledge – At Home« lässt die australische Theatermacherin, Regisseurin und lehrende Künstlerin Samara Hersch das Wiener Publikum per Telefon intime Gespräche mit Jugendlichen führen – über Sexualität, Scham und Sterblichkeit.
Dein Stück »Body of Knowledge«, das im Rahmen von imagetanz 2021 als Online-Performance zu sehen ist, wird als intimes Konversationsstück beschrieben. Kannst du uns sagen, wie die »At Home«-Version diese Konversation, diese Konversationen verändert – nicht nur formal, sondern auch in Bezug auf ihr Ergebnis?
Samara Hersch: Ursprünglich war Body of Knowledge ein Theaterstück, bei dem Jugendliche aus aller Welt per Telefon Gespräche mit Erwachsenen führten, die im Theater saßen. Die Teenager stellten dabei Fragen, die ihnen in Bezug auf den Körper und die Körperpolitik dringlich erschienen. »Body of Knowledge – At Home« ist immer noch auf diese Kernprinzipien ausgerichtet; allerdings sind nun alle bei sich zu Hause und in einem virtuellen Raum miteinander verbunden. Diese »At Home«-Version wurde während der Covid-19-Pandemie entwickelt, als eine Reaktion auf diese. Rund um den Körper und seine Beziehung zu anderen haben sich im vergangenen Jahr ganz klar neue Zuschreibungen hinsichtlich Risiko, Angst und Entfremdung entwickelt. Ich denke, dass das die Bedeutung, die Dringlichkeit der Gespräche, die junge Menschen im Moment führen wollen, steigert. Außerdem erinnert es uns daran, wie Theater uns dabei helfen kann, zu unserem Körper zurückzufinden und uns an unsere Verletzlichkeit zu erinnern, die uns mit anderen verbindet.
Sexualerziehung und das Wissen um den eigenen Körper spielen eine wichtige Rolle in deinem Stück. Aber auch unsere Teenagerjahre als eine aufregende und das Leben prägende Zeit. All das sind sehr intime und persönliche Themen, die auf die Bühne gebracht werden. Ist diese Dualität von Privatem und Öffentlichem ein Aspekt, der dich als Künstlerin besonders interessiert? Und wenn ja, warum?
Ja, ich bin daran interessiert, wie wir unser sozialisiertes Selbst darstellen und am Potenzial des Theaters, neue Beziehungsästhetiken aufzuzeigen und einen generationenübergreifenden Diskurs zu ermöglichen. Ich interessiere mich darüber hinaus für das transformative Potenzial von Gesprächen und dafür, was es bedeutet, zu fragen und gefragt zu werden. Ich denke, dass viele Menschen ihre Erfahrungen wirklich gerne teilen wollen, aber häufig nicht die Möglichkeit dazu bekommen, weil diese Art von »Wissen« nicht als bedeutsam oder wertvoll angesehen wird. Es scheint so, dass diese Gespräche gleichermaßen für das Publikum sind wie für die Jugendlichen.
Wie würdest du das Publikumserlebnis beschreiben, das »Body of Knowledge« zu bieten hat?
Es gab in der Vergangenheit Reaktionen von Zuschauer*innen (und Teenagern), die diese Begegnung sehr berührt hat. Ich denke, es hat etwas Spielerisches und Überraschendes, aber es geht dabei auch grundlegend um das Thema Verbindung, darum, was es bedeutet, in der heutigen Welt über große Distanzen hinweg zusammen zu sein. Und es geht darum, was es bedeutet, wirklich zuzuhören.
Wie fügt sich das Stück inhaltlich und formal in dein Gesamtwerk ein?
In meiner Arbeit geht es oft um den Dialog zwischen den Generationen sowie um die Umkehrung und Neupositionierung von Wissenssystemen. Hinter einer meiner früheren Arbeiten, »Sex and Death«, einer Begegnung unter vier Augen mit einer Person in ihren 80ern, stand die Absicht, Stigmata rund um alternde Körper zu entlarven. Eine andere frühere Arbeit »We All Know What’s Happening« war formal eine Art Geschichtsunterricht, gehalten von Kindern für Erwachsene, und zeigte auf, wie kollektives Wissen konstruiert und manipuliert wird, um andere Geschichten zum Verstummen zu bringen und zu verhindern, dass sie gehört werden.
Abschließend, weil du das das Publikum für »Body of Knowledge« selbst auch fragst: Was waren deine Lieblingssongs als Teenager?
Damals war ich besessen von Lauryn Hills »Doo-Wop (That Thing)«, von Fiona Apples »Criminal« und von Radioheads »Karma Police«.
»Body of Knowledge« von Samara Hersch feiert im Rahmen von imagetanz 2021 seine österreichische Erstaufführung – dank Corona in der Online-Version »At Home«. Die Aufführungstermine lauten: Fr., 12. März, So., 14. März, Fr., 19. März, Sa., 20. März und So., 21. März. Das Festival imagetanz 2021 läuft noch bis So., 28. März. Nähere Infos sowie Tickets sind unter www.brut-wien.at erhältlich.
Dieser Beitrag ist in Kooperation mit brut Koproduktionshaus Wien entstanden.