Das Seidl-Shakespeare-Mash-Up des Bernhard Ensembles schafft ein gekonntes Mosaik, in dem die Grenzen zwischen Räumen, Texten und Figuren verschwimmen. Die Liebeswirrungen und Puck’schen Tricksereien aus »Ein Sommernachtstraum« wirken wie der natürliche Rahmen für Seidls »g’schissenes« Wien aus »Hundstage«.
Zugegebenermaßen bin ich mit etwas Bauchweh in »Sommer Hunds Traum«, die neue Inszenierung des Bernhard Ensembles, gegangen. Nachdem ich mir als Vorbereitung Ulrich Seidls »Hundstage« angeschaut hatte, war ich mir nicht sicher, was mich hier alles erwarten wird. Doch nach einem durch und durch spannenden und humorvollen Abend kann ich mit gutem Gewissen sagen: Das hier ist gelungen g’schissen!
»Sommer Hunds Traum« erzählt in einer Aneinanderreihung von Schnappschüssen die Geschichte einer Gruppe fehlerhafter Personen, die scheinbar nur existieren, um sich gegenseitig wehzutun. Anna/Puck hat dabei alle Fäden in der Hand und entführt die Figuren in den Wald Shakespeares, wo sie ihre wildesten (sexuellen) Fantasien ausleben können, um geläutert zurückzukehren.
Viele der Momente, deren Umsetzung auf einer Bühne mir im Vorfeld Sorge bereiteten, werden geschickt gemeistert. Durch Auslassung, Verfremdung oder starke Überzeichnung werden unschöne Stellen gekonnt umschifft. Eine der unangenehmsten Szenen des Films wird etwa in Form einer Ein-Mann-Show zum Shakespear’schen Stück im Stück. Viele Momente der Gewalt werden auch tänzerisch-choreographisch gelöst. Die Emotion bleibt so erhalten, aber übertragen auf eine weniger explizite Darstellungsform. Trotzdem nimmt sich diese Inszenierung kein Blatt vor den Mund. In der Mischung aus Seidl und Shakespeare entsteht eine ganz eigene Sprache, die zwischen dem tiefen Wiener Dialekt und dem hohen Bühnendeutsch tanzt. So ist es keine große Schwierigkeit, die Shakespeare-Zitate zwischen den Seidl-Texten und den Improvisationen zu erkennen. Auch ein paar Parallelen zur aktuellen »Sommernachtstraum«-Inszenierung im Burgtheater lassen sich finden.
Ein wahres Sprach-Spiel!
Nicht nur die Grenzen zwischen den Texten, auch jene zwischen Publikum und Ensemble verschwimmen im Off-Theater während der Produktion. So wird eine meiner Freundinnen gar vor Stückbeginn kurz mit auf die Bühne genommen. Und ein Überraschungsauftritt aus dem Publikum sorgt nach einer halben Stunde erst einmal für viele Fragezeichen. Publikum und Bühne, Wald und Baumarkt, Zauber und Realität, Shakespeare und Seidl fließen ineinander. Wie wenn man zwei Puzzles nimmt, sie mischt und dann wild durcheinander zusammensteckt: Das Ergebnis zeigt keines der Bilder der beiden Vorlagen, sondern etwas Neues und höchst Amüsantes.
Seidls Wien in Shakespeares Wald
Die Fäden, die zwischen den verschiedenen Texten und Figuren gespannt werden, sind von Beginn an da, aber werden erst nach und nach erkennbar. Mitunter auch, weil man (oder zumindest ich) ständig auf die Suche nach Zitaten ist, um einen Umriss des Ausgangsmaterials zu erahnen. Inmitten des ganzen Chaos: Anna/Puck, die das Knäuel am Ende genauso anstrengungslos entwirrt, wie sie es zu Beginn verknüpft hat. Die Figuren kehren in ihre Realität zurück, die frei von Feenwesen und seltsamen Wurst-Orgien ist. Der Deckel wurde vom überkochenden Topf genommen, der Stress konnte ausbrechen. Aber man merkt, das Wasser ist noch immer nicht ganz abgekühlt. Es brodelt weiter.
Vielleicht war das alles aber auch nur das Stück der Handwerker im »Sommernachtstraum« und wir das Athener Publikum, das von der Truppe für knapp zwei Stunden mit vielen Zitaten, Referenzen, Scherz und Schmäh laut zum Lachen gebracht wurde.
»Sommer Hunds Traum« vom Bernhard Ensemble ist noch bis 11. Mai jeden Dienstag, Freitag und Samstag im Off-Theater zu sehen.