Am Ende des ersten Tages von Lido Sounds 2024 spielten Kings of Leon gegen die Zeit an – und zeigten warum sie live immer noch besser sind als auf Platte.
Kommen sie noch? Nachdem The Kooks ihr Set pünktlich – und mit bester Stimmung –beendet hatten, begann das Warten. Länger als gedacht. Die Gewitterwolken und etliche Donauschiffe kamen und zogen am Lido-Sounds-Festivalgelände in Urfahr in Linz vorbei. Der Regenguss, der nachmittags für eine einstündige Unterbrechung sorgte, verschonte uns abends. Aber Regen gehört ja zu Open-Air-Festivals dazu, oder? Erst nach 90 Minuten, 30 Minuten später als geplant, erklangen die ersten Riffs von »Ballerina Radio«, der Opener des neuen Albums »Can We Please Have Fun«. Ein guter Einstieg in einen schnellen, energiegeladenen Abend. »We play faster, so we can play more songs«, sagt Caleb Followill (Leadgesang, Gitarre) sichtlich gut gelaunt zu Beginn. In gewohnter Formation startet er mit seinen Brüdern Jared (Bass, Backgroundgesang) und Nathan Followill (Schlagzeug, Backgroundgesang), dem Tempo gebenden Railjet des Abends, und Cousin Matthew Followill (Leadgitarre, Backgroundgesang) ein Best-Of-Liveset. Die rund 13.000 Besucher*innen dankten es den Kings of Leon.
Live geht’s vorwärts
Das aktuelle, eher mittelmäßig rezensierte neunte Studioalbum war mit fünf Songs bei Lido Sounds gut vertreten. »Nowhere to Run«, »Mustang« – hier brillierte Caleb Followill stimmlich, und es ist auch der Song, der am ehesten an die Höhen von »Sex on Fire« heranreicht – , »Seen« und «Nothing to Do«, das mit treibendem Bass den guten Livesound unter Beweis stellt und eindeutig als eine Verneigung vor den Pixies interpretiert werden kann. Eindrucksvoll und eindringlich bewies die Band live, dass sie sich vorwärts bewegt, ohne ihre Wurzeln zu vergessen.
Das 2008er-Album »Only By The Night« war ebenfalls mit fünf Songs vertreten. Völlig zurecht denn Kracher wie »Closer«, »Use Somebody«, »Manhattan«, »Revelry« und »Sex On Fire« durften natürlich live nicht fehlen. Letzteres sorgte in dieser ungewöhnlich weit vorne im Set befindlichen und auffallend flott gespielten Version für eine überraschende Abwechslung. Die Menge stimmte schmetternd mit ein und übernahm ein wenig selbst den Leadgesang – ein frühes Highlight des Abends.
Gegen die Zeit anspielen
Generell wurde alles speedy gespielt und mit kraftvollen Gitarren-Riffs, die den Linzer Nachthimmel angenehm rockig durchschnitten, wurde versucht, die Verspätung aufzuholen. Gegen die Zeit anspielen sozusagen. Ob sich das neue Album im Laufe der Zeit so bestätigt wie die frühen Alben, wird sich zeigen. Den Frust, den die Kings of Leon mit ihrem alten Label RCA hatten, wollten sie mit »Can We Please Have Fun« wegwischen – das gelingt ihnen teilweise. Live aber ist die Band sowieso immer über ihre Studioversionen hinausgewachsen.
Die Performance wurde von dezenten, aber ästhetisch wirkenden Videos mit teilweise Retrocharme und einer stimmungsvollen Lichtshow umrahmt. Ein Pluspunkt, denn so stand die Musik im Vordergrund und wurde visuell gut ergänzt. Mit Texteinblendungen im Karaoke-Stil wurde zum Mitsingen animiert, was allerdings nur bei den großen Hits gelang.
Encore im Rückspiegel
Die Stimmung wurde immer besser, je weiter weg sich die Gewitterwolken verzogen und je näher die 23-Uhr-Deadline kam. Doch über dem Abend hing die Verspätung wie ein nicht zu überhörender Countdown. Etliche Fans, die aus Wien per Bahn angereist waren, wollten den letzten Railjet vor Mitternacht erwischen, und so strömten kleine Massen bereits bei den letzten Nummern Richtung Bahnhof. Aus Zeitgründen wurden die als Zugaben geplanten Songs »Seen«, »Waste a Moment« und »Use Somebody« ohne einen Moment zu verschwenden sofort an die eigentliche Setlist angehängt. »To save time and play all the songs«, so Caleb Followill. Sozusagen im Rückspiegel hörten wir die Encores eines alles in allem gelungenem Konzertabends. Und: Yes, we had fun!
Kings of Leon spielten am Donnerstag, 27. Juni, am Ende des ersten Tag des Lido Sounds 2024.