Mörder in Regenmänteln – »Funny.Brandstifter« vom Bernhard Ensemble

Im neuesten Mash-up des Bernhard Ensembles verschmelzen Michael Hanekes »Funny Games« und Max Frischs »Biedermann und die Brandstifter« zu einem Diskurs darüber, was eigentlich die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sind.

© Nadine Melanie Hack

Ein karg ausgestattetes Wohnzimmer erwartet das Publikum im Bühnenraum. Weiße Möbel, zwei Lampen, ein riesiger Teppich. Wer die beiden Ausgangstexten dieses Bernhard-Ensemble-Mash-ups kennt, ahnt, was bald kommen wird. Doch zunächst finden sich die Zuschauer*innen auf ihren Plätzen ein. Zwischen den Stühlen tapst Kajetan Dick herum. Als eine Art Stellvertreter für das Publikum wird ihm an diesem Abend noch eine wichtige Rolle zuteilwerden, nämlich zu fragen: Warum macht ihr das alles? Aktuell entfernt er allerdings nur den nicht so recht zur restlichen Bühne passenden Feuerlöscher. Dann markiert energische Techno-Musik – in Anlehnung an »Funny Games« – den Start der Produktion.

Der folgende Auftritt der Familie Biedermeier – bestehend aus Babsi (Yvonne Brandstetter), Sigfried (Ernst Kurt Weigel) und Kind Gigi (Ylva Maj) – ist bizarr. Alle sind in hellgrauem Gewand gekleidet, bewegen sich und sprechen wie in Zeitlupe. Babsi führt ein Messer mit sich. Sigfried setzt sich bald zum Häkeln mit einer übergroßen Wolle hin. Gigi – so wird auf der Bühne ausgehandelt – ist nicht nur Kind der Familie, sondern auch der Hund. Und dieser schlägt bald schon Alarm, denn im Garten steht ein fremder Mann im Regenmantel.

»Funny-Brandstifter« (Bild: Nadine Melanie Hack)

Ein Nackenhaare-aufstellendes Grinsen

In den Bühnenraum spaziert sodann Karl (Christian Kohlhofer) – mit einem unheimlichen Grinsen und auf der Suche nach vier Eiern. Anders als die Familie spricht er rascher, in regulärem Tempo. Sofort ist klar, dass er die Familie ins Ungleichgewicht bringt, etwas in ihr aufrüttelt. Zwischen der gut situierten, bürgerlichen Familie Biedermeier und Karl (sowie später Billy), findet eine Aushandlung von korrektem Sprachgebrauch statt. Dabei ziehen die aufgeklärten, feministischen, progressiven Biedermeier eine klare Grenze zwischen sich und ihren Gästen. Immer noch sprechen sie überspitzt langsam, während ihre Gäste Karl und Billy (Sophie Resch) nach und nach den Bühnenraum für sich einnehmen. Das Publikum wird dabei oft direkt angesprochen und so eine Parallele zu den Brüchen der vierten Wand in »Funny Games« gezogen. Damit werden die Zuschauer*innen auch in die Verantwortung genommen, warum sie sich so etwas überhaupt ansehen.

»Funny-Brandstifter« (Bild: Nadine Melanie Hack)

Meine Erwartungshaltung bei Produktionen des Bernhard Ensembles ist mittlerweile hoch und ganz wurde sie diesmal nicht erfüllt. Der Abend zieht sich an manchen Stellen, während man auf die sich langsam aufbauende Eskalation wartet. Dennoch schafft die Inszenierung es mit ausgeklügelten Tanzeinlagen, spannenden visuellen Bildern, schauspielerischem Können und dem ständigen Puzzlespiel der Zitatsuche, in den Bann zu ziehen. Zum Schluss bleibt vor allem die eingangs erwähnte Frage: Warum macht ihr das alles? Spielen als Schauspieler*innen. Zuschauen als Publikum. Und die Frage, wo denn eigentlich die Brandstifter geblieben sind.

»Funny.Brandstifter« ist noch bis zum 30. November 2024 im Off-Theater Wien zu sehen.

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