Geburtstagsparty mit Kultstatus – FM4 feiert den 30er in der Ottakringer Brauerei

© Alexander Galler

Wenn Ende Jänner wieder vor der Ottakringer Brauerei die große gelbe Gummiente prangt dann wissen viele sofort: FM4 feiert Geburtstag. Und dieses Jahr sogar einen runden. 30 Jahre lang sendet der »junggebliebene« Radiosender nun schon in Österreich und mischt nach wie vor kräftig mit in der heimischen Musiklandschaft. Gefeiert wurde vielleicht sogar noch einmal etwas ausgelassener als in den vergangenen Jahren, sei es aufgrund des Jubiläums oder aufgrund der immer wieder in den Raum geworfenen Existenzbedrohung des alternativen Radiosenders. Jedenfalls bestätigt FM4 einmal mehr den Fakt, dass sie wissen, wie man eine gute Party schmeißt. Und in dem industriell geprägten, verwinkelten Gebäudekomplex der Ottakringer Brauerei hat sich hier bereits zum elften Mal in Folge eine Location bewährt.

Bereits vor dem Einlassstart um 20 Uhr bildete sich eine Traube an Menschen vor den großen Toren zur Brauerei. Das Event ist lange ausverkauft, das Publikum gut durchgemischt. Als sich die drei Floors – Keller, Wohnzimmer und Badezimmer – langsam füllen sieht man jüngere und ältere Besucher*innen ihren Abend planen. Denn die insgesamt 18 Programmpunkte erfordern eine gewisse Koordination im Vorfeld. Oder man lässt sich treiben, auch das ist am Geburtstagsfest problemlos möglich. »Meine Mama und ich kommen jedes Jahr gemeinsam her, das hat bei uns Tradition«, erklärt eine gut gelaunte Mitte 20-jährige Besucherin, während auf der Bühne gerade die FM4 Happy Hour Stand-up Show läuft. Tereza Hossa erzählt von linken Männern, die dir mansplainen wo die Klitoris ist, während Der Kuseng und Christina Kiesler in nostalgischen Erinnerungen an 30 Jahre FM4 schwelgen.

Platz für musikalischen Nachwuchs

Parallel dazu eröffnet bereits die erste Liveband des Abends das Wohnzimmer, also den großen Raum im Obergeschoss der Brauerei, in dem heute Nacht noch Anda Morts und die Antilopen Gang performen werden. Ben Clean spielt trotz früher Stunde bereits vor einem großen und gut gelaunten Publikum. Junge Band, toller Sound und tolles Outfit. Ben Clean kennt ihr vielleicht von den unzähligen Stickern, die sich in den letzten Monaten im Wiener Stadtbild verbreitet haben. Von ihm bekommen wir in den nächsten Jahren vielleicht noch einiges zu hören.

Durch die große Eingangshalle tönt es »Hallo FM4, alles Gute zum Geburtstag«. Hier befindet sich heute Abend die Keller Bühne. Auf dieser steht Kässy mit ihrer Gitarre und liefert, unterstützt von Schlagzeug und Keyboard eine fetzige Show. Die Bühne befindet sich unter dem Balkon, von dem aus man die tanzende Crowd, nicht aber die Bühne direkt beobachten kann. Das erzeugt, trotz riesengroßer Halle fast schon ein intimes Clubfeeling und gepaart mit einer tollen Lichtshow zieht Kässy viel Aufmerksamkeit auf sich und ihre Musik. Diese stammt unter anderem von der kürzlich erschienen EP »I’m Going Somewhere Better Later«. Vorne wird bereits getanzt, hinten und seitlich vor der Leinwand, die einen Blick für alle auf die Bühne bietet, wird fleißig mit den Köpfen genickt.

Die Brauerei füllt sich und auch an den Bars sowie bei den Flippertischen und Tischkickern zwischen Keller und Wohnzimmer wird abgehangen, gelacht, gefeiert. Generell kann man FM4 zu Gute halten, dass sie wie immer für ein tolles Rahmenprogramm gesorgt haben. Im Badezimmer gibt’s ein Glücksrad und zum Verschnaufen Sitzgelegenheiten im Raum hinter der Hauptbühne, in dem die Acts auch per Videoübertragung verfolgt werden können.

Alle wollen zu Anda Morts

Von der Chill-out-Area, vorbei an Süßigkeiten, die zur freien Entnahme an die Wände gepickt sind, geht es ins Badezimmer zu Brockhoff. Hier steht die Luft bereits ordentlich, der Stimmung tut das nichts ab. Brockhoff begeistert mit einem tollen Live-Gitarrensound, der manche Songs in einem Moment verträumt und »Indie« klingen lässt und im nächsten Augenblick wieder an klassischen Rocksound erinnert.

Das Publikum freut sich und viele treten im Anschluss den Weg hinüber zu Anda Morts an. Das ist jedoch leichter gesagt als getan, denn um 22:20 Uhr möchte gefühlt jede*r einen Platz im bereits gut gefüllten Wohnzimmer ergattern. Anda Morts beginnt zu spielen und alle die jetzt noch nicht drin sind dürfen mit teils langen Wartezeiten auf den Stiegen rechnen. Das führt zu verärgerten Blicken der Wartenden. Immerhin dürften viele ihr Ticket auch für Anda Morts und die Antilopen Gang gekauft haben, am Ende nicht reinzukommen wäre ärgerlich. Ungeachtet dessen spielt Anda Morts ein tolles Set und wer den Linzer noch nie live gesehen hat (wärmste Empfehlung an dieser Stelle), der findet schnell heraus, wie schön punkig und schnell gespielt die Songs live klingen. Die Ottakringer Brauerei bietet einen industriellen, fast brutalistischen Charm, der bei solchen Acts besonders zum Vorschein kommt.

Schließlich ist es halb 12 und nach einer kurzen Umbaupause betreten Danger Dan, sein Bruder Panik Panzer, sowie Koljah die Bühne zu »Junimond« von Rio Reiser. Wer die Rapcrew Antilopen Gang kennt, der weiß, dass Punkrock immer schon eine gewisse Rolle bei ihren Liveshows und auch in ihren Texten einnimmt. »Den Punkern zu Rap, den Rappern zu Punk«, feiert sich die Gang mit einer guten Prise Selbstironie durch den Abend. Die Songs vom im vergangenen September erschienen Album kommen gut an und das moshende Publikum ist textsicher. Im Rahmen der Zugabe singt das Wohnzimmer, begleitet von Danger Dan am Klavier, dem Radiosender FM4 ein Ständchen. Für die ersten Reihen gibt es Kuchen. Den vielgewünschten Song von der Kunstfreiheit bekommen wir übrigens heute Abend nicht zu hören, dafür aber eine kurzweilige Setlist aus alten und neuen Hits der Gang, etwa auch eine Punkrockversion von »Pizza«.

Als sich ein schwitziges Wohnzimmerpublikum langsam in Richtung der zahlreichen Bars bewegt, tönen aus dem Untergeschoss bereits erste Töne des DJ Sets. Unter dem Motto »Party like it’s 1995!« erwartet den tanzwütigen Rest vom Fest eine ordentliche Prise Nostalgie bis in die frühen Morgenstunden. Denn obwohl die Livekonzerte nun vorbei sind wird auf allen drei Floors weiter Party gemacht und das FM4 Geburtstagsfest erlebt einen tollen Ausklang auf dem großen Gelände der Ottakringer Brauerei. Man darf hoffen, dass es zum nächsten Geburtstag – genauso ausgelassen – weitergeht.

Was sich musikalisch bei FM4 über die letzten drei Jahrzehnte verändert hat, haben wir in unserer letzten Coverstory ausgeleuchtet. Alle unsere weiteren Storys zu FM4 findet ihr hier. Der Stream der FM4-Seundung zum Geburtstagsfest lässt sich hier nachhören.

FM4 Geburtstagsfest (© Alexander Galler)

FM4 Geburtstagsfest (© Alexander Galler)

FM4 Geburtstagsfest (© Alexander Galler)

FM4 Geburtstagsfest (© Alexander Galler)

Teresa Hossa (© Alexander Galler)

Tereza Hossa (© Alexander Galler)

Dalia Ahmed (© Alexander Galler)

Dalia Ahmed (© Alexander Galler)

Auf der nächsten Seite gibt es weitere Bilder von Kässy, Brockhoff, Anda Morts, Avec und Antilopen Gang vom FM4 Geburtstagsfest.