Der Theaterabend »Hell, Girl!« ist eine Reise ins Ungewisse: Beim Roadtrip einer Freund*innengruppe sitzt das Publikum am Steuer und entscheidet über den Spielverlauf. Wohin geht’s heute Abend?
Drei junge Menschen um die zwanzig – Mirjana (Hannah Darabos), Benjamin (Etienne Lestrange) und Thea (Kaisa Pušnik) – sitzen im Auto und fahren. Aber wohin eigentlich? Ab in die Steiermark! Oder doch lieber nach Slowenien? Die Meinungen sind gespalten. Hinter ihnen zieht eine animierte Landschaft vorbei, der projizierte Rückblick aus dem Auto. Ohne Nachdenken sind sie eingestiegen und losgefahren, denn der ganze Sommer liegt vor ihnen. Neben mir wird gemurmelt: »Das ist ja wie in diesem Buch ›Tschick‹.«
Auf so einer Reise kann eigentlich alles passieren, oder? Jetzt muss aber erst einmal entschieden werden, wohin es gehen soll. Es wird also eine Münze geworfen und … An dieser Stelle unterbrechen die Schauspieler*innen ihr Spiel und die Geschichte: Die Entscheidung wird nicht dem Zufall überlassen, sondern dem Publikum.
On the Road Again
Was danach passiert ist nur eine der vielen Möglichkeiten, die die Produktion »Hell, Girl!« vom Theater Foxxfire! bereithält. Als das Auto in der Dunkelheit gegen etwas (oder jemanden?) fährt, stellt sich gleich die zweite spielentscheidende Frage: Jetzt einfach weiterzufahren oder aber bei Regen und Dunkelheit in den Wald gehen und nachschauen, was das war? Am Premierenabend manövrieren wir uns ziemlich schnell in eine Sackgasse und landen in einem horrorfilmartigen Setup: Ist Benjamin »The guy who dies first«?
Da die Figuren an diesem Punkt bereits in großen Schwierigkeiten stecken wird die Geschichte unterbrochen und eine neue Möglichkeit angeboten: Nochmal alles auf Anfang. Was wäre, wenn wir an einer Stelle im Spiel anders abgebogen wären? Statt in der Steiermark oder in Slowenien landen wir beim zweiten Versuch in Italien. Soll sich am Strand eine Liebesgeschichte entspinnen? Hat Mirjana einen Crush auf Benjamin? Am Premierenabend war die Antwort eindeutig: »Yes please!«
Keine Qual der Wahl
In der Uraufführung von »Hell, Girl!« – mit dem vielsagenden Untertitel »Ein Stück. Viele Möglichkeiten« – werden die persönlichen Entscheidungsprozesse der Figuren durch die vielen Publikumsinteraktionen zur gemeinsamen Sache. Dabei stellt sich jedoch auch die Frage, inwiefern eine Wahl zwischen gut und besser (oder zwischen dem größeren und dem kleineren Übel) überhaupt selbstbestimmt sein kann. »Hell, Girl!« ist jedenfalls ein Abend, der die Unwiederholbarkeit von Theateraufführungen betont und deren Einzigartigkeit unterstreicht.
Das interaktive Schauspiel »Hell, Girl! – Ein Stück. Viele Möglichkeiten« hatte am 14. November 2025 am Dschungel Wien Premiere. Der Abend für alle ab dreizehn ist ab dem 28. Jänner 2026 wieder zu sehen.
Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit dem Dschungel Wien entstanden.
