Alle Jahre wieder blickt unsere Redaktion auf die popkulturellen Highlights der letzten zwölf Monate zurück. Mit streng subjektivem Blick. Was Johanna Hellmich aus 2025 besonders in Erinnerung bleiben wird, könnt ihr hier nachlesen.

Dieses Jahr habe ich fast schon im Theater gelebt. Bei den über siebzig Theaterproduktionen, die ich gesehen habe, ist eine Auswahl der besten zehn ziemlich schwierig – aber zum Glück nicht unmöglich. Alles vergeht derzeit so schnell, ist so hektisch, aber wenn ich im Theater sitze, komm ich für ein paar Stunden zu einer gewissen Ruhe, zum Denken, zum Schauen, ohne den Impuls, gleich zum Nächsten zu springen. Musik hat mich dieses Jahr aber auch sehr viel begleitet. Vor allem unterwegs, wenn ich in der Straßenbahn sitze und einfach aus dem Fenster schauen will. Ich habe dabei wiederentdeckt, wie schön es ist, Musik in Form von Alben zu hören. Deshalb hier meine Top 5 Alben, die ich dieses Jahr gehört habe.
Top 10 Theaterinszenierungen des Jahres
10. »Glapion Effekt«, Theaterfestival Hin und Weg
»Glapion Effekt« von der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch war der Grund, warum ich halb spontan diesen Sommer zum Hin und Weg Theaterfestival in Litschau gefahren bin und dort im Zelt übernachtet habe. Es hat sich ausgezahlt! Eine wirklich einzigartige und schauspielerisch beeindruckende Performance.

9. »Klinik«, Theater Drachengasse
Die zweite Soloperformance von Melike Yağız-Baxant, die ich in der Drachengasse gesehen habe (die erste war mein Theaterhighlight 2024) und auch diesmal ein unglaublich starker und unterhaltsamer Abend. Erneut hat mich die Verkörperung der unterschiedlichen Personen begeistert. »Glückskind« im letzten Jahr fand ich zwar insgesamt packender, ich bin aber auch mit sehr hohen Erwartungen in die diesjährige Performance gegangen.

8. »Killing Carmen«, Volksoper Wien
Als Vorbereitung auf »Killing Carmen« von Nils Strunk, Lukas Schrenk und Gabriel Cazes in der Volksoper, habe ich mir auch die klassische Inszenierung in der Volksoper angesehen (super Marketing-Strategie!). Bin mit sehr viel Frust aus dieser Inszenierung gegangen, nur um dann genau diese frustrierenden Aspekte der Geschichte in “Killing Carmen” aufgearbeitet zu sehen. Neben der packenden Atmosphäre, in der die Geschichte Carmens erzählt wird und der coolen Musik, habe ich bewundert, wie mitreißend man diese Geschichte auch im kleinen Rahmen gestalten kann.

7. »Shaytan«, Kosmos Theater
Eine weitere Soloperformance, diesmal im Kosmos Theater. Shahrzad Nazarpour hat einen neuen Fan bekommen! Absolut stark und witzig und meisterhaft, wie sie die Aufmerksamkeit und Begeisterung des Publikums gehalten hat. Sehr pointierte Stellen und Sätze, die mir noch lange danach durch den Kopf gegangen sind!

6. »Opernball«, Rabenhof Theater
Sogar zwei Mal dieses Jahr habe ich mir »Opernball« von Stefanie Sargnagel im Rabenhof angesehen. Lustig, bissig, musikalisch köstlich (über dieses Stück habe ich eines meiner Top 5 Alben dieses Jahres gefunden). Das Bühnenbild wurde zu Recht für einen Nestroy-Preis nominiert, diese Blumenkleider sind einmalig. Und immer, wenn man glaubt, es geht nicht mehr, wird noch was draufgesetzt!

5. »No Yogurt for the Dead«, Wiener Festwochen
Tiago Rodrigues Stück im Rahmen der Wiener Festwochen hat mich beinahe zum Weinen gebracht. Einerseits die berührende Geschichte über einen Vater, der im Krankenhaus im Sterben liegt. Aber auch die Geschichte der Krankenschwester, die nur für die Dauer einer Zigarette an die Verstorbenen denkt, bevor sie zurückkehrt, um sich um die Lebenden zu kümmern. Und dann noch der herzzerreißende Fadogesang; die sich immer wieder anders wiederholenden Todesszenen; das Gefühl, jedes Mal beim Verlassen des Spitals den Tod zu antizipieren. Ich hatte Gänsehaut.

4. »Schachnovelle«, Burgtheater
Nach der »Zauberflöte. The Opera but Not the Opera« von Nils Strunk und Lukas Schrenk musste ich auch die Schachnovelle dieses Duos im Burgtheater sehen und wurde mit einer großartigen Performance belohnt. Tickets zu bekommen ist leider sehr schwierig, deshalb muss ich auf mein zweites und drittes Viewing noch warten. Aber auch diesmal hat mich die Genialität der Umsetzung begeistert: Die Schachfelder, die Klaviertasten, Zug um Zug auf dem Brett sowie in der Musik. Die Schachnovelle ist sowieso eine meiner liebsten Geschichten und sie so auf der Bühne zu sehen, hat mich sehr berührt.

3. »Perzen. Triomf Van Empathie«, Wiener Festwochen
Ebenfalls im Rahmen der Festwochen habe ich diese Produktion von Chokri Ben Chikha gesehen. Die Beschreibung des Stückes hat sich sehr vage angefühlt, bloß Andeutungen des »Israel-Palästina-Konflikts«, im Vordergrund steht das griechische Drama »Die Perser«. Die tatsächliche Performance hatte jedoch genau den umgekehrten Fokus: Aufgrund einer generellen Zensur in dieser Welt wird die Erarbeitung einer Inszenierung von »Die Perser« im Tanzunterricht zum Ausgangspunkt für Diskussionen über Imperialismus, Kolonialismus, militärische Gewalt und Machtfiguren. Die Empathie überlebt, aber sie alleine reicht nicht aus: »Is it enough to have an Israeli and a Palestinian dancer together on stage?«

2. »Lotfullah und die Staatsbürgerschaft«, Burgtheater Vestibül
Ebenfalls zweimal dieses Jahr habe ich diese großartige Inszenierung im Vestibül von bzw. mit Magdalena Knor, Lotfullah Yusufi, Marie Theissing und Anna Manzano gesehen. Ich bin da drinnen gesessen und habe mir ehrlich gewünscht, das Stück würde noch Stunden so weiter gehen. Der Rhythmus ist absolut mitreißend, die Geschichte zum Mitfiebern sowie zum Fluchen auf die österreichische Bürokratie. Die Dynamiken des Ensembles sind äußerst clever umgesetzt, die musikalischen Einlagen großartig. Eine spannende Erfahrung, beim zweiten Mal mit einer sehr lauten Schulklasse drinnen zu sitzen und mitzuerleben, wie dieses Stück auf sie wirkt und wo es sie abholt.

1. »Fräulein Else«, Volkstheater
Mein Platz eins muss diesmal wieder an eine Nestroy-Preis-Gewinnerin gehen: Julia Riedler hat mich in ihrer und Leonie Böhms Version von Arthur Schnitzlers »Fräulein Else« komplett umgehauen. Diese Performance sollte meiner Meinung nach jeder Mensch zumindest einmal sehen. Nicht nur der höchst aktuell umgearbeitete Text sowie die Meisterhaftigkeit, mit der Julia Riedler jede Figur auf der Bühne verkörpert, beeindrucken, sondern auch die Souveränität, mit der sie mit dem Publikum interagiert und es in die Verantwortung zieht. Selten habe ich ein so gekonntes, selbstbewusstes und mitreißendes Spiel erlebt.

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