Das DJ-Duo Groove Armada hat sich mit dem erstaunlichen „Black Light" samt Gaststars neu als Band definiert und macht nunmehr besten elektronischen Pop. Tom Findlay nahm sich Zeit für Reflektionen.
Groove Armada haben in den letzten Jahren einige Barrieren gebrochen, Standards im Dance weiter definiert und die begehrte Grätsche zwischen Mass-Appeal und Klasse gehalten. 2010 zeigt sich das eigentliche Duo aus Andy Cato und Tom Findlay frisch aufgestellt und generalüberdacht. Das Selbstverständnis liegt nun auf Band geeicht, wie schon die respektablen Auftritte im letzten Jahr andeuteten. Zwei Partner in Crime & Dance haben sich zu einer Community erweitert, die als eine Kraft nach vorne geht. Mit „Black Light“ liegt ein unerwartet starkes Pop-Album vor, das mit Stimmen wie Bryan Ferry oder Will Young Bekanntheit aufbietet. Die erstaunlichen Zitate von klassischen Bands – vornehmlich der Achtziger – wie z.B. Siouxsie & the Banshees, Bauhaus, Associates oder Yazoo kommen angenehm ungezwungen daher. Am Ende bleibt zeitlos guter Pop mit dezidiertem Wave-Einschlag, der in Tagen wie diesen selten so dicht durch die Membrane wummert. Fazit: Cambridge hat auch Intelligenz abseits der hohen Bildung zu Bieten. Respekt.
Wie war der Startgedanke zum neuen Album?
Wie bei vielen Band unsere Ära war es der Punkt, sich zu fragen, wie es weitergeht. Man kann einfach nicht so Weitermachen. Es ist alles geschehen in dieser Art von elektronischem Dance, es braucht Neues. Wir wollten definitiv rausgehen und spielen, uns auf der Bühne weiterentwickeln.
Bronski Beat, Split Enz und Konsorten schauen munter vorbei, nicht wahr?
(Lacht) Das ist, was wir hören. Schön, dass es auch verstanden wird. Bronski Beat war ein klarer Gedanke mit Will Young. David Bowie, Fleetwood Mac, Gary Numan – alles da. Split Enz fiel mir mal beim Auflegen ein und musste umgesetzt werden.
Die Entwicklung der Armada erinnert aktuell ein wenig an Heaven 17. Von der Elektronik zur organischen funky Band mit allen Freiheiten.
Guter Punkt. 17 sind noch immer stark. Da sind wir nun. Independent gehen und Risiko nehmen. Sonst würden wir wohl auch unseren Drive verlieren. 17 war auch eine dieser raren Bands, die in der Bandbreite bestehen konnten. Zumindest von der Qualität her. Und das ist ein klares Ziel.
Ihr verfolgt auf „Black Light“ deutlich mehr Songformate.
Klar. Das war ein wichtiger Punkt im Ansatz. Unsere Akzeptanz draußen und unser Selbstverständnis driften auseinander. Die Basis ist sicher noch immer der Dance, die Wurzeln sind da. Aber wir wollten nicht mehr rein das produzieren, dass wir als DJs auf den Plattenteller legen. Das ist gegessen, es muss weitergehen. Das ganze Album haben wir von Anfang an schon im Geist einer Band geschrieben. So, dass wir es auch wirklich live spielen können. Wenn es einen Plan gab, dann war er hier. Aber wenn ich jetzt die Scheibe höre, bin ich noch immer verwundert, was wir gemacht haben. Und wie. Es fühlt sich ein wenig entfernt an, denn die Definition ist neu und wir hatten Glück mit den Partnern. Die brachten viel ein. Es macht mich wirklich stolz.
Das driftet klar weg von der Erwartungshaltung der Fans. Nicht?
Eine verdammt gute Erfahrung. Und eine Hürde, die wir bereit waren, zu nehmen. Noch einmal „Superstar“ zu machen, und wahrscheinlich ein schlechteres – Nein! Das kann es nicht sein. Beeps und Bleeps und die Maschine haben wir gemacht. Erledigt. Es geht um die Frische, den weiteren Schritt. Wir sind nun Independent. Das lässt die Sicherheit und das Fallnetz vermissen. Aber es gibt uns Möglichkeiten die wir auch nutzen wollen. Ich habe das Gefühl, dass wir gerade in einem neuen goldenen Zeitalter leben. Es dreht sich alles um das live Spielen. Die ganzen Bands, die gerade hochkommen, werfen den Pomp der Neunziger über Bord. Dieser Wahnsinn mit voller Kanone an all der verfügbaren Technik hat sich in pure Performance umgekehrt. Für uns ist das sehr spannend, denn wir fingen minimal an und spielten auch im Luxus mit. Phoenix oder die Klaxons gehen einfach raus und rocken. Finde ich gut. Es funktioniert und beschert der Band mehr Aufmerksamkeit. Im Endeffekt zählt das.
Da ward ihr kein zu kleiner Initialzünder mit dem Love Box-Festival.
Danke. Ja. Das war schon ein Gedanke. Fenech Soler haben uns mit ganz wenig weggeblasen. Invicible waren ebenso pur am Level der Möglichkeiten. Jede Woche sehe ich Bands, die das ganz spezielle, pure Erlebnis bringen können. Fantastisch! Es gibt eine richtigen Push in der Szene. Und da will man selbst nicht nur das Selbe wieder verfolgen, das man für sich selbst schon auf die Spitze gebracht hat.
Wie sieht Groove Armada nun live aus?
Volle Band. Es wird nicht die „Black Light“-Tour. Eher eine aktuelle Weiterentwicklung. Wir hatten ein prägendes Erlebnis. Letztes Jahr durften wir die zweite Bühne in Glastonbury headlinen. Das ist schon ziemlich das Größte, das man als Dance-Act machen kann. Diese Jahr machen das Hot Chip. Wir steckten enorm viel Geld in die Produktion von diesem einen Gig. Und machten Verlust. Aber Egal. Es war eine perfekte Nacht und definierte den machbaren Höhepunkt der alten Groove Armada. So toll das war, nachher fühlte sich jedes andere Konzert nicht mehr so gut an. Da hast du einen schlechten Abend und alle hüpfen herum. Eine leere Hülle, wenig befriedigend. Das ist nun das Problem. Wir wollen mit vollem Personal raus, aber können uns das nicht überall leisten. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit der Erfahrung stark auf die Bühne gehen. Ich bin sogar sicher, dass wir aktuell mit jeder Band im Genre mithalten können. Ohja, das fühlt sich schon gut an. Und wir wollen sicher sein, wen wir auf die Bühne gehen. Und noch mehr stolz, wenn es vorbei ist.
Immerhin ein wichtiger Faktor der Identität. Wie vereinst du das beim Auflegen?
Damn. Ja. Auch da hat sich was getan. Fünf Jahre zurück war es einfacher. Gutes Set zusammenstellen und go for it! Mittlerweile ist in England Dubstep absolut dominierend. Wenn ich in Rumänien mit den aktuellen Hits rein fahre, passiert gar nichts. Miike Snow im „Fake Blood“ Mix geht nicht ab. Unglaublich. Die Stärke der Bassline funktioniert dort wie an vielen anderen Orten einfach nicht wie gewohnt von der Insel. Macht aber auch wiederum Spaß, denn ich muss viel mehr wach sein. Die Forderung des Anpassens an die Locations hat mir wieder neue Energie gegeben. Aber im Endeffekt muss ich das als Groove Armada trennen. Wir sind eben kein reines, pflegeleichtes Dance-Futter mehr. Es gibt Überschneidungspunkte, aber nicht als Fokus. Und der Floor sagt dir gnadenlos, ob du richtig liegst.
Die Popsongs sind nicht für den Floor. Wie weit ist die Planung für Mixes?
Ohne Frage bedienen wir das. Schon allein für mich selbst. Ich will für jede Single zumindest vier verschiedene Remixes. Interessant ist, dass wir nach derzeitigem Stand weniger Airplay bekommen. Die Tageszeit-Playlists sind uns als Pusher gewohnt und kommen vorerst nicht damit zurecht. Dafür gehen Late Night DJs voll auf uns los. Also dreht sich wirklich alles gerade um, wirklich sehr spannend. Wir werden eben anders erwartet und müssen uns erst im Pop beweisen. Ich hasse diese Genre-Klassifizierung, denn wir denken nicht so.
Ihr habt eine starke Sängerin gefunden, die fix mit euch arbeitet. Gab es Bedenken, das mit den anderen famosen Gastsängern wie Bryan Ferry, Will Young oder Jess Larabee die Homogenität des Albums zerreißt?
Glück. SaintSaviour singt nicht nur famos, sie ist auch noch eine Erscheinung, eine Persönlichkeit. Aber die Stärke der Songs war primär. Für jeden Sänger einzeln ausgearbeitet. Ferry war eine harte Nuss. Das kostete uns ein paar edle Abendessen, bis er an den Track glaubte. Aber das Ergebnis entschädigt uns mehr als. Ein unglaublicher Künstler mit einem starken Gespür für die „andere“ Linie. Wir haben zwei Versionen gemacht. Die eigentliche kommt dann auf seinem Album heraus. Ein guter Deal.
Du bist ausgebucht mit Gigs und DJ-Sets bis Ende 2011. Fluch oder Segen?
Ein wenig beides. Aber andererseits ein gutes Gefühl. Mit viel Wechsel werde ich das frisch halten. Und in Zeiten der Wirtschaftskrise bin ich dankbar, einen Job zu haben. Noch dazu meinen Traum leben zu dürfen. Wo ist die Bar und die Party? (lacht)