Die Designerin Barbara Mungenast entwarf im Auftrag des Bundesministerium für Inneres die neuen Uniformen für die österreichische Polizei. Im Interview erläutert sie die Herausforderungen im Design, von imponierenden Schnitten bis zum Durchgriff zur Puffn.
Polizeiuniform für Damen
Die neuen Uniformen
Damenjacke
Herrenuniform
Modedesignerin Barbara Mungenast
Regenjacke für Damen
Frau Mungenast, Sie und Ihr Team haben das Design der österreichischen Polizeiuniformen entwickelt. Welche Vorgaben kamen vom BMI?
Das Innenministerium hatte ähnliche Vorstellungen, wie die meisten Kunden: "Man soll uns mögen, wir wollen sympathisch bürgernah und kompetent rüber kommen." Darüber hinaus verkörpert die Polizei auch die Staatsautorität. Es startete damals das Projekt der Zusammenlegung der Exekutive und es gab heftige Diskussionen um Personaleinsparungen. Dazu kam die Angst vor merkbar steigender Kriminalität nach der Öffnung der Grenzen. Die Österreicher mussten sich beschützt fühlen. Ein weiterer Punkt war eine Uniform mit nationalem Bezug zu kreieren und schließlich kamen noch eine Reihe von ergonomisch-technischen Anforderungen dazu, wie extreme Bewegungsfreiheit oder der Durchgriff in der Jacke zur Waffe.
Wie haben Sie diese Vorstellungen des BMI umgesetzt?
Unsere Vision war eine elegante, optisch durchgängige und technisch ausgefeilte Linie. Die hoch qualitative technische Ausstattung unserer Exekutive sollte im Vordergrund stehen. Definiertes Vorbild war der feine Sean Connery im hochgeschlossenen toughen Anzug im Gegensatz zum derben Muskelprotz Sylvester Stallone. Unsere Bestrebung war die Vertikale zu betonen. Den Männern auf der Strasse Macht, Kraft und Autorität zu verleihen. Sie zu stärken. Das machst du, indem du eine durchgängige Farbgebung wählst, körpernah schneidest, sie optisch streckst. Das betonen auch die breiten Lampassen, das sind die vertikalen Streifen auf der Seite der Hosen. Oder durch leichtes Strecken der Kappe. Da muss man allerdings eine sicheres Gespür haben, wie weit man geht. Wenn du es da übertreibst, kommst du rasch ins gefährliche braune Eck. Das darf gerade in Österreich nicht passieren.
Vorgegeben waren auch die europäischen Polizeifarbe Dunkelblau und das Österreich-Rot .
Ja, wobei wir uns für das sehr dunkle Navy-Blau entschieden haben. Und wir haben lang gekämpft, das blaue Hemd zu erhalten. Hellgrau erscheint praktisch, wirkt aber immer ausgewaschen. Weiss macht die Haut sauber und frisch. Uns war aber wichtig, Einheitlichkeit und Ruhe in der Gestaltung zu erhalten – egal ob im Sommer oder im Winter. Und nicht wieder den Büro-Pinguin – das Image vom Schreibtischtäter – zu zeigen, sondern eben den aktiven, gut ausgestatteten und gut geschulten Beamten. Ihm mit entschiedener Gestaltung wieder mehr optische Präsenz auf der Straße zu geben.
Die Polizeiarbeit hat sich die letzten Jahre europaweit sehr verändert. Täuscht es, oder werden auch die Uniformen immer martialischer?
Natürlich geht die kriminaltechnische Entwicklung rasant weiter. Wenn wir an gentechnische Untersuchungen denken oder an die Fahndungs- und Observationsmöglichkeiten von heute … Auch die Flut spaktakulärster Action – und Agentenfilme, die täglichen Nervenkitzel in unsere Wohnzimmer zaubern, transportieren uns eine Polizei mit Übermensch-Attitüde. Auch diesem Image muss man heute Rechnung tragen. Da kann einfach kein Beamter im soften Poloshirt und Cap auf der Straße stehen. Es braucht eine toughe, körperbetont kantige Silhouette – dunkel gehalten. Als Designer muss man sehr exakt mit der Semiotik von Formen und Farben umgehen.
Gibt es auch einen modischen Österreich-Bezug?
Wir haben uns mit der Hochblüte österreichischer Uniformen auseinandergesetzt, und Anleihen an der K&K- Uniform genommen. Die breiten Lampassen, die klare Entscheidung zur breiten vertikalen Linie, die höhere Kappe. Der Stehkragen vom Repräsentationssakko und die Anordnung der Knöpfe erinnern auch an unsere Tracht, den Steireranzug. In der K&K Zeit waren die Uniformen detailreich und viel hochwertiger gefertigt als die Alltagsbekleidung. Heute ist ist es leider meist umgekehrt, bei Arbeitskleidung wird gespart, sie muss günstig sein.
Bestehen grosse Unterschiede zwischen den Uniformen der Männern und Frauen?
Uns war eine eigene Frauenlinie wichtig. Die Frau als starke Frau zu definieren und nicht als kleinen schwachen Mann. Interessant war auch, viele Frauen wollten das anfangs gar nicht. Es war schon ein richtiges Argumentieren, körperbetonte Linien reinzubringen. Mit den technisch ausgefeilten Textilien von heute: mit Strech, fein gestalteten Oberflächen und atmungsaktiven Beschichtungen lässt sich heute die Kleidung ergonomisch modellieren und somit körpernah schneiden. Die modebewussten Italiener machens uns schon seit Jahrzehnten vor. Die wunderbaren Karabineri mit kontrastreichem weißen Leder.
Uniformen sind Ausdruck nationaler Befindlichkeit?
Unbedingt. Und sie stiften Identität. Eine Uniform muss ja zehn bis zwanzig Jahre ihre Gültigkeit behalten. Die Polizei prägt das staatliche Erscheinungsbild nachhaltig. Der Österreicher ist ein Gewohnheitstier und eher vorsichtig, was seine Entscheidungsfreudigkeit für klares Design betrifft. Wir sind immer eher auf der tradierten, zurückhaltenden Seite. Mir tut es so wahnsinnig leid, dass hier meist in Richtung zurücknehmen entschieden wird. Warum? Wir könnten auch viel selbstbewusster für mehr Stil stehen und stolz auf unsere Exekutive sein.
Ist man als Designerin stolz, wenn Polizisten Uniformen aus dem eigenen Atelier tragen?
Klar. Wenn du dir die Polizisten auf der Strasse anschaust, die schauen schon fesch aus. Unsere Linie wirkt einfach elegant. Selbst der stärkere Mann mit Bierbauch schaut immer noch toll aus. Schau sie Dir an, sie sind immer hübsch. Egal welche Form, wie alt, wie hübsch.
Barbara Mungenast (45) ist Künstlerin und Designerin in Wien. Die gebürtige Oberösterreicherin absolvierte die Kunstuniversität Linz. Neben Uniformen für Polizei, ÖBB und Post gestaltet sie auch Magazine und Bücher oder macht Werbung mit Rainer Stock, wie die Kampagne der "Wiener Volksbefragung 2010". Den BMI-Auftrag (2004) führte sie gemeinsam mit drei anderen Designern als "United M" durch.
Das Interview erschien erstmals in MO (dem Magazin von SOS Mitmensch).