Nicht selten passiert es, dass Menschen ihrer Freude mit dem Wörtchen »coolio« Ausdruck verleihen.
Zumindest beschleicht mich das Gefühl, von Personen verfolgt zu werden, die »coolio« in ihrem aktiven Wortschatz verankert haben und so etwas von gar nicht davor zurückschrecken, es auch zu verwenden. In Gesprächen, in formlosen, halbvertrauten Mailkontakten, ja sogar in einer SMS ist mir »coolio« schon untergekommen. Gern wäre mir das ja egal, aber das Wort ist halt so ungeil. »Coolio«, das ist für mich in erster Linie ein ziemlich erfolgloser Rapper mit einer extrem depperten Frisur. Keinesfalls ist es etwas, womit Wohlwollen signalisiert wird. Zudem fällt mir auf Anhieb nie dieser Refrainsänger ein, der in Coolios »Gangsta’s Paradise« immer so weinerlich reinjammert.
»Ja dann schleich dich doch zum Computer oder nestel aus deiner Hose das Smartphone raus, um nachzuschauen, wie der Vogel geheißen hat!«, höre ich es jetzt verständlicherweise lieblich in meine Richtung schalmeien. Aber dazu muss ich sagen, dass ich stets versuche, derart kleine, unnütze Alltagsfragen ohne Digitalunterstützung zu beantworten. Auch weil ich mir denke, dass es durchaus den Telefonakkumulator schont, wenn man nicht ständig wegen jedem Furz am Display herumwischt. Zudem kommt einem meist ohnehin der Zufall zu Hilfe, wenn man etwas lösen will und dann wird es immer irgendwie spannend.
Unlängst klopfte so ein Zufall in Form einer jungen Dame bei mir an. Wir warteten gemeinsamen auf das passende Transportmittel des öffentlichen Personennahverkehrs. War es ein Bus, eine Bim oder die U-Bahn? Ich kann es nicht mehr mit Exaktheit sagen und es ist auch unerheblich für den weiteren Fortgang dieser Episode. Jedenfalls sagte sie mehrmals (Achtung, Achtung, gleich platzt die Bombe) »coolio« während sie telefonierte. Und ich dachte schon wieder: »Coolio?! Hmm, wie hieß denn dieser Refrainjammerlappen bei ›Gangsta’s Paradise‹ nochmal schnell?«
Während ich also die Dame ein wenig anstarrte, fiel mir auf, dass sie auf ihre Schulter einer dieser allseits beliebten, in dezentem hamsterarschlochbraun gehaltenen Taschen von Louis Vuitton baumeln hatte. Louis Vuitton stand zwar nicht drauf, aber die Tasche war über und über mit dem Monogramm des Luxusunternehmens, also mit lauter »LVs« übersät. Und in dieser Kombi dämmerte mir dann gleich auch der Namen des Coolio’schen Refrainsängers herauf: L. V. hieß der ja und ich war ganz knapp daran, ein leises »coolio« über die Lippen zu lassen, ob dieses herrlich unaufgeregten Zufalls – konnte mich aber beherrschen. Leicht war es nicht, denn die Dame, die auch in ihrer übrigen Erscheinung im hochpreisigen Markenkleidungssegment zu Hause war, passte perfekt in eine erotische Fantasie von mir, die schon seit Jahren in mir lustvoll gärt.
Ich bin darin der jüngste habilitierte Professor für Internationale Betriebswirtschaft auf der ganzen Welt. Alle halten mich für einen mit allen Wassern gewaschenen Liberalen, der ein bisschen anders ist, weil er in der Vorlesung Thomas Bernhard zitiert. Aber das stimmt nicht. Und der Grund, warum ich mich völlig vom Ehrgeiz zerfressen, in ein von mir nicht sonderlich geliebtes Studium schmiss, um dann höchste, akademische Weihen zu empfangen, ist ein ebenso primitiver wie zutiefst menschlicher: Ich liebe es, in intimen Privatissima die teuren, statusunterstreichenden Kleidungsinsignien wohlgeborener Töchter – im Austausch gegen gute Noten versteht sich – mit meinem Samen zu verzieren. Ich schleudere literweise meine DNA gen Burberry-Trenchcoats und Hilfiger-Jeans. In unstillbarer Gier batike ich mit meiner geilen Soße Festmeter an rosaroten Ralph-Lauren-Blusen und verpasse Barbour-Jacken verbotene Imprägnierungen. Außerdem bin ich noch ziemlich gut aussehend und sehr beliebt bei Studenten und Kollegen.
Und natürlich bin ich auch finanziell unabhängig, so dass ich mir zusätzlich auch noch kleinere, sexuelle Spleens leisten kann, die nicht jedermanns Sache sind. Zum Beispiel auserkorene Studentinnen dazu auffordern, mir bei Zeiten zarten Schamhaarnachwuchs zu spenden, damit ich mir dann diese bei den Follikelingenieuren der Moser Medical Group als Augenbrauen einpflanzen lassen kann. Ich mein, so etwas muss doch möglich sein?
Und bevor mich jetzt jemand falsch verstehen will: Ich bin sehr froh, dass die Intimrasur im Mainstream angekommen ist. Noch nie gab es weltweit so wenige Filzläuse wie heute. In Sidney, das ist die größte Stadt in Australien, aber nicht die Hauptstadt, die heißt anders, wurde der letzte Fall vor drei oder vier Jahren diagnostiziert. Wobei ich schon festhalten möchte, dass es prinzipiell natürlich immer ein wenig zu betrauern ist, wenn Tieren Lebensraum genommen wird. Andererseits kann ich mir aber gut vorstellen, wenn zum Beispiel in 20 Jahren aus retronostalgischen Beweggründen heraus Printprodukte wieder belebt werden, vielleicht ein Sex-The-Gap-Heftl auf den Markt kommt, das als Gimmick eine in Biokunststoff eingeschweißte Filzlauszucht beigelegt hat. So Yps-mäßig.
Pfff, so, jetzt ist es endlich raus, jetzt fühl ich mich besser und kann normal weiter machen. So weit das noch möglich ist. Egal. Es ist noch nicht so lange her, ungefähr 45 Zeilen nämlich (wer will, darf gerne nachzählen und bekommt bei Zusendung eine kurz vor dem Verramschen stehende Ausgabe des erbaulichen, bei Luftschacht und Monopol erschienenen Büchleins »Didgeridoo zum Frühstück« im Wert von 17,50 Euro), da schrieb ich, dass der Zufall oft Alltagsfragen beantwortet und es dann spannend wird. Nun, ich frug mich vor Kurzem, was denn offiziell das längste Wort in der deutschen Sprache ist, als mich eine Eilmeldung erreichte, in der stand, dass das »Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz« mit seinen 63 Buchstaben als längstes deutsches Wort ausgedient hat, da es das Gesetz nicht mehr gibt. Neue Nummer eins: Die »Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft« mit ziemlich pimperlmäßigen 43 Zeichen. Und während ich überlegte, wie und ob diese Info verwertbar ist, stolperte ich gleich über die neue Nummer zwei: Die »Fremdschamhaartransplantationsassistentin«. Irgendwie coolio.