Es ist kein großes Geheimnis, wenn ich an dieser Stelle verrate, dass ich schon in allen möglichen Verfassungen Kolumnen fabriziert habe.
Von A wie »ausgeschlafen« bis Z wie »zu wie ein Esel« reicht die Gemüts- und Bewusstseinszustandspalette. Wobei ich nicht mit der Erkenntnis hinterm Berg halten möchte, dass sowohl alles ausgeschlafen Formulierte als auch das in Trunkenheit zustande Gekommene eher nicht zu den ganz gelungenen Kolumnen zu zählen ist. Das nur zur Info. Ebenfalls zur Info soll erwähnt sein, dass ich bis dato drei Kolumnen pudelnackt tippte. Bei mindestens fünf Texten wärmte ich mir die Füße am Ladegerät vom Laptop.
Eine Kolumne schrieb ich im Krankenhaus. Und eine am Berliner Flughafen. Das war lustig: Ich kaufte mir ein sehr, sehr billiges Ticket, stieg ein, flog hin, schrieb und flog wieder zurück. Ich dachte, es macht sich im Lebenslauf gut, wenn ich auch einmal im Ausland gearbeitet habe. Ich schreib das auch immer in mein CV hinein. »24. 5. 2007: Flughafenaufenthalt Berlin, Kolumne "Drei Spritzer bitte!"«. Außerdem wollte ich mich gegen meine Flugangst immunisieren und war auf zwei Wodka und einem Valium. Jetzt trage ich übrigens gerade einen Anzug. Mit Krawatte. Guter Stoff gehört dazu, wenn es was zu feiern gibt.
Ich habe nämlich festgestellt, dass ich seit mittlerweile zehn Jahren regelmäßig an dieser Stelle absenfen darf. Da ist es schon erlaubt, ein wenig zu bilanzieren. Wobei, schade eigentlich, denn so kann ich nicht über die Teilzeitclowns vom Leder ziehen, die sich ständig zu müden Pferdefleischwitzchen hinreißen lassen (mich eingenommen). Und zu Oscar Pistorius wollte ich ein wenig über fehlende Gliedmaßen sinnieren. Einen ekelig flutschigen Text über Leerstellen wollte ich hier reinschmieren. Über die Sehnsucht mancher Menschen nach Amputation. Heller & Qualtinger mit ihrem »Krüppellied« hätte ich erwähnt, Pungent Stench wären drinnen vorgekommen. Ebenso der Extremsportler Mike Schultz, der sich aus Mountainbikes selbst eine Prothese zusammenschusterte. Irgendwann wäre ich dann über Red Bull bei Curling gelandet. Alles war schon fertig aufgescribbelt. Daraus wird jetzt nichts. Haha. Das nächste Mal vielleicht. Denn zehn Jahre sind auch kein schlechtes Thema.
Nehmen wir etwa das Jahr 2003 her. Die Bauchige Windelschnecke ist Weichtier des Jahres. SARS hält die Welt in Atem. Die USA marschiert im Irak ein und sucht vergeblich nach Massenvernichtungswaffen. Zehn Jahre sind zudem eine schöne und lange Zeitspanne. Werde ich zum Beispiel hundert Jahre alt, könnte ich, bevor das Auge bricht, behaupten, dass ich ein Zehntel meines Lebens Kolumnist bei einer ursupergeilen Diskurs- und Glamourzeitschrift war. Wobei, das ist eher unwahrscheinlich. Denn erstens habe ich, auch wenn die Medizin unentwegt Fortschritte macht, nicht das Gefühl, hundert zu werden.
Und zweitens, selbst wenn ich meinen hundertsten Geburtstag erleben würde, müsste ich noch heuer mit dem Kolumnenschreiben aufhören. Wenn ich nämlich ins elfte, oder zwölfte, oder dreizehnte, oder vierzehnte Kolumnenjahr gehe und am Ende hundert werde, kann ich nämlich nicht mehr so lässig behaupten, ein Zehntel meines Daseins so verbracht zu haben. Ich müsste ins Prozentuelle wechseln. Das ist schwierig, wobei, gerade wenn ich hundert werde, traute ich mir dieses extraordinäre Kunststück zu: »Hey!«, würde ich sagen, »hey, du hast elf, oder zwölf, oder dreizehn, oder vierzehn Prozent deiner Lebenszeit als Kolumnist für eine ursupergeile Diskurs- und Glamourzeitschrift gearbeitet. Respekt.«
Ich habe also nicht vor aufzuhören, gegen höhere Fügungen kann ich aber natürlich nichts machen. Zum Beispiel könnte man dieses Blattl da einfach von heut auf morgen einstellen. Printprodukten werden ja jetzt nicht unbedingt rosige Zukunftsperspektiven prognostiziert. Alles ziemlich totitot, heißt es.
Man könnte mich aber vielleicht auch raushauen. Gründe hab ich in den letzten zehn Jahren genügend geliefert. Sieben Feministinnen, vier ORF-Redakteure, zwei Pressesprecher (einmal Parteipolitik, einmal NGO), zwei Anzeigenkunden und ein Kabarettist haben sich beschwert. Unter anderem mit diesen Worten, die mir weitergeleitet wurden: Also »Fut«, »Schwanz«, »pudern« waren ein wenig sehr inflationär gebraucht, ihr solltet den Burschen zurückpfeifen. Da musste ich schon sehr lachen, damals. Jetzt eigentlich auch noch und gerne würde ich alle mitlachen lassen, aber ich darf nicht sagen, wer sich da so echauffiert hat.
Was ich schon sagen darf, ist, dass ich bei 89 Kolumnen, die ich in zehn Jahren schrieb, ein einziges Mal den Redaktionsschluss eingehalten habe. Für alle die es genau wissen wollen: Das war am Montag, dem 7. September 2009 und wen es interessiert, welches Wetter damals in Wien war, bin ich diesbezüglich sehr auskunftsbereit. Ich muss halt das alte Notizbüchlein suchen, wo das vermerkt ist, oder bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik anrufen.
Das mach ich gern. Und oft. Irgendwie muss man ja seine 1000 Freiminuten am Handy verbrauchen. Aber bitte beeilen mit den Anfragen diesbezüglich, ich habe nämlich den leisen Verdacht, dass man mich aus wirtschaftlichen Gründen durchaus einsparen möchte. Vor zehn Jahren hatte ich nämlich den ebenso aberwitzigen wie hellsichtigen Vorschlag, dass sich mein Honorar jährlich um zehn Prozent erhöht und im zehnten Jahr verdoppelt. Man stimmte zu, auch weil niemand dachte, dass ich so super bin. Wie auch. Bei einem so deppaten Pseudonym. Mittlerweile haben die Controllerärsche aber geschnallt, dass sich mit meinem erklecklichen Honorarsümmchen locker vier Praktikanten ausgehen könnten, die dann flotte Online-Storys machen und lecker Partyabende organisieren. Ich weiß auch schon, welchen: »Zehn Jahre Know Nothing Gesellschaft«.