Klamotten zocken, Zeigefinger schwingen

In „The Bling Ring“ kritisiert Regisseurin Sofia Coppola den Drang amerikanischer Jugendlicher, wie Hollywoodstars leben zu wollen. Anstatt eines Meilensteins liefert sie damit aber einen eher biederen Film ab. Mark Heywinkel bespricht die Satire zweistimmig.

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Hör mal: Ich freue mich wie Bolle auf dieses Gespräch!

Achja, wieso?

Weil du gleich zum ersten Mal in dieser Kolumne den miesgelaunten Großkotzkritiker abschalten und stattdessen euphorische Lobhudelei vom Stapel lassen wirst. Nachdem du erst „Man of Steel“ und dann „Only God Forgives“ niedergeredet hast, wird’s jetzt aber auch mal Zeit für nette, versöhnliche Worte.

Und wie kommst du darauf, dass ausgerechnet „The Bling Ring“ nette Worte verdient?

Na, dass in deinem DVD-Regal „Lost in Translation“, „Marie Antoinette“ und „Somewhere“ ziemlich prominent auf Augenhöhe stehen, hat ja wohl einen Grund, eh? Du bist doch ein riesiger Sofia-Coppola-Fan, und ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass du auch ihren neuen Film super findest.

Du hast grundsätzlich recht: Sofia Coppola ist eine der aktuell wichtigsten Regisseurinnen, und was sie macht, muss man sich einfach ansehen. Und ich bin wirklich ein Fan. Und „The Bling Ring“ nimmt zu Beginn auch richtig gut Fahrt auf: Eine Gruppe Jugendlicher steigt in einer Villa ein und bedient sich am Bling Bling der Besitzer. Dazu bricht der ohrenzerhackende Song „Crown on the Ground“ von den Sleigh Bells los. Das ist schon fett. Trotzdem hättest du dir jetzt die Hände verbrannt.

Autsch! Das bedeutet, nach dieser tollen Eröffnungsszene flaut der Film ab?

Erst mal bleibt er schon interessant: Der Außenseiter Marc kommt an eine neue Schule und lernt Rebecca kennen. Sie fangen an, gemeinsam zu kiffen und sich über den Lifestyle von Promis auszutauschen – das ist ziemlich kurzweilig erzählt. Klar gibt’s eine Szene, in der Marc zum ersten Mal die Schule betritt und von allen anderen merkwürdig beäugt wird. Klar gibt es eine klischeehafte Gegenszene, in der Marc und Rebecca glücklich und im Cabrio den Sunset Boulevard runterfahren. Aber viel mehr Schon-Gesehenes sehen wir nicht. Bald geht’s psychologisch zur Sache: Die zwei brechen in den Häusern von Hollywood-Promis ein und fangen an, Geld aus Bettkästen und Klamotten aus den Kleiderschränken zu zocken – und wir beobachten, wie das Marc psychisch erst stark mitnimmt und wie er sich dann mitreißen lässt.

Hört sich spannend an.

Ist es auch. Und die Newcomer-Schauspieler glänzen hier wirklich: Israel Broussard gibt perfekt den leicht naiven Bubi. Katie Chang mimt hingegen hervorragend den eiskalten Lindsay-Lohan-Fan ohne Skrupel. Emma Watson bekommt auch ein paar gute Szenen, in denen sie auch mal zeigen kann, dass sie das Dummerchen ebenso gut drauf hat wie die oberschlaue Hermione.

Dann hat Sofia Coppola doch alles richtig gemacht. Klingt nach einem guten Film.

Die Spannung lässt aber bald nach, weil Coppola außer mehreren Einbruchszenen nach Schema F (Kleiderschrank durchwühlen, Alkohol leersaufen, Geld einsacken) nicht mehr zu erzählen hat. Zudem weiß man von Anfang an, dass die Kleingangsterbande am Ende geschnappt wird. Immerhin basiert Sofia Coppolas Drehbuch auf wahren diebischen Streifzügen einer Gang, die 2011 in der Welt der Reichen und Schönen wütete und unter dem Namen „Bling Ring“ oder auch „Hollywood Hills Burglar Bunch“ in den Medien bekannt wurde. Also wartet man irgendwann nur noch darauf, dass das Unausweichliche passiert.

Nur, weil du schon wusstest, wie der Film ausgeht, war’s langweilig? Inzwischen ist doch jeder Kinogänger soweit routiniert, dass er dir das Ende eines Films nach dessen ersten zehn Minuten ziemlich exakt prognostiziere kann.

Schon, aber „The Bling Ring“ hat wirklich sehr wenige überraschende Szenen. Einmal brechen die Jugendlichen in das Haus von Paris Hilton ein. Das ist ganz witzig, wenn man die Hintergrundinfo hat, dass das Haus im Film tatsächlich Paris Hiltons‘ richtiges Haus ist. So wird man für einen Moment selbst zum voyeuristischen Einbrecher. In einer anderen Szene bedrohen sich die Lausbengel mit einer Pistole, die sie im Nachttisch finden. Da stockt einem auch mal der Atem. Aber sonst …

Wird denn zumindest die offensichtlich gesellschaftskritische Botschaft des Films ordentlich herausgestellt?

Ja, Coppola geht es darum zu sagen: Ihr übertreibt es damit, so leben zu wollen wie die Promis! Hör auf damit, einem falschen Lifestyle nachzueifern, Amerika! Diese Kritiknummer ist zuweilen aber schon eine Spur zu dick aufgetragen. Immer wieder posten die Kids Fotos ihres Diebesgutes auf Facebook. Immer wieder knipsen sie sich selbst im Club. Sie führen kein einziges vernünftiges Gespräch miteinander. Und Selbstreflektion findet auch nicht wirklich statt. Manchmal hat man das Gefühl, Coppola macht ihre Figuren dümmer, als sie es in Wirklichkeit sind. Ein bisschen mehr Kampf mit sich selbst hätte ich den Figuren gewünscht.

Hm, das heißt, im Moment läuft der schwächste von Coppolas Filmen im Kino?

Er ist nicht so gut wie „Lost in Translation“, aber das war ja auch ein Kracher. Aber mit „Somewhere“ kann er locker mithalten.

Geht doch, das meinte ich zu Beginn mit „versöhnlichen Worten“. Und wann kommt endlich mal die Euphorie?

Die Euphorie kommt, wie sollte es anders sein, mit dem richtigen Film. Highlights, auf die ich mich dieses Jahr noch freue: Der zweite Teil vom „Hobbit“. Und mit „The secret Life of Walter Mitty“ und „Her“ laufen noch zwei Filme mit grandiosen Trailern an. Da werd ich dann richtig euphorisch.

Versprochen?

Aber Hallo!

"The Bling Ring" läuft seit 15. August in österreichischen Kinos.

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