Den Freien Radios in Österreich geht es blendend. Das war nicht immer so. Der 15. Geburtstag von Radio Orange bietet Anlass für einen Blick auf Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Freien Radios in Österreich.
Der 17. August 1998 war ein denkwürdiger Tag für die Medienfreiheit in Österreich. Als an diesem Sommer-Montag Radio Orange 94,0 in Wien als erstes von inzwischen 15 Freien Radios des Landes mit Volllizenz den Sendebetrieb aufnahm, endete ein jahrzehntelanger Kampf gegen die Ignoranz der heimischen Politik. Ein Kampf, der zu großen Teilen in der Illegalität geführt wurde.
Richtig losgelegt wurde mit Piratenradio in Österreich Ende der 80er Jahre. Also zu einer Zeit, zu der privater und auch nicht-kommerzieller Rundfunk in den Nachbarstaaten bereits Standard war. Zwar gab es bereits 1979 in Graz und noch viel länger davor, nämlich 1924 in Wien, erste Störungen des Rundfunkmonopols, doch erst im Herbst 1987 begann eine Gruppe von Piraten konsequenter schwarz zu funken. Unter Projektnamen wie »Radio Sozialfriedhof«, »Radio ÖGB – Österreich geht’s blendend« oder »Radio Rücktritt« wurden sozial- und gesellschaftskritische Inhalte unter das Volk gebracht. Freilich ständig von der Staatsgewalt verfolgt, die auch immer wieder Sendeanlagen beschlagnahmte und Beteiligte festnahm.
Erst nach sechs Jahren munteren Katz-und-Maus-Spiels fand die rege Piratenphase im Sommer 1993 ihr Ende. Einerseits wurde kurz davor die Funküberwachung noch einmal massiv verstärkt, andererseits wurde die Höchststrafe für illegales Senden von 5.000 auf 100.000 Schilling angehoben – eine Summe, die keiner der Beteiligten hätte aufbringen können. Folglich konzentrierte man sich ab diesem Zeitpunkt darauf, das Monopol auszuhebeln, anstatt es zu brechen.
Federführend dabei war zu diesem Zeitpunkt die »Pressure Group Freies Radio«, ein Zusammenschluss mehrerer Wiener Radioinitiativen. Der entscheidende Durchbruch wurde aber in Kärnten angestoßen. Bereits 1989 beantragte der Verein AGORA eine Sendelizenz für den Südkärntner Raum und erhob wegen der fehlenden Erfolgsaussichten gleichzeitig Beschwerde gegen das Rundfunkmonopol vor der Europäischen Menschenrechtskommission. Im November 1993 wurde die Republik vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Aufhebung des Monopols verurteilt. Und erst nach einem entscheidenden Urteil des Verfassungsgerichtshofs wurden schließlich am 1. Mai 1997 45 Lokalradiolizenzen ausgeschrieben. Zwölf nicht-kommerzielle Projekte versuchten ihr Glück, acht davon erhielten einen positiven Bescheid. Eines davon: Orange 94,0.
15 Jahre später?
»Aus Sicht der Geschäftsführung geht es uns eigentlich wirklich gut«, erzählt Sibylle Moser im Sendestudio im 20. Wiener Gemeindebezirk. »Wir sind im Aufbruch und da die Fördermittel doch noch vorhanden sind, sind wir sehr zuversichtlich.« Etwa 450 Radiomachende, die in 17 Sprachen senden, zehn Festangestellte und eine Programm- und Strukturreform, die gerade im Werden ist – das Freie Radio in Wien boomt. Ein entscheidender Grund dafür ist der 2009 gesetzlich verankerte »nichtkommerzielle Rundfunkfonds«. Der mit jährlich drei Millionen Euro dotierte Topf wird projektbezogen auf alle Freien Radios und die drei Community-TV-Sender des Landes aufgeteilt und sichert vor allem den Sendern, die keine oder nur geringe Förderungen auf Landes- oder Gemeindeebene erhalten, das Überleben.
Auch kleineren Freien Radios, wie etwa B138 in Kirchdorf in Oberösterreich tut das gut. »Wir haben ein stabiles Set-up, das es uns auch ermöglicht, interessante Projekte anzugehen«, erzählt Michael Schedlberger, Obmann des Trägervereins von Österreichs jüngstem Freien Radio. So ist der Sender Teil des Projekts »Connecting Communities« des Europäischen Sozialfonds, das Frauen mit Migrationshintergrund – speziell im ländlichen Bereich – in den Bildungsprozess integrieren will. Das Radio ist das Werkzeug, die Frauen fungieren gleichzeitig als Gestalterinnen, Konsumentinnen und Multiplikatorinnen. Damit steht das Projekt exemplarisch für gleich mehrere Prinzipien Freier Radios: Bildung, Ermächtigung, lokale Verwurzelung und denen eine Stimme geben, die sonst nicht oder nur schwer gehört werden.