Üblicherweise bereitet es mir kaum Kopfzerbrechen, wenn ich vollmundig angekündigte Versprechen nicht einlöse. Meist ist der Kontext so, dass dies ohnehin nicht erwartet wird.
Oder die Formulierung kleidet sich in derart merkwürdigem Gewand, dass man die Botschaft nicht ganz ernst nehmen kann. Zum Beispiel so: »Meine liebe, aufreizende Mamsell, mich überwältigt gerade ein Tsunami der Begierde. Ich habe deswegen eigenmächtig die Running-Order des heutigen Abends geändert und werde in Kürze damit beginnen, Sie die ganze Nacht nach allen Regeln der Kunst durchzuorgeln. Erlauben Sie mir bitte zudem, diese prächtige, ausgelutschte Orgel-Metapher einem glücklichen Ende zuzuführen: Also, meine Liebe, darf ich Sie noch einmal herzlich einladen, mit mir gemeinsam alle Register der Leidenschaft zu ziehen und dann hernach mit Ihnen dennoch weiter per Sie verkehren?«
Ans Ziel, das in diesem Fall natürlich unmissverständlich die geschlechtliche Vereinigung ist, also das problemlose Einführen des erregierten Penis (vulgo harte Nudel) in eine dafür bereits bestens vorbereitete und ausreichend befeuchtete Vagina (vulgo Tropfsteinhöhle), kommt man mit diesem Satz höchstwahrscheinlich nicht. Das kann man mir glauben, ich bin Experte und habe nicht fast 30 Semester Publizistik und Kommunikationswissenschaften studiert, nur um dann nicht zu erkennen, womit man Gespräche abwürgt und Menschen den Boden unter ihren Small-Talk-Füßen wegzieht. Als Feldforscher der Geilheit bin ich aber natürlich dafür, das oben erwähnte Geschwurbel trotzdem auszuprobieren. Es wäre zumindest eine Alternative zum beliebten, aber halt auch sehr schmucklosen »Ficken, jetzt!«, oder seinem infantilen Phrasenbruder »Ficki! Ficki!«. Angeblich sollen diese unverhohlenen Lakonien, rausgelassen im richtigen Moment, bei so manchen schon zu vollerotischen Erfolgserlebnissen geführt haben.
Es möge so sein, worauf ich aber eigentlich hinauswollte ist, dass ich beim letzten Mal vollmundig angekündigt habe, dieses Mal über Muschis zu schreiben. Wortwörtlich stand geschrieben: »Nächstes Mal schreib ich übrigens über Muschis.« Aber das mach ich jetzt nicht. Vielmehr will ich über Ohren schreiben, denn mit Ohren habe ich mich in letzter Zeit etwas intensiver beschäftigt. An der Supermarktkassa ist mir nämlich aufgefallen, dass ganz viele Menschen beiderlei Geschlechts ein Muttermal am äußeren, hinteren Ohrknorpel haben. Vorwiegend rechts, aber auch links ward es von mir geortet. Das ist übrigens meist ein kleines, zartes Pünktchen, tritt aber wie gesagt derart auffällig gehäuft vor, dass man meint, hier wurde von der Natur markiert. Ich frug mich schon, was denn dies bedeuten mag, ob die alle miteinander verwandt sind, aber selbst das sonst an Verschwörungs- und Rassentheorien so reiche Internet konnte mir nicht weiterhelfen. Allerdings weiß ich jetzt, wie der fachmännische Terminus heißt, wenn bei jemandem der Ohrknorpel an einer Stelle so Peter-Pan-mäßig spitz zulaufen: Darwinscher Höcker. Die anatomische Besonderheit tritt bei ca. zehn Prozent der Menschen auf und ist ein Atavismus, also erinnert an einen alten evolutionären Entwicklungsstand, der schon längst überwunden sein sollte.
Andere Atavismen beim Menschen wären zum Beispiel Schwimmhäute zwischen den Fingern oder ein dritter Nippel. So etwas kommt übrigens gar nicht so selten vor. Lily Allen zum Beispiel hat auch eine überzählige Brustwarze und zeigt diese bei guter Laune auf der Bühne immer wieder gerne her. Und irgendwo habe ich mal gelesen, dass Rothaarige ihr Gen wahrscheinlich vom Neandertaler haben. Mit diesem Wissen sollte man aber nicht vor Rothaarigen prahlen, die hören das nicht so gern. Man stelle sich nur einmal Boris Becker vor, wenn man ihn direkt darauf anspricht, dass er Neandertalererbgut durch die Gegend spritzt. Wobei, seine Gene dürften es echt drauf haben. Denn trotz allem sind rote Haare, helle Haut, Sommersprossen und der ganze Rest vom Ginger-Package nicht einfach zu vererben. Alles rezessiv. Ich kann mir beinahe schon zu bunt ausmalen, wie Beckers ekelhaftes Spitzensportsperma verbissen und mit gierigem Ehrgeiz zur Gebärmutter, oder wo auch immer eine Eizelle lässig abchillt, hoch sprintet und sich rankämpft.
Bei Niki Lauda stelle ich mir leider auch sehr oft vor, wie sich sein Samen so macht und ob seine wackeren Soldaten, die er durch den Unterleib der Damen jagt, extra speedig unterwegs sind. Zu Recht kann man mich jetzt einmal kritisieren und sagen: »Mein lieber Kolumnist, wir wissen, dass du nicht selten sonderlich subtil vorgehst und es durchaus bevorzugst, mit dem Holzdildohammer als Schwanzdampf in allen Gassen Pointen drischt. Aber oben von Ohren zu schreiben und unten auf Niki Lauda zu kommen, das ist auch für dich ein neuer Tiefpunkt und sicher keine geile Metabene.« Ja, kann ich sagen, die Kritik ist berechtigt, aber mir ist das Ohrli von Lauda egal. Der Mann gibt mehr her, immerhin hat der Mann im stattlichen Alter noch Zwillinge auf die Rennstrecke des Lebens geschickt. Wobei, in seinem Alter Zwillinge, da liegt immer auch ein wenig der In-Vitro-Verdacht wie ein Asbestschleier in der Luft. Was aber auch egal ist.
Falls jetzt jemand meint, in diesen kurzen Zeilen Bewunderung für die Zeugungskraft älterer Mitbürger gelesen zu haben, möchte ich sofort dagegen sprechen. Ich finde alte Väter nicht so leiwi, ja eigentlich fast ekelhaft. Die riechen ja schon nicht mehr ganz frisch. So gesehen würde ich gerne mal an Niki Lauda schnuppern, vielleicht riecht der besser als die alten Säcke, die man zu Hauf in den Sandkisten der Nobelbezirke antrifft, falls sie überhaupt noch bandscheibenbedingt so weit runter kommen. Ich frag mich ja immer, was sagen die wohl ihren Kindern, wenn die checken, dass der Tatti nicht mehr zum ganz jungen Eisen gehört? Was pädagogisch Wertvolles mit Geschichtsexkurs? »Sei doch glücklich. Ich bin dein Vater und habe Zeit für dich wie ein Großvater. Ich hatte nie einen Opa, mein Kind. Mein Opa, also dein Urgroßvater, ist kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges in Italien gefallen.« Irgendwie eh ok, da kriegt man schon als ganz junger Mensch einen anderen Zeit- und Vergänglichkeitsbegriff.
Egal, um mich jetzt vollmundig aus dieser Kolumne zu vertschüssen, möchte ich noch ankündigen, oder anteasern, wie man so schön sagt, dass ich das nächste Mal eine Liste mit Frauen jenseits der 60, mit denen ich gerne Sex haben würde, veröffentlichen werde. Ein echter Text über Sugar-Mummys (oft fälschlich als »Zuckermumien« übersetzt) wird das werden. Mit Cher und Iris Berben als Positivbeispiele.