Das Totally Wired-Urgestein Clemens Denk trommelt namhafte Compañeros zusammen und überzeugt mit dem Gespür für Melodien, eingepackt in schrägem Humor zwischen Dada und Szenekritik.
Wien ist ein Dorf. Was sich für Erstsemester, die das Flex lieben und von der promiskuitiven Vielfalt einer per definitionem schon Großstadt beeindruckt sind, nach Witz des Jahres anhören muss, ist für Sechzehntsemester, die wissen, dass am Ende jeder Liebelei entweder gar nichts oder die große Liebe in einer Doppelhaushälfte warten, einfach Gewissheit. Immer wieder dieselben Gesichter, Barfrauen kennen deinen bevorzugten Drink, die netten Damen und Herren auf den Toiletten der Clubs umarmen dich schon beim ersten Pinkeln des Abends.
Aber wo Schatten, da ist eben auch immer Licht. So leben die Wiener Musikschaffenden von der kleinen Szene, jeder hilft jedem, springt mal ein, wenn Not am Mann oder der Frau ist. Fast wie bei The Gap. Auch abseits großer Veranstaltungen, die vorrangig der Vernetzung heimischer Musik dienen – wie das RBMA Bass Camp oder die Panels am Popfest – ist in der Wiener Szene Networking allgegenwärtig. Etablierte Acts sehen das als einen der wichtigsten Punkte dafür, warum Wien popmusikalisch da steht, wo es nun mal steht.
Das Zusammengehörigkeitsgefühl hat sich nun auch Clemens Denk zunütze gemacht, einer der most underrated Liederschreiber der Hauptstadt. Neben einem durchaus sehr positiv rezipierten Album namens "Lieder" von 2012 und der Single "Leider" (2013), wirkte Denk auch als Trommler auf Dot Dash’ Zweitling mit. Dass er auch gut zusammentrommeln kann, beweist Denk mit "Clemens Band Denk". Dafür hat er sich nämlich namhafte Unterstützung aus dem Umfeld seines Labels Totally Wired Records und auch von Problembär Records – seit letztem Sommer ja Teil von Seayou – gesichert. Neben Dot Dash – Kollege Florian Tremmel sind das Martin Lehr von Luise Pop, sowie David Wukisevits von Der Nino aus Wien und sogar His Royal Highness Nino Mandl himself. Der wird den geneigten Hörer mit seinen beiden im Mai erscheinenden Alben durch transzendentale Flora führen, wie die Titel "Bäume" und "Träume" verheißen.
Guter Sound
Zwischen all den Genrebezeichnungen, die für "Clemens Band Denk" in Frage kommen – damit es gesagt ist: Noisepunk, Wave, Fuzz-Folk – schielt die in schön kitschigem Rosa eingehüllte Platte doch stark in Richtung Pop. Nicht vom Anspruch, vom Ansatz her, sondern von den Melodien und der Umsetzung. Popmusik im Gewand von Antipop. Ob im ironisch-kritischen Opener "Aber der Sound ist gut", der oberflächliche Beschäftigung mit Musik ad absurdum führt, ob in "Deine Zahnbürste", das eine Kapitelstruktur wie Lars von Trier-Filme verfolgt, oder im Schunkler "Hasslied", alles riecht und schmeckt nach blecherner Melodieverliebtheit.
Lyrisch bewegt sich "Clemens Band Denk" zwischen live bei so manchem Konzertbesucher für Augenrollen sorgendem Dada – so geht es in „Hasslied“ um zwei Löffel – und Kritik an Selbst- und Fremdwahrnehmungen ("Nicht die Dummen sind"), bleibt dabei aber durchzogen von herrlicher Arroganz und Distanz, immer mit dem Schalk im Nacken. Man kann da durchaus die Säulenheiligen Mandl und Heller senior als Referenzen anführen, der schroff sprechsingende Denk driftet im Unterschied zu zweiterem aber nicht in unsägliche Larmoyanz ab.
No offense, aber im Endeffekt passt der zweite Satz des Albums gut als Fazit: Singen kann er nicht, aber der Sound ist gut.
"Clemens Band Denk" von Clemens Denk erschien am 14.3.2014 via Totally Wired Records. Digital, auf CD und auf Vinyl.