Bei der Vorstellung der Next-Gen-Konsolen haben Sony und Microsoft angekündigt, dass unabhängige Spieleentwickler problemlos auf PS4 und Xbox One veröffentlichen können. Aber was bedeutet das für das Prädikat »Indie-Spiel«? Wir haben uns in österreichischen Entwicklerstudios umgehört.
»Die Grenzen zwischen Indie und Nicht-Indie verwischen immer mehr«, sagt Felix Bohatsch. Er ist Geschäftsführer des Wiener Spielestudios Broken Rules. Das Unternehmen, das aus gerade einmal fünf Mitarbeitern besteht, hat vor Kurzem seinen Plattformer »Secrets Of Rætikon« im Online-Spieleshop Steam veröffentlicht. Bohatsch war dabei ebenso mit an der Entwicklung des Titels beteiligt wie der Marketing-Beauftragte und der Finanz-Chef.
»Es ist nicht unser vordergründiges Ziel, Millionen mit unseren Spielen zu machen, wir wollen vor allem unsere eigene Vision in die Tat umsetzen«, umreißt Bohatsch die Philosophie der Spieleschmiede, die seit 2009 existiert und vor »Secrets Of Rætikon« bereits drei vielbeachtete Titel (darunter »And Yet It Moves«) programmiert und veröffentlicht hat. Diese erhalten ihre Aufmerksamkeit vor allem über die üblichen Social Media-Kanäle, über die Verbreitung im eigenen Netzwerk, über kleinere Spielemessen – eben die Möglichkeiten von Unternehmen, die nicht mit einem Millionen-Budget ausgestattet sind.
Allein gegen Hunderttausende
Segen und Fluch zugleich sind dabei App-Stores und andere virtuelle Gaming-Kaufhäuser. Brauchte man vor einigen Jahren noch einen Publisher, der sich um den Vertrieb eines Spiels kümmerte, stellt man es heute einfach selbst online. »Die Onlineshops sind größtenteils für den aktuellen Indie-Hype verantwortlich«, vermutet Tiare Feuchtner, die Marketing-Managerin von Zeppelin Studio, einem ebenfalls in Wien ansässigen Unternehmen. »Durch die vereinfachte Veröffentlichung haben wir die Möglichkeit, sehr viele Spieler zu erreichen«, ergänzt sie. Das klingt zwar sehr reizvoll, stellt Entwickler aber vor die Herausforderung, besagte Spieler auch anzusprechen.
Michael Paeck, Geschäftsführer von Cliffhanger Productions, einem weiteren Wiener Entwicklerstudio, sagt dazu: »Man muss genauso viel Zeit und Liebe in die Spielerkommunikation, die PR und die Community-Arbeit stecken, wie man in das Game gesteckt hat«. Doch das ist leichter gesagt als getan: Allein in Apples App Store befindet sich aktuell mehr als eine Viertelmillion Spiele. Wer da den Durchbruch schafft, kann einen Höhenflug erleben, wie die Beispiele »Doodle Jump«, »Tiny Wings« und zuletzt »Flappy Bird« gezeigt haben – oder wie der iOS-Titel »Blek« des Wiener Entwicklers Denis Mikan, der jüngst sogar einen »Design Award« von Apple abgeräumt hat.
Jedoch: »Auf jeden dieser Überraschungshits kommen 10.000 andere Titel, die praktisch niemand spielt«, wie Maximilian Csuk anmerkt. Der angehende Informatik-Master programmiert neben seinem Studium an der TU Wien Spiele für sein Ein-Mann-Unternehmen IMakeGames. »Die mobilen App-Stores sind mittlerweile so überlaufen, dass es schwerfällt, aus der Masse herauszustechen«, fügt er hinzu. Zumindest hat Apple jüngst im US-App Store den »Indie Game Showcase« eingeführt, eine Sektion, in der regelmäßig Spiele unabhängiger Entwickler vorgestellt werden. »Device 6«, der erste Titel, der in diesem Rahmen präsentiert wurde, verkaufte sich binnen einer Woche beachtliche 200.000 Mal.
Das Unwort einer Entwicklergeneration
Eine ähnliche Plattform für Indie-Entwickler haben auch Sony und Microsoft angekündigt, als sie im vergangenen Jahr die Vertreter der nächsten Konsolen-Generation vorgestellt haben. Die beiden Global Player wollen auf PlayStation 4 und Xbox One nicht nur Triple-A-Titel und die x-te Fortsetzung von Millionen-Bestsellern platzieren, sondern neuerdings auch unabhängigen Studios eine Plattform bieten. Dazu gehört genauso die volle Autonomie über Preisgestaltung und Veröffentlichungstermin wie eine erheblich erleichterte Programmierung. Entwickler können beispielsweise Microsofts kostenlosem Programm ID@Xbox beitreten, in dem sie unter anderem zwei Development Kits zur Verfügung gestellt bekommen.
»Technik und Tools für die Spieleentwicklung sind heutzutage leistbarer und leichter handhabbar geworden«, sagt auch Tiare Feuchtner, fügt allerdings auch hinzu: »Die Dev-Kits für die Next-Gen-Konsolen sind nicht sonderlich leicht zu bekommen.« Für sie und ihre vier Mitstreiter beim Zeppelin Studio ist der Begriff »Indie« mittlerweile zu einem Unwort geworden. »Das scheint nur noch ein Label zu sein, das sich alle aufkleben wollen, um im Club jener dabei zu sein, die individuelle, einzigartige Werke schaffen«, meint sie. Dennoch sieht sich das Studio als Indie-Entwickler: »Unsere Wohnzimmer werden als Büros genutzt, Meetings halten wir im Google Hangout ab.« Unorthodoxer geht’s wohl kaum.