Rainer Bracharz beschäftigt sich seit über 15 Jahren sowohl auf Kunden- als auch auf Agenturseite mit Kampagnen und Kommunikation. Für twenty.twenty hat er seine Gedanken zur Ice Bucket Challenge niedergeschrieben.
Als Agency Head einer Wiener Werbeagentur und selbständiger Kommunikationsberater ist Rainer Bracharz (38) bestens vertraut mit neuen Medien und Netzwerken. Meinung hat er auch, vor allem bezüglich der allgegenwärtigen Ice Bucket Challenge, die auf die Nervenerkrankung ALS aufmerksam machen soll. Die Aktion wurde schnell zum viralen Phänomen und konnte durch den Einsatz sozialer Netzwerke Millionen von Menschen weltweit mobilisieren.
In Vorbereitung auf die nächste Ausgabe von twenty.twenty, der Veranstaltungsreihe von A1 und The Gap, haben wir ihn gebeten, besagte Meinung zu formulieren:
Die empirische Beweislage über die Selbstaufschaukelungsfähigkeit komplexer Netzwerke ist um ein Beispiel erweitert worden. Die ALS Ice Bucket Challenge hatte anscheinend die perfekte Kombination von Substanz (Charity für die Krankheit ALS), Content (Video), Inszenierung (Kübel mit Eiswasser wird über den Kopf geschüttet), Substanz hinter der Inszenierung (Eiswasser am Körper soll den Muskelschmerz ALS-Kranker erlebbar machen), Medien (Facebook, Instagram, Twitter), Verbreitungsstrategie (Viralität + Nominierungslogik), Aktivierung (Freude darüber nominiert zu werden und Spaß an der kreativen Umsetzung) und sehr gute Netzwerkknoten (die Reichsten und die Berühmtesten).
Kommunikation ist offensichtlich mächtiger denn je. Die Rezipienten sind aber nun auch mächtiger den je. Diesmal sorgen die Rezipienten für den extremen Erfolg und extremen Misserfolg und sind neue relevante Gate-Keeper. Klassische Medien und deren Journalisten versuchen verzweifelt sich in den Dialog einzubringen. Es würde auch ohne Gate-Keeper und Einordner passieren und diese Ohnmacht ist in vielen Kommentaren in und zwischen den Zeilen rauszulesen. Neben den Medienmenschen beobachten aber auch die Kommunikationsmenschen genau diese Phänomene und wollen davon profitieren. Gratis Medien-Zeit und positiver Imagetransfer hören sich sehr verlockend an.
Das ist ein Aufruf, das nicht zu tun. Natürlich sitzen Kreative mit Kunden in Meetings und besprechen Möglichkeiten das Thema aufzugreifen. Aber bitte, machen wir es nicht. Abgesehen von der moralischen Komponente, ist es ohnehin bereits zu spät, es wird nicht authentisch (Samsung, ich schaue dich an) und nur weil wir können, müssen wir nicht. Wie Journalisten teilen wir nun die kreative Arbeit und die Medien-Aufmerksamkeit mit den Rezipienten, und ich finde das gut.
Beobachten wir die nächste Selbstaufschaukelung als interessierte Zuseher und konzentrieren uns auf das Erzählen und Inszenieren von eigenen starken Geschichten.
Die nächste Ausgabe der twenty.twenty-Veranstaltungsreihe findet am Mittwoch den 17. September 2014 unter dem Motto "Mobilize / Get mobilized" im Impact HUB Vienna statt und beginnt wie gewohnt um 18.30.