Steile These: Der Mann sind die Foxboro Hot Tubs des deutschen Indie-Pop. Say what?!
Manchmal, aber nur manchmal, entscheidet sich eine Band zu dem manchmal nachvollziehbaren Schritt, ein Album unter falschem Namen zu veröffentlichen. Meistens, weil das neue Werk mehr oder weniger absichtlich nicht so recht ins bekannte und von den Fans geschätzte Œuvre passen will und die Band nicht den Mut hat, den Fans so eine Neuausrichtung aufrichtig zu verkaufen. Als die Post-Hardcore-Rabauken The Bronx so richtig Bock auf Mexiko hatten, benannten sie sich kurzerhand in Mariachi El Bronx um und sind seitdem ihre eigene Vorband.
Manchmal geschieht das auch, um die Fans zu verwirren und um ihren Aufdeckergeist zu fordern. Als Die Ärzte 2011 auf Tour gingen, hießen sie Laternen Joe. Green Day haben, ganz geheimniskrämerisch, unter dem Namen Foxboro Hot Tubs insgesamt drei Singles veröffentlicht. Seltsam, dass das Bandnamen-Rotationsprinzip vor allem in diesen Kreisen vertreten ist. Und manchmal ist das einfach alles nur reiner Blödsinn. Etwa, wenn Weezer unter dem Namen Goat Punishment einfach so zur Nirvana-Coverband werden.
Jetzt also Der Mann. Der Mann besteht aus Mitgliedern der wunderbaren Gruppe Die Türen, die man eigentlich ständig loben sollte. Da Die Türen selbst mittlerweile so etwas wie eine Supergroup geworden sind, kann es manchmal schon passieren, dass ihre Mitglieder anderweitig involviert sind. Michael Mühlhaus macht mit Kante Theater, Pencil-Stache-Ikone Chris Imler ist gerade solo unterwegs und Andreas Spechtl sowieso überall. In der Stille der Bandpause nach dem formidablen »ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWWYZ« taten sich die beiden Ur-Türen Ramin Bijan und Staatsakt-Labelchef und Dancing King Maurice Summen mit dem mittlerweile ausgestiegenen Gründungsmitglied Gunther Osburg und dem Filme- und Musikvideomacher (unter anderem für Dave Gahan und weite Teile der Staatsakt-Partie) Sebastian Kaltmeyer, der vor allem visuelle Aufgaben übernimmt, zusammen, um zu Der Mann zu werden. Das musikalisch-kreative Trio nimmt dazu noch die Pseudonyme Ray, George und Berthold Mann an – wegen der Geheimniskrämerei und so.
So weit, so uneindeutig. Was Der Mann auf dem Debüt »Wir sind Der Mann« aber zustande bringen, ist dann doch relativ eindeutig. Indie-Pop, der zwar in jeder Sekunde an Die Türen erinnert – vor allem natürlich dann, wenn Summen am Mikrofon steht –, aber doch ständig wie ein Abklatsch von dem klingt, was Die Türen ansonsten ausmacht: die Dekonstruktion des Pop-Konstruktes. Selbst ambitioniert-ironische und androzentrismus- und neoliberalismuskritische Schelmenstücke wie (das rein schon vom Titel her obligatorische) »Ich bin ein Mann« oder »Alles keine Arbeit« wirken teilweise unausgegoren und in ihrer gesellschaftskritischen Komponente beschnitten. Ironische Männlichkeitsdekonstruktionen und die grönemeyersche Frage nach dem, was einen Mann zu einem Mann macht, sind halt auch nicht mehr das, was sie einmal waren.
So plätschert alles dahin, Highlights sucht man – mit Ausnahme der ersten Single »Menschen machen Fehler« – vergeblich. »Wir sind der Mann« schwebt so elegant im Mittelmaß, wie fast alle Staatsakt-Veröffentlichungen dieses Jahr. Die Alben von Jens Friebe, Chris Imler, Dieter Meier oder Ja, Panik waren ja alle nicht so gut, wie erwartet. Aber man kann ja noch hoffen, vielleicht besinnen sich Die Türen irgendwann wieder auf ihren alten und eh sehr guten Namen, auf die versammelte Mannschaft (ha!) und schreiben einen Genreklassiker. Dass sie es können, wissen alljene, die »ABCDEF…« und »Popo« gehört haben.
»Wir sind der Mann« von Der Mann erscheint am 21. November 2014 bei Staatsakt.