»Münchner Freiheit«, so heißt das neue Album von Das weiße Pferd. Es schert sich einen Dreck um all diese kurzfristige Empörung. Widerstand als nachhaltige Institution.
Ja, ja, diese Beliebigkeit. Egal ob Meinungen, Sexualpartner oder Widerstand, alles wird immer austauschbarer, halbherziger und geht jedem mittlerweile am Arsch und daran vorbei. Es wird egaler, ob du Charlie, Nigeria oder Raif bist. Mit dem Widerstand ist es so, dass der Protestzug jede Woche wo anders hinzieht, vergangene Empörungen kommen und gehen aus dem kollektiven Gedächtnis. Erinnert sich heute noch wer an ACTA, Maximilian Krauss oder Kony? In drei Wochen kümmert auch Prückel-Gate niemanden mehr.
Ich will keinen Mindestlohn, ich will Mindestliebe
Der Gruppe Das weiße Pferd aus München kann das alles sonstwo vorbei gehen. Die Nachfolgeband der zumindest etwas legendären Band Kamerakino, für die unter anderem auch Nick McCarthy von Franz Ferdinand und Tom Wu von den Hidden Kameras hinter ihren Instrumenten standen, präsentiert auf ihrem dritten Album »Münchner Freiheit« selbsternannten Combat Rock, der sich einen Scheiß um kurzfristigen Riot aus dem sozialen Web schert. Die Themen sind viel universeller. Da geht es überhaupt um die Müdigkeit gegenüber dem Widerstand, »denn hier in dieser friedlichen Stadt ist einfach kein Platz für Straßenkämpfer« (aus »Straßenkämpfer«). Gilt auch für Wien, by the way. Das Generalthema ist aber vor allem der Umgang mit Migranten. Ohnehin in prekären beruflichen Situationen steckend, dürfen Ausländer nur den Taxifahrer machen, »und wichtig wäre mit Akzent. Das können Sie doch, ihre alte Rolle quasi!« (aus »Spielverderber«). Dass da das eurozentrismus- und kulturkritische Göthe Protokoll ein Feature hat, ist nur konsequent.
Das widerstandsmäßige Kernstück bildet allerdings »Teutsche Machos«, das mit dem vermaledeiten Klischee aufräumt, dass Machismo und sexuelle Unterdrückung vor allem ein »südländisches« »Phänomen« sei. Nazi- und postfaschistische Parteien (in Österreich gibt’s davon ja zwei, F und V) kreiden dem Islam ja gerne an, so frauenfeindlich zu sein und sich deshalb nicht in die »abendländische Kultur« eingliedern zu können. Wenn dann aber die »Pressestunde« als »familienunfreundlich« bezeichnet wird, weil Sonntagvormittag Frauen ja in der Küche stehen würden, ist das Teil der österreichischen Kultur. Im »Westen« also alles gut? Schmafu. Machismo ist auch hier überall.
Das weiße Pferd weiß, worauf es bei allem Dagegensein ankommt. Auf Liebe, logisch. Die darf dann gerne mal cheesy, ironisch und banal sein. So werden auf »Münchner Freiheit« gerne mal sympathische kleine Lieder eingestreut, die Titel wie »I Love You Song« oder »I Want It With You Song« tragen. Musikalisch pendelt sich der Combat Rock doch eher zwischen Space, Future und Boogie Punk ein, mal mit Noise garniert und kommt doch immer wieder auf Post Punk zurück, wie im wunderbar eingängigen »Akkordarbeit«.
Musik für Musiker
Die Band gilt ja seit jeher eher als Band für andere Musiker, als Insidertipp, dem nur Literaten und Künstler aller Richtungen verfallen sind. Das merkt man auch »Münchner Freiheit« an. »Abtauen Girl«, voriges Jahr von Der Nino aus Wien gecovert, ist in der Originalversion zu hören, auch »Belmondo« erinnert an ihn, und an »Am heißesten Tag des Sommers«. Hier ging die Inspiration aber vom Nino aus.
Insgesamt wird wohl auch »Münchner Freiheit« der Gruppe Das weiße Pferd nicht unbedingt den Fan- und Hörerkreis erweitern. Zu schnell kommt wohl die nächste Band, die all den nicht ganz so unwichtigen On- und Offline-Riots einen Soundtrack verpassen wird. Bands werden ja mittlerweile noch schneller durchs mediale Dorf getrieben als Kiss-Ins, Lichtermeere oder Spendenaufrufe. Zu gönnen wäre Das weiße Pferd aber alles, Aufmerksamkeit inklusive.
»Münchner Freiheit« von Das weiße Pferd erscheint am 23. Januar 2015 via dem schon totgeglaubten und wieder auferlebten Sub Up Records (nicht Subpop Records!). Live-Termine in Österreich sind noch keine bestätigt.