Wie immer war das FM4 Geburtstagsfest seit Wochen ausverkauft. Wir waren trotzdem dort und haben ein paar Fotos und ein paar Meinungen mitgebracht.
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Wenn effemmvier zum Tanz und Konzertbesuch bittet, kommen sie alle. Nicht nur die Menschenmassen, die den zweiten runden Geburtstag – wie immer eigentlich – schon vor Wochen ausverkauften. Schließlich ist es ja FM4. Das Medium, das in Österreich wie kein anderes zur Distinktion taugt. Fast alle in und vor der Ottakringer Brauerei und beyond haben FM4-Plakate in ihren WG- oder Jugendzimmern.
Auch das Wetter kommt. Dem ist es egal, dass das Geburtstagsfest zum zweiten Mal ausschließlich Indoor stattfindet. Der Hinweg nach Ottakring zaubert Tropfen an die Brillengläser der Funktionsjackenträger und Nässe an Strickmützen. Letztere vereinzelt mit FM4-Logo, Distinktion eben. Da macht es auch nichts, dass heuer für Connaisseure eher wenig dabei ist. Haben voriges Jahr noch Ikonen wie Ja, Panik, SOHN und The Notwist ihre neuen Machwerke präsentiert, stehen diesmal Die Sterne, Kele und Catastrophe & Cure in den oberen Zeilen am Plakat.
Drinnen, wo es nicht mehr nach Malz riecht, lohnt sich gleich zu Beginn ein Rundgang durch alle Bühnen. Ein Wissensvorsprung, der sich nachher, wenn alles voll ist, lohnt, um schnell in die bald abgesperrten Venus zu gelangen. Die Stages sind nach Zimmern benannt, trotz Wohn- und Badezimmer muss man für ein Jugendzimmer seinen Rundfunkempfänger einschalten. Die Toiletten, für viele Raucher zunächst zum Exil geworden, sind mit Memorabilia aus 20 Jahren geschmückt, cheesy Poster aus dem Rennbahnexpress und Kassetten.
Katastrophenalarm
Wer früh da ist, kann FM4-Auskenner und The Gap-Autor Philipp L’heritier beim Haare-aus-dem-Gesicht-Wischen und Sympathisch-Tanzen zusehen und zuhören, wie er zeitgenössische Midtempo-Indiefloorfillers auflegt, die für das Publikum doch merkbar zu hip sind. Das setzt sich, wie auch die vergangenen Jahre vor allem aus Yolo-Kids mit Sidecuts oder Luke-Pritchard-Locken und Mittvierzigern in karierten Hemden oder Longsleeves unter dem T-Shirt zusammen, Familienausflüge sind das aber keine.
Die erste Band im Wohnzimmer, einer Halle im schweren Industrial-Style sind Catastrophe & Cure. Die Oberösterreicher sind diejenige Band, die für viele absolut unverständlich seit Jahren von FM4 protegiert werden. Jedes Konzert, auf dem sie ihren von Belanglosigkeit nur so triefenden Entwurf von Indiepop präsentieren, wird zur Facepalm- und Fremdschämorgie. Warum die von FM4 so gepusht werden und 2013 sogar einen Amadeus gewonnen haben, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben, ähnlich wie bei auch nicht gerade halbwegs guten Olympique. Vitamin B, vermutlich.
Catastrophe & Cure, heute ausnahmsweise zu fünft, wollen nach ihren Landsmännern Francis International Airport klingen, jegliche Innovation oder Qualität fehlt aber. Man kann da ruhig mal ehrlich sein. Auch wenn Oberösterreich heute für die österreichische Indieszene das ist, was das Burgenland anno 2005 war. Die Smartphones im Publikum werden da auch nicht gezückt, um Erinnerungsfotos zu machen, sondern um Timelines zu checken.
Unten langweilt derweil Skero, stil(schl)echt mit schwerem Fakegold um den Hals, mit Beats und Reimen aus dem letzten Jahrzehnt. Das Kabinenparty-Publikum johlt trotzdem.
Auf dem Weg zum Badezimmer, das vom Cro-Label Chimperator gehostet wird, gibt es auf Kunstrasenboden und zu Vogelgesang Tombolalose in Heliumluftballons, die ein paar besonders spitzfindige Besoffskis auf ihrer Krümelmonster-Uschankas hängen.
Ansonsten hat das Badezimmer nicht viel zu bieten, DJ-Sets der Chimperator-Menschen und ab und zu ironischen Studentenrap. Den Kiddies taugts, die Longsleeves sind nur zum Ausrasten da. Vor Erschöpfung, nicht zur Musik.
Lichtblicke
Nach Catastrophe & Cure, die sich noch dazu mit einigen langen Pausen und unangenehmen Ansagen auszeichnen, und ewiger Umbaupause beginnen Sizarr ihr Wohnzimmerkonzert. Ihr Set besteht größtenteils aus dem Ende Februar erscheinenden und sehr guten zweiten Album »Nurture«, Review gibt’s sehr bald im The Gap 148. Fast alle neuen Songs sind Livepremieren. Das schon fast alle Zugänge blockierende Publikum dankt dem 80er-infizierten Indiewave dann auch mit ungeteilter Aufmerksamkeit. Sizarr sind jung, schön, leicht arrogant und vor allem sehr gut. Das zieht. Türkises Scheinwerferlicht schmeichelt den Dreien noch zusätzlich, Bässe sind präzise. Für die Verhältnisse der Ottakringer Brauerei ist auch die Mischung und das Klangbild sehr gut. Sänger Fabian Altstötter beginnt als Crooner am Mikrofon, während die Zugänge langsam geschlossen werden. Aber erst mit seiner Gitarre bekommen die Songs das leichte »Disintegration«-Feeling der neuen Platte. Guter Auftritt, gute Band und, again: gutes Album.
In der Umbaupause spielt die Anlage übrigens »Bologna«, alle singen mit, alle freuen sich.
Inzwischen entdeckt man im Publikum auch Die-Sterne-Frontmann und All-Time-Indiegottheit Frank Spilker. Kein Wunder, der Riese mit Cravat und Pencilstache fällt mit seiner nonchalanten Fancyness auf wie ein sharped dressed bunter Hund. Geiler Typ. Wären alle Leute so wie Frank Spilker, gäb’s keine Erderwärmung und keinen Terrorismus.
Die Bands spielen parallel. An sich eine gute Idee, die Massen zu trennen. Weil man von unten mittlerweile nicht mehr nach oben kommt, muss HVOB und auch Kele ohne adäquate Berichterstattung auskommen.
Die Crux am heurigen Line-Up offenbart sich dann vor allem am eigentlich wichtigen Slot um zwanzig vor zwölf. Statt Co-Headlinern spielen Djs, oben Ondrasek Spechtl, der wahre Sexiest und Best Dressed Austrian Indiestar, GQ zum Trotz. Seine Konservenmusik vom Laptop animiert aber fast niemanden zum Tanz, aber er spielt Sleaford Mods, yay.
Die Songs tragen auch zum grassierten kollektiven Schädelweh bei, die Wohnzimmerluft ist stickig, exzessivem Pepsi-Light-Konsum hin oder her. Das Rauchverbot wird konsequent ignoriert, die Sicherheitskräfte haben ein Herz, schicken keinen in den Hof aus Schneeregen und Gastronomieduft. In den Toiletten ballert einem cheesy Eurodance um die Ohren, die Schlangen sind trotzdem lang. Das Anstellverhalten ist dabei noch idiotischer als das der Dunkin‘-Donuts-Kundschaft auf der Mariahilferstraße. Bei den Ausgängen – hier gilt jetzt one-in-one-out – ebenso.
Was hat euch bloß so ruiniert?
Die Band, wegen der vor allem viele der Älteren gekommen sind, sind Die Sterne, die sich ja mit dem aktuellen Album »Flucht in die Flucht« aus der Disco-Hölle des Vorgängers »24/7« befreit haben. Sogar Einpeitscher Robert Zikmund (dessen eigenes musikalisches Schaffen so hoch einzuschätzen wäre) wird mit Jubelschreien begrüßt. Wenn das Spilker – ohne Cravat, dafür mit Wohlstandsplauze – mit »männlich, weiß, hetero, Mittelschicht sowieso« aus »Wie groß ist der Schaden bei dir?« beginnt, ist Identifikation vorprogrammiert, auch wenn der Sound geht so ist und doch ein bisschen zu Rawk und Disco tendiert. Diskurs zum Tanzen eben, auch wenn die Hitze allen viel abverlangt. Offene Fenster, Wunschvorstellung.
Die Setlist ist zunächst einigermaßen enttäuschend, mit »Gib mir die Kraft!« wird sogar der schlechteste aller Sterne-Songs gespielt. Während »Universal Tellerwäscher« entschädigt und zum Hüpfen und Armezeigen motiviert, dünnen langsame Stücke die hinteren Reihen etwas aus. Diese diskutieren lieber über den Surprise Act, angebliche Sichtungen von Beatsteaks-Mitgliedern feuern die Gespräche an, während Die Sterne mit »Risikobiographie«, »Die Interessanten« und »Was hat dich bloß so ruiniert« schließen. Bei letzterem singt das Publikum alles mit. Muss sein, beim Klassiker.
Quelle Suprise
Positives gibt es auch von unten – die Masse wartet dort auf die speziellen Gäste – zu berichten. Polkovs »Promised Land« wird während der Umbaupause gespielt. Die ist sowieso klarer musikalischer Punktsieger heute. Die Luft ist unten auch besser.
Die Foren riefen nach Wanda oder Bilderbuch als Überraschungsgäste. Fast so laut wie Freundinnen, die sich voller Freude und Lautstärke wiederfinden, als wäre die andere lange verschollen gewesen.
Die Überraschungsgäste sind dann Deichkind. Zeit zum Heimgehen. Draußen liegt ganz Ottakring im Schnee.