Food Blog

Leidenschaftlich gerne belausche ich Gespräche meiner Mitmenschen.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Hie und da merke ich mir sogar das eine oder andere Satzsequenzchen, das an meine Ohren klopft und sich sogleich zur Weiterverarbeitung in Richtung Trommelfell, Hammer, Amboss und Steigbügel aufmacht. "Für gute Pistazien könnte ich töten!" war so ein aus dem Kommunikationszusammenhang gerissener Fetzen. "Hmm", dachte ich, "Hmm, die Hemmschwellen werden auch immer niedriger. Wofür man heute schon so alles tötet. Aber was, wenn ich gerade Ohrenzeuge bin, wie sich eine kleine Gruppe von Nussextremisten formiert, die im Begriff ist, einen eigenen Pistazienstaat zu gründen?" Ich verwarf den trostlosen Gedanken, nippte an meinem Drink und überlegte, wie ich wohl meine nächste Kolumne anlegen werde. Wobei Drink war jetzt ein wenig euphemistisch. Tatsächlich schluckspechtelte ich an einem stumpfsinnigen Bier.

Aber ich will hier jetzt eben einmal ein wenig Glamour hereinbringen und da finde ich, dass Drink das deutlich attraktivere Wort ist. Ich denke zum Beispiel an einen Gin Tonic. Der ist zwar nicht glamourös, sondern mehr so der einfachste und ehrlichste Cocktail der Welt, das Bier unter den Spirituosenmixgetränken sozusagen, aber immerhin ein Drink. Allerdings denke ich an einen Gin Tonic ohne Gurke. Die haben im Gin Tonic nämlich nichts verloren. Tatsächlich sind Gurken nichts weiter als behinderte Melonen. Sie taugen höchstens als Phallusanspielung, aber selbst dafür sind sie schon zu ausgelutscht. So wie Melonenmetaphern für weibliche Kurven auch nicht mehr gerade die frischeste Ware am Obst- und Gemüsestand der Vergleiche sind. Vielleicht sollte ich wieder einmal eine Liste machen. Etwa eine Top 5 der schändlich unterschätzten erotischen Früchte. Und dann deppensicher in Klammer dazuschreiben, wofür sie vorwiegend stehen und eventuell auch Anwendungsbeispiele geben. Ungefähr so:

  1. Stangensellerie (Seit Jahren variiert M. die gleiche Fantasie. Ein Ufo landet bei ihr auf der großzügigen Dachterrasse und ein Marsmandi dringt stürmisch über die Terrassentür in ihren Wohnbereich ein. Gar nicht passend zum restlichen Alienkörper baumelt ein langes, dünnes, blättrig behaartes Schwänzchen vorne am fremden Gast herunter. "Stangensellerie", denkt sich M., als sie das Dingsi aus einer fernen Welt inspizierte und mit Vorfreude feststellt: "Naturlamelliert – for my pleasure.")

  2. Quitte (Erinnert an einen ausgedörrten Anus und eignet sich auch aufgrund der lautlichen Nähe zum Englischen to quit perfekt, um Endgültiges im Verdauungskontext elegant zu umschreiben. "Er hat gestern seinen Job quitteriert.")

  3. Eierschwammerl (Nicht selten denke ich beim Anblick von diesem schmackhaften Fressi-Fressi, das ja streng genommen weder Obst noch Gemüse ist, an einen Nippel-Patch. Ich gehe mit einer Geschichte schwanger, in der sich drei Veganerinnen zufällig in den gleichen Volkshochschulkurs für Pole-Dance einschreiben und nach erfolgreichem Abschluss beschließen, eine Gemüse-Burlesque-Truppe zu gründen. Mit Eierschwammerln als Nippel-Patches. Wohl wissend, dass des Waldbodens reiche Ernte streng genommen weder Obst noch Gemüse ist. Running Gag halt.)

  4. Physalis (Nicht jedem fällt im Smalltalk immer gleich der Name dieser kleinen Vitamin-C-Granate ein, deren ursprüngliche Heimat Peru ist. Ihr Vorteil, denn das freche Früchtchen hat es faustdick hinter den Ohren. Erstens gibt es nämlich Wissenspunkte beim Gesprächspartner und wenn man noch dazu sagt, dass Physalis auch "Blasenkirsche" genannt wird, können selbst Ungeübtere den Talk auf schlüpfrigeres Terrain führen.)

  5. Rambutan (Dieser Frucht-Exot wird auch gerne als" haarige Litschi" bezeichnet und er sieht ein wenig so aus, wie man sich die Hoden von Chewbacca vorstellt. Einfach immer zwei, drei davon eingesteckt haben und billige Wortspiele mit "butan" vermeiden.)

Doch zurück zur Gurke. Abgesehen davon, dass ich Gurken nicht sonderlich gut vertrage, ist es seit einiger Zeit auch so, dass es mir schon ein wenig mühsam wird, immer nur auf geile Sexzoten aus zu sein. Dieser Schmäh überwuzzelt sich allmählich ein wenig. Da sollte man vielleicht mal eine neue Ebene einziehen. Essen bietet sich jetzt gerade irgendwie an. Ich bin jetzt alles andere als ein Social-Media-Experte, aber wenn ich mich dort so umschaue, meine ich zu erkennen, dass die Kernkompetenzen der Schwarmintelligenz im Netz sich aufs Posten von Essensbildern und Kommentieren aktueller Tatort-Folgen beschränkt. Nicht falsch verstehen, das ist nicht schlecht. Darauf kann man nämlich aufbauen. Mit einer Fress-Kolumne, in der immer wieder wer ermordet wird. Oder ich werde überhaupt gleich Food- & Crime-Blogger. Aber was schreib ich denn da?

Vielleicht zum Warmwerden eine kleine, leicht zu konsumierende Liste. Beispielsweise die "Top 6 der passenden Songs zum passenden Rezept". Ja, das ist schön lecker und voll yummy, yummy, nom, nom.

  1. "Auseinandergehen ist schwer" (Germteig)

  2. "Brimsen & Clover" (Liptauer)

  3. "Sarma Chameleon" (Kohlrouladen)

  4. "Dumpling Jack Flash" (Semmelknödel)

  5. "Rice like a Phoenix" (Scheiß mit Reis)

  6. "Sushi denn, Sushi denn, ins Städtele hinaus" (selbsterklärend)

Mit derart müden Witzchen Leute geangelt, kann ich mich nun als Food- & Crime-Blogger daran machen, das zu tun, was Food- & Crime-Blogger halt so tun. Blumig und wikipediagestützt in Printmedien über Pistazien schreiben zum Beispiel.

Für Pistazien, ob ihres stolzen Preises auch als giftgrünes Gold oder Austern auf Sträuchern bekannt, könnten viele Menschen töten, heißt es. Das verwundert nicht, denn der Baum, auf dem die Nüsse wachsen, steht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Rares ist wertvoll und schürt Begierden. Die bekannteste Briefmarke der Welt, die "Blaue Mauritius", ist ja auch nur so viel wert, weil es nur noch zwölf Stück davon gibt. So weit ist es mit Pistazien aber noch nicht. Wie ich mir da so sicher sein kann? Nun, ich hab es gegoogelt. Weil ich einen Krimi schreiben wollte, bei dem der Mörder sich verrät, weil er ständig Pistazien knabbert und am Tatort die Schalen verliert. Der ermittelnde Kommissar kommt über Analyse der Schalen dann drauf, wo die Nüsse her sind und kann durch Ausschlussverfahren feststellen, in welchem Supermarkt die gekauft wurden. Dann kommt eine Verfolgungsjagd. Jedenfalls hab ich gegoogelt: "mörder verraten durch pistazien". Kein passender Treffer, dafür ganz oben bei den Suchergebnissen das Rezept für Lamm mit Pistazienkruste. Und das machen wir jetzt. Man nehme 400 g Lamm, 8 gehackte Pistazien usw. usf.

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