Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen ist kein ganz einfacher Bandname. Ob sie im Eiskunstlauf bewandert sind, ist nicht bekannt. Ihr waviger Post-Punk sollte es aber sein.
Es ist ein zweischneidiges Schwert, eine Band mit richtig schniekem Namen zu sein. Klar, der ein oder andere greift deshalb im Plattenregal auf gut Glück zu, wegen der Edgyness im Namen. Aber zu oft werden Bands dann auf ihren Namen reduziert, Erwartungen sind dann zu groß und selbst dreiviertelgute Alben werden dann oft als nicht mal halbgut wahrgenommen.
Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen müssen sich darüber keine Gedanken machen. Zu gut ist ihr 2012 erschienenes offizielles Debütalbum »Postsexuell«, das irgendwie gleichermaßen Indiekids und die Punk-Kapuzenpolizei angesprochen hat. Letztere sind die, die bei Konzerten immer hinten stehen und alles gespielt scheiße finden müssen, aber trotzdem immer da sind.
Das Publikum bleibt auch mit dem Ende Februar erscheinenden Zweitwerk »Die Biellmann-Pirouette« natürlich dasselbe. Und wenn wir schon beim Titel sind: Wenn Eiskunstlauf dein guilty pleasure (schuldig!) ist, dann verzückt auch der. Ach, was wurde innerlich ausgeflippt, als Jewgeni Pljuschtschenko als erster Mann die Biellmann-Pirouette gezeigt hat.
Lyrik fürs Poesiealbum
Um Eiskunstlauf geht’s dann (leider) aber doch nicht, sondern, wie schon beim Vorgänger, um Lebenswelten, die sowohl auf das schon etwas fortgeschrittene Alter der Kieler zutreffen, als auch auf Mittzwanziger und jugendliche Befindlichkeitsfixierte. Als veritabler Nachfolger von »Leb so, dass es alle wissen wollen«, dem »DMD KIU LIDT« für Synth-Post-Punk-Lebenskünstler, kommt da etwa »60 Watt Sonne« in Frage. Zuhausebleiben als einzige Lösung gegen den Ausgehzwang, kein Bock mehr auf gar nichts. »Tausend CDs und keine, die dich berührt hat / Alles verkaufen oder alles behalten / Bis sich dein Player von allein repariert hat«.
Insgesamt schälen sich die äußerst sperrig zugänglichen und den meistens sehr aus dem Bewusstseinsstrom entsprungenen Texten einige Zeilen fürs Poesiealbum, wie etwa »Und in deiner Hall of Fame stehen die sabbernden Idioten / Aber ich werd‘ da nicht stehen« (aus »Halbe Stadt von unten«) oder »Meine Tätowierung extrapoliert die vorteilhaften Stellen meines Körpers« (aus »Ich fress den Braten ganz alleine«).
Das Kernstück bildet neben »60 Watt Sonne« auch das alleine vom Titel schon grandiose »Und noch immer nicht gebumst«. Da stellt endlich mal jemand fest, dass dir die beste musikalische Sozialisation – »Black Flag, The Exploited / Und keine Ahnung was das alles bedeutet« – nicht beim Geschlechtsverkehr hilft, am Ende dieser typischen Dorfpunk-goes-Immatrikulation-Story hast du dann immer noch nicht gebumst, aber immerhin schon mal gefummelt.
»Und noch immer nicht gebumst« ist musikalisch eher die Ausnahme, eine der sehr wenigen Nummern, die wirklich sehr nach vorne gehen. Die anderen Stücke wabern im typischen Wave-Post-Punk vor sich hin. Nicken ja, aber dass man automatisch mit den Füßen Kickdrums imitiert, eher nicht.
Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen erhalten auch mit ihrem zweiten Album eine Sonderstellung im – wie sie es selbst nennen – Northern Punk. Nicht nur durch das gut und zahlreich eingesetzte Elektrogebimmel, sondern auch lyrisch. Sperrig, aber treffsicher.
»Die Biellmann-Pirouette« von Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen erscheint am 27.2. via Broken Silence. Die Headline spielt auf den wunderbaren Film mit Will Ferrell und Jon Heder an.