Wenn wir nicht hinterfragen, was die Technik aus uns macht, dann macht es ja sonst niemand. Das Resonate Festival ist vorüber. Fotos und Gedanken dazu hier.
Während ein paar Steinwürfe bzw. Landesgrenzen entfernt Sarajevo mit seinem kleinen, feinen Filmfestival Namen wie Charlotte Rampling oder Brangelina eingemeindet, zieht das Resonate-Festival seit vier Jahren als temporärer Resonanzkörper für Medien/Kunst und Kreativwirtschaft expandierende Kreise.
Irgendwo zwischen Workshop-Experimenten, lockeren Lectures und Artist Talks, zwischen Hörsaal, Konzerthaus und Sitzball unter Dachschräge finden sich hier Gäste und Referenten im sympathisch selbstorganisierendem Kosmos auf Augenhöhe wieder. Und reden dabei, trotz High-Art-Anspruch, immer wieder über das eine – das schnöde Geld.
Mensch, Maschine, Machinedrum
Doch dazu später mehr. Mit seinem diesjährigen Schwerpunkt auf Musik und Workshops, in denen z. B. Terre Thaemlitz, Emika oder Bill Drummond (KLF) Einblick in Produktion, Lebens- und Arbeitsbedingungen geben, erweitert Resonate das traditionelle Medienkunstspielfeld um wichtige Facetten. Darüber hinaus lässt es immer mehr Praktiker zu Wort kommen, die als Physiker, Ingenieure, Programmierer, Soziologen oder Instrumentenbauer Alltag und Ästhetik schärfen.
Im Rahmen der „Kreolisierung der Kulturen“(Nicolas Nova) und Hybridisierung des Contents werden so nicht nur Menschen, Maschinen und Sensoren verwurstet bzw. durch den digitalen Fleischwolf gedreht, sondern auch die gesamte Kulturproduktion durch generative oder Bastardisierungsprozesse neu gemischt. Und später von Artists wie Machinedrum und Daito Manabe in Clubrhythmen bzw. unfreiwillige Gesichtsgymnastik gegossen.
Iterative Prozesse vor interaktiver Kulisse
Von Adam Magyars i>urban flow, die den Faktor Zeit in Panoramen aushebeln – Statisches wird zum Strichcode, Bewegungen statisch – um eine gefühlte Gleichzeitigkeit fotografisch einzufangen, über Zach Liebermanns (Open Frameworks) bastelorientierte Code-Lehrmethoden an der School for Poetic Computation bis zum ambitionierten Synthesizerbau ohne eigene Ingenieurserfahrung (OD-1, Teenage Engineering) werden hier explorative Grenzerweiterungen im Selbsttest durchgespielt, die etwa 2.000 Teilnehmer live miterleben dürfen. Oder, wie es Robert Aiki Aubrey Lowe (Lichens) so schön auf den Punkt bringt: “There is no such thing as wrong; it’s all about discovery.”
Money matters
Allerdings tummeln sich unter den gezeigten Projekten auch immer mehr souveräne Beispiele, die Aspekte der Medienkunst in den kommerziellen Alltag tragen. Denn die Grenzen zwischen selbstinitiierter Frickelei und slicker Auftragsproduktion werden deutlich fließender – und auch selbstverständlicher bzw. wertfreier angenommen.
Den reinen Elfenbeinturm kann sich schlicht niemand mehr leisten: Querfinanzierung von Passion-Projects durch Markenkooperationen oder ähnliches ist mittlerweile die Norm, während die immateriellen Vorteile gerade größerer, kommerzieller Produktionen – z. B. Zugriff auf Traumtechnik und grandiose Räumlichkeiten für futuristische Spielwiesen – nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert werden, wenn es darum geht, das vermeintlich Brotlose zu monetarisieren.
The new realism
Dies spiegelt sich auch in den geladenen Referenten – zwischen Designagentur und Kulturtheoretiker wird nicht mehr unbedingt unterschieden: Es zählt das Projekt, das dabei herauskommt. Gerade in Panels wird erstaunlich ehrlich über hohen Workload, Selbstvermarktung, Positionierung, Risikominimierung, Verwertungsmöglichkeiten und Investitionskosten gesprochen. Viele der geladenen Künstler, Kuratoren und Kreative suchen ihr Heil – bzw. die Antwort auf ihre prekäre Situation – mittlerweile weniger in klassischer Kulturförderung, sondern eher in einer 20:80-Mischung aus kompromisslosen Eigenproduktionen bzw. Experimenten und gut dotierten Branding-Aktionen oder immersiven Installationen für generöse Marken.
Brave new world
Glücklicherweise kommt dabei auch eine verwandte Diskussion nicht zu kurz: Die Verlockung der allzu schönen neuen Welt, der einfachen Wege, glatten Flächen und bunten Bildzaubereien, wird genauso thematisiert. Schließlich „geben die besten Tools – die neuen seductive Technologies – die Ergebnisse eigentlich schon vor. Und plötzlich merkt man, dass in Boston, Peking oder Johannesburg alle das Gleiche damit machen. Man muss sich bewusst anstrengen, um aus diesen vorgegebenen Verführungen der Technik auszubrechen. Immer wieder.“ (Artificial Rome).
Diese Frage nach Kunst, Kommerz und Kontext wird auch nächstes Jahr wieder in Belgrad gestellt – und hoffentlich gründlich hinterfragt.
Das Resonate ist ein sechstägiges Festival in Belgrad, dass die Position von Technologie in der Kunst über Workshops, Konzerte, Diskussionen, Artist Talks und Performances auslotet.