Turbobier und Rotzpipn, die zwei Wiener Klamaukkapellen, veröffentlichen neue Alben. Alkoholiker und 14-Jährige aufgepasst!
Turbobier, das: alkoholhaltiges Erbrechungsgetränk in der Dose, die mittels spitzem Gegenstand – vorranging mit dem Zündschlüssel eins Rieju-Gatschhupfer – am unteren Ende der Längseite durchstoßen wird, damit der Inhalt besonders schnell konsumiert werden kann. Turbobierkonsumenten trifft man vor allem auf lokalen Kleinstfestivals mit lustigen Namen wie Rock am Ocker oder Hardrock statt Discopop, wo sich die Dorfjugend in Extase kotzt.
Rotzpipn, die: anderes Wort für Arschwarze, für quengelndes Kind, dem man gerne – den guten Sitten zum Trotz – die Fresse polieren möchte. Findet man vor allem an eigentlichen Orten der Ruhe, wie etwa in ausgewiesenen Entspannungsräumen im Schwimmbad, in Restaurants oder in öffentlichen Verkehrmitteln. Eine Rotzpipn erkennt man auch daran, dass das Elternteil kein Interesse hat, die Quengelei zu stoppen und die Streiche des Nachwuchs zu unterbinden.
Erben des schlechten Geschmacks
Ja, eh. Nur sind Turbobier und Rotzpipn nicht nur Spielwiesen für pseudo-lustige Definitionen, sondern auch zwei Bands, die sich daran machen, das fragwürdige Erbe des österreichischen zotigen Rock anzutreten. Man denke an Die Hinichen und vor allem an Alkbottle, die so »böse« sind – nicht einmal deine erzkonservative ÖVP-Materialisten-Oma haut es vom Fauteuil.
Rotzpipn sind schon ein bisschen länger im Geschäft, das neue Album »Das dümmste Gericht«, das zusammen mit dem – zugegeben sehr gut benannten – Simmeringer Faustwatschenorchester augenommen wurde, ist schon das dritte. Neben dem Sieg beim Protestsongcontest, gibt es auch ein paar Youtube-Hits, »Jacqueline«, »Traktorfoan« oder »Mama«. Lustigerweise spielt diejenige, die bei Live-Mitschnitten am meisten abgeht, auch in den Videos oft eine wichtige Rolle. Die Mitglieder nennen sich Fetz N. Schädl, Zacharis Umpferl oder – haha – Willibald Budan.
Die von Turbobier heißen ähnlich: Marco Pogo, Baz Promüü oder Fredi Füzpappn. »Irokesentango«, so bezeichnen sie ihren Stil selbst, ist ihr Debüt. Bekannt wurden sie durch den Youtube-Cover-Hit »Arbeitslos«, der vor allem die beiden »Atemlos«-Kieberer parodiert. Warner Music schlug da gleich zu.
Post-Irony?
Natürlich sind beide Alben super-ironic, give them Gin and Tonic. Rotzpipn versuchen sich weiterhin in der Verherrlichung von Simmering, getarnt als Patriotismuskritik: »Es gibt an Ring sie zu knechten / Auf den olle schoaf san / Aber in meinen durchzechten Nächten brauch i nur an Ring / Simmering.« Es geht um Kritik am Rock-Biz, der Schmäh bleibt aber oft der selbe: Lustigmachen durch Übertreibung, der älteste Schmäh also sogar. Natürlich darf auch der Gerstensaft als Lebensexilier nicht unerwähnt bleiben, »Bummzua«, »Rauschtourettesyndrom« oder »Roadtrip Oida« zeugen davon, dass auch Rotzpipn das Turbobier-Konzept kennen. Ein bisschen hinten nach halt. Besonders deutlich wird das bei »Chuck«, wo einfach Chuck-Norris-Witze aufgezählt werden. Hallo, hier spricht das Internet der Nullerjahre, ich hätte gerne meine kurzfristigen Hypes zurück. Bi-Ba-Bonuscard hin oder her.
Musikalisch ist das alles relativ unaufregend, 08/15-Rock halt. Das tut niemandem weh, mal ist ein bisschen Reggae dabei, mal ein bisschen 80er-Metal. Vor allem textlich schwemmt diese Mischung einiges an fragwürdigen Saufbrüdern an, das »Geht’s in Oasch« in den Linernotes gilt daher auch allen »Rassisten, Sexisten, Homophobic Redneck Dicks« und anderen Douchebags. Sympathisch.
Hackln is, wos i ned mog
Turbobier erfinden das Rad auch nicht gerade neu, sind aber vor allem in ihrem Ansatz doch etwas anders als Rotzpipn, deutlich mehr Punk – natürlich mit anderen Maßstäben. Außerdem sind sie voll arg tätowiert. Turbobier sind sozusagen die Eskimo Callboy des Humor-Deutsch-Punk, nur ohne Trance, aber deutlich mehr szene-involviert. Auf Tour spielen sie unter anderem mit der Terrorgruppe. Textlich geht es aber um Altbekanntes: Polizei, Punk-Mentalität, alkoholhaltiges Herumlungern. »Wia san Punka, wia san frei«. Wer also schon Fan von »Arbeitslos« war, wird sich auch mit »Irokesentango« wohlfühlen, einfach mal Hirn ausschalten, geil auf Arbeitslosigkeit sein und sich gepflegt umnieten. Vorzugsweise mit den Gründern der Bierpartei. Für alle über 14 darf es dann doch ein bisschen mehr Anspruch sein.
Beide Alben, »Das dümmste Gericht« und »Irokesentango« werden ihre Abnehmer finden, Turbobier sind aber tendenziell eher einem jüngeren Publikum verpflichtet – vom Aussehen her, von der musikalischen Umsetzung her. Auch die Themen wirken noch unreflektierter als bei Rotzpipn. Turbobier-Hörer glauben wohl tatsächlich, dass Arbeitslosigkeit Spaß macht. Ein Ideal ist es sicherlich, das kann man ruhig zugeben.
»Das dümmste Gericht« von Rotzpipn & Das Simmeringer Faustwatschenorchester ist bei Harlots Music erschienen. »Irokesentango« von Turbobier bei Warner Music.