Wird jemand im Rahmen eines Interviews gefragt, was denn die größte persönliche Schwäche sei unter der er zu leiden habe, liest man nicht selten als Antwort: »Ich bin ein bisschen ungeduldig«.
Das ist sozial sehr erwünscht und – so hat mir ein befreundeter Recruiter und Humanressourcenmanager erzählt – auch bei Vorstellungsgesprächen eine beliebte Antwort. Wer über sich behauptet, ein ungeduldiger Zeitgenosse zu sein, will Macher- und Checkerqualitäten suggerieren und als endgeiler Mover and Shaker dastehen, der nur eine Richtung kennt: die nach oben. Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte, ist nicht angesagt in diesen Kreisen. Aber die gute Nachricht: Die Antwort bringt nicht mehr viel – erklärte mir zumindest mein Bekannter – weil sie derart inflationär verwendet wird, dass die Herren und Damen Job-Interviewer sich kopfschüttelnd heimlich ins Fäustchen lachen und still denken: »Was für eine einfältige Pfeife.«
Früge man mich nach meiner größten Schwäche, antwortete ich wohl ehrlich: »Ich treibe meine Umwelt mit Witzelzwang und dämlichen Kalauern in den Wahnsinn. Fragen Sie mich jetzt bitte was anderes.« Wenn die Vorstellungsgesprächheinzis dann ihren Fragenkatalog durchgehen und z.B. Dinge wie »Was wollen Sie Ihrem Kind nicht vererben?« von mir wissen wollen, kann ich auftrumpfen: »Abstehende Ohren, Zwergwuchs, Sommersprossen, Senkfuß, Haarausfall.«
Wenn man sich dann schon vor Lachen die feisten Bäuche hält und vielleicht wissen möchte: »Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?« schiebe ich nach: »Meistens den Kultur- und Medienteil. Oft aber lediglich nur die Coverstory … Ach, Sie meinen gar nicht das Nachrichtenmagazin? Sorry, mein Fehler, aber es war jetzt total ehrlich.«
Man sieht, mit mir ist kein ernsthaftes Gespräch zu führen. Und ich bin sehr froh, dass ich noch niemals in meinem Leben ein Vorstellungsgespräch habe machen müssen. »Wie das?«, höre ich es jetzt raunen. Ganz einfach, liebe Freunde. Verhaberung. Diese Kolumne etwa hab ich nur, weil ich seit Jahren ein heimliches Verhältnis mit den beiden Chefredakteuren habe. Offiziell tun wir immer so, als ob wir uns nicht leiden können, aber sobald der Moment ein unbeobachteter ist, raunen wir uns zärtlich Sauereien ins Ohr und zwicken uns heimlich in die Popschis. Und in ganz verwegenen Augenblicken, wenn Geilheit wie weiches Rindertalg aus unseren gelähmten Blicken tropft, auch schon einmal ins Zumpfi.
Freilich habe ich auch noch andere Schwächen. Ich bin überheblich und verachte gerne mal leidenschaftlich die Natur. Schwarzweiße Tiere zum Beispiel. Zebras. Pfui! Albino-Tiger. Igitt! Ein schwarzweißes Holstein-Rind. Wäh! Und Pinguine sowieso. Ein Vogel, der nicht fliegen, aber schwimmen und tauchen kann und an Land aufrecht dahinwatschelt, ist ein persönlicher Angriff auf meine Gefühle. Als Krone der Schöpfung am Ende der Nahrungskette komme ich mir ein bisschen verarscht vor, wenn ich Vögeln beim Gehen zusehen muss. Der verspottet mich. Und dass bei manchen Pinguinarten die Männchen die Eier ausbrüten … Tja, muss man noch mehr sagen?
Und Pandabären erst. Von der Natur als Raubtier konstruiert, mit einem Raubtiergebiss, das auch funktionsfähig wäre, macht das dumme Tier keinen Gebrauch davon. Stattdessen muss der Panda unentwegt Bambus in sich hineinschieben, weil er sonst krepiert. Er ist ein veganes Raubtier sozusagen. Und ein warnendes Beispiel dafür, wozu Veganismus und einseitige Ernährung führen kann. Denn was macht er schon groß, der liebe, putzige Panda? Nichts, außer schlafen und fressen. Und einmal im Jahr pudern. Aber auch nicht richtig. Er will nicht, sie will nicht und sollte es wider Erwarten doch mit der Befruchtung klappen, kommt ein kleiner unscheinbarer Hautlappen raus, der auch nicht richtig will und oft schon nach wenigen Tagen wieder schlapp macht. Pandabären sollte man aussterben lassen, die wollen das doch selbst. Aber weil der WWF und The Gap dann ein neues Logo brauchen und man es sich mit China nicht verderben will, werden diese unnötigen Mamlas in Zoos auf der ganzen Welt im Käfigkoma künstlich am Leben erhalten. Ekelhaft.
Wobei, mit der offensichtlichen Faulheit der Pandabären kann ich schon etwas anfangen. Übertrieben aktiv bin ich jetzt nämlich auch nicht so. Das beginnt ja schon bei Kleinigkeiten. Ich schaffe es seit über zehn Jahren nicht, die Kurzwahlnummern am Handy neu zuzuordnen. Mutters Nummer ist noch immer auf der Eins. Was komisch ist, denn bei allen Dachschäden, die sich bei mir im Laufe der Zeit so gesammelt haben – eine Mummy-Issue gehört definitiv nicht dazu. Dafür kann ich nicht oft genug dankbar sein. Ich kenne nämlich durchaus Experten, die ihre Mütter in einer Mischung aus Überzeugung und Angst ganz oben auf ihrer Kurzwahlliste haben und merkwürdiges Verhalten an den Tag legen. Einer versteckt etwa sein Handy bevor er onaniert, aus Angst, sie könnte anrufen und er ist dann zu geil, um erstens abzuheben und noch schlimmer, in einem angemessenen, sehr kurzen Zeitraum sofort zurückzurufen. Wenn er es allerdings nicht hört, sollte Mutti durchbimmeln, wenn er gerade dabei ist, die Wurst zu wutzeln, ist es ihm egal. Ich verstehe es nicht, man kann mir dieses Verhalten auch nicht einleuchtend erklären und finde es eigentlich schon sehr belästigend, dass mir so etwas überhaupt erzählt wird; aber: Ich bin auch sehr froh, gut abgenabelt zu sein. Ich hab eh genug andere Probleme. Links und rechts auseinanderzuhalten.
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