Wem bei »Amore« schon ein paar »Baby« zu viel waren, könnte sich an »Bussi« stoßen. Ein Album, das am Sexismus kratzt. Was Wanda selbst aber gar nicht so sehen.
»Amore« ist das Konsensalbum des letzten Jahres. Junge hören es, Alte, Studenten, Leute am Zeltfest, Kassierer, Trucker, Punks, Open-Air-Druffis, Investmentbanker, CEOs. Die berühmt gewordenen Botschaften schmücken Häuserwände, Handgelenke und dreckige Autoscheiben. »Wenn jemand fragt, wofür du stehst« oder, simpler, »Amore«. Im Wochentakt fragen Großkonzerne an, die das Wanda-Etikett an ihre Produkte picken wollen. Die Songs scheinen einfacher aufgebaut als sie tatsächlich sind. Vor allem die Texte verbinden.
Natürlich steht man für Amore, wenn man danach gefragt wird. In welcher Stadt? In Bologna. Natürlich weiß jeder, der hier sitzt, dass Auseinandergehen schwer ist. Kopf hoch, Thomas! Ein Album, ganz dem Titel versprechend, voller Liebe, Nächstenliebe, ein bisschen Inzest und Mitgefühl. Obwohl quasi parallel geschrieben, geht »Bussi« da einen anderen Weg, ist deutlich härter und misanthropischer, teilweise dezent misogyn. Die Figuren sind keine Heiligen. Und sie sollten sich eher bald verändern. Etwa in »Lieber dann als wann«. »Und schau, dass du wirst, wer du gar nicht bist. Weil zu sagen, dass es schön mir dir war, wird niemand tun«, heißt es da mehrmals. Kein sei-wie-du-bist, kein lass-es-raus, kein passt-schon-so. Auch der Andi, in »Andi und die spanischen Frauen«, kriegt auf den Deckel.
Nimm sie, wenn du’s brauchst
Schwerer wiegt ein anderer Vorwurf, den man »Bussi« machen kann: Es gibt einige Stücke, in denen Frauen gar leicht verfügbar sind. »Amore« wurde deshalb schon kritisiert, die TAZ kritisierte das häufige »Baby«. Auf »Bussi« sind gleich einmal die ersten beiden Singles betroffen: In »Bussi Baby« verlangt der Ich-Erzähler von jemandem, der sich das Weiße – also Koks – nicht leisten kann, ein Bussi, lässt sich die Sucht mit Körperlichkeit bezahlen. Bei »Nimm sie, wenn du’s brauchst« wird es tiefer: »Nimm sie, wenn du glaubst, dass du’s brauchst, steck sie ein wie 20 Cent« heißt es da, und weiter: »Sie kennt niemand in Wien und dass sie deine Worte glaubt, das ergibt sich ohnehin«.
Auf mögliche Kritik reagiert Marco Michael Wanda sichtlich echauffiert: »Dahinter, dass ein Mensch einen anderen um ein Bussi bittet, Sexismus zu vermuten, finde ich jetzt sehr hart, ein starkes Stück. Da ist man ja richtig blind für den hohen menschlichen Anspruch dieser Zeile«. Es wäre etwas anderes, würde man von »Lutsch‘ meinen Schwanz, bis du kotzt, du Fotze« singen. Stimmt. »Es ist aber interessant zu wissen, dass es so aufgefasst werden könnte. Aber es ist auf jeden Fall nicht so gemeint«, erklärt er weiter. Bei »Nimm sie, wenn du’s brauchst«, ginge es dann eh auch darum, einem anderen Typen seine misogynen Tendenzen aufzuzeigen.
Kein Internet, keine Zeit
»Misogyne Tendenzen gibt es in der Band nicht. Weil wenn es die geben würde, würden wir denjenigen rausschmeißen. Sofort, voll! Auch in unserem Umfeld gibt es das nicht. In meinem ganzen Leben gibt es keinen Berührungspunkt mit Frauenfeindlichkeit«, stellt Marco klar. Frauen sind für die Band nicht ständig »verfügbar«, zumindest nicht mehr als vorher. Auch wenn man das glauben könnte. »Wir sind ja noch weitestgehend teeniefrei und haben eine eher brutale Männlichkeit, die spricht eher die 30- bis 40-jährigen Frauen an. Die sind ja nicht so hoffnungslos ihren Hormonen erlegen, dass sie kreischend im Backstage-Bereich herumlaufen und uns pudern wollen«. Auf Tinder ist auch niemand in der Band, Marco hat ja nicht einmal Internet, und: »Ich hab gar keine Zeit zu ficken, ich bin meist zu müde eigentlich. Und es ist so viel Arbeit«. Na dann, Bussi.
Das Video zu "Bussi Baby" ist soeben erschienen. Das Album "Bussi" erscheint am 2. Oktober via Universal.