Was M.I.A.-Platten für die Populärkultur sind, ist Spivak für die Kulturwissenschaften: das schlechte Gewissen, dass die eigene, euro-zentristische Sicht der Dinge eigentlich ja nicht die einzige sein müsste. Entsprechend viel zitiert, aber doch kaum gelesen (vorbei die Zeiten, da Theorie via Merve-Bändchen in popaffinen Hosentaschen immer mit dabei war) ist Spivaks Essay „Can the Subaltern […]
Was M.I.A.-Platten für die Populärkultur sind, ist Spivak für die Kulturwissenschaften: das schlechte Gewissen, dass die eigene, euro-zentristische Sicht der Dinge eigentlich ja nicht die einzige sein müsste. Entsprechend viel zitiert, aber doch kaum gelesen (vorbei die Zeiten, da Theorie via Merve-Bändchen in popaffinen Hosentaschen immer mit dabei war) ist Spivaks Essay „Can the Subaltern Speak?“, der nun (zwanzig Jahre nach der Erstveröffentlichung) erstmals vollständig auf Deutsch übersetzt vorliegt. Spivaks enigmatische Formulierungen und hoch komplexe Gedankengänge sind schon auf Englischs kaum zu verstehen (man sollte seinen Marx, Foucault und Derrida schon sehr präsent haben), die sehr nah am Original bleibende, eher schwache Übersetzung erleichtert ein Verständnis von Spivaks Thesen aber auch nicht unbedingt. Spivak versucht in dem eigentlich sehr lesenswerten Essay, dekonstruktive französische Theorien mit postkolonialen und (post-)feministischen Fragestellungen zusammenzubringen und die Frage zu stellen, wie für Subalterne Handlungs- und Veränderungsfähigkeiten gedacht werden können, ohne eine autonomes Subjekt vorauszusetzen. Studierenden der Geisteswissenschaften wird der Band wohl eine Hilfe bei der Annäherung an diesen extrem schwierigen Theorietext sein. Eine Wirkung über diesen Expertenzirkel hinaus wäre zwar wünschenswert, ob sie durch diese Übersetzung zu Stande kommt, bleibt aber fraglich.