Das Eröffnungstück „Paroli“ ist programmatisch für das gleichnamige sechste Album der Linzer Hip-Hop-Crew Texta: ein Rundumschlag gegen katholische Engstirnigkeit und Seitenblicke-Gesellschaft, Hip-Hop-Klischees und Medienlandschaft, willenlosen Konsum und politische Einfältigkeit. Die ganze Themenpalette des Albums verdichtet auf viereinhalb Minuten, zum Leitmotiv der Platte: dagegen halten, sich nicht damit abfinden, Paroli bieten. In bestimmtem Ton, aber nicht […]
Das Eröffnungstück „Paroli“ ist programmatisch für das gleichnamige sechste Album der Linzer Hip-Hop-Crew Texta: ein Rundumschlag gegen katholische Engstirnigkeit und Seitenblicke-Gesellschaft, Hip-Hop-Klischees und Medienlandschaft, willenlosen Konsum und politische Einfältigkeit. Die ganze Themenpalette des Albums verdichtet auf viereinhalb Minuten, zum Leitmotiv der Platte: dagegen halten, sich nicht damit abfinden, Paroli bieten. In bestimmtem Ton, aber nicht verbissen. Dafür sind Texta, seit jeher ihre Stärke, viel zu gelassen und selbstkritisch. Das bewahrt sie (weitgehend) vorm erhobenen Zeigefinger und ist wesentliche Voraussetzung für ihr Ziel: „Ein aussagekräftiges Album zu machen“, wie Texta-MC Harald „Huckey“ Renner betont, „ernsthaft, aber nicht ernst“.
So gewitzt, vielschichtig und durchdacht wie die Lyrics sind auch die Beats auf „Paroli“.
Lieber mit Augenzwinkern wie bei „Jugend ohne Kopf“. „Die Nummer ist zuallererst ein Sich-Lustigmachen über uns als Alte, die den Jungen vorwerfen: Hey, ihr tut ja nichts“, sagt Huckey. „So wie man es von den Eltern kennt.“ Bei aller Überzeichnung gebe es aber auch einen wahren Kern, so Philipp „Flip“ Kroll, Produzent und MC: „Wir haben in Linz viel Hip-Hop-Aufbauarbeit geleistet, und manchmal fragt man sich schon, wer kommt eigentlich nach? Wer trägt den Spirit weiter, wenn wir einmal nichts mehr machen?“Bis dahin treibt sich die seit 1993 aktive und nach wie vor beste Hip-Hop-Formation des Landes selbst von Platte zu Platte zu Höchstleistungen. Musikalisch wie textlich. „(So schnö kaust gor net) Schaun!“, im Frühjahr bereits als Single veröffentlicht, ist nicht nur ein längst überfälliges Gipfeltreffen mit ihren Linzer Weggefährten Attwenger, sondern schlicht einer der besten Momente im heimischen Pop der letzten Jahre. „Weltpolizist“ handelt vom US-Imperialismus, der vorgibt, Frieden zu bringen, letztlich aber nur eines will: „weiße Westen für den weißen Westen“. „Pause für Rebellen“, mit Sirenen und schweren Drumbeats, ist eine Hommage an Public Enemy und Absage an effekthascherische Härte. „Was heute als rebellisch daherkommt, ist oft nur eine eigennützige Provokation um der Provokation willen. Unbegründet, ohne Willen zur Veränderung“, so Huckey. In „Um Gottes willen“ wiederum gehen Texta mit katholischen Fundamentalisten, die zwar den „Himmel überm Kopf, aber keinen Boden unter den Füßen“ haben, hart ins Gericht.Dass bei alledem die Musik nie in den Hintergrund tritt, spricht für Flip, Huckey, Laima, Skero und DJ Dan. Denn so gewitzt, vielschichtig und durchdacht wie die Lyrics sind auch die Beats auf „Paroli“: mit heftiger Piano-Verstärkung oder minimalistisch, beseelt oder clubtauglich. Man sei „vielleicht ein bissl opulenter als früher“, so Produzent Flip. „Ohne aber eine Eindruck schindende Produktion machen zu wollen.“Beeindruckend ist „Paroli“ auch so. Das Zusammenspiel der vier MCs, die ihre Stimmen immer auch wie Instrumente einsetzen, funktioniert blendend, stellenweise gar atemberaubend. Geballte 70 Minuten umfasst „Paroli“ – kaum eine zu viel. Ein großer Wurf, mit dem die Linzer eines beweisen: So schlecht wie sie es etwa im Stück „Der letzte Schrei“ ankreiden, ist es um Hip-Hop nicht bestellt. Zumindest nicht, wenn er von Texta stammt.